Vereinigte Linke uneinig

Nach der Spaltung der Izquierda Unida treten zur galizischen Regionalwahl nun zwei Links-Bündnisse an

Spaniens Vereinigte Linke ist de facto gespalten. Am 20. September beschloß der Politische Rat der Izquierda Unida (IU), sich vom katalanischen Bündnispartner Iniciativa per Catalunya (IC) zu trennen und drei Parlamentsabgeordneten das Mandat abzusprechen. Außerdem wurden mehrere Regionalvorsitzende des Linksbündnisses durch den Madrider Beschluß ihres Amtes enthoben. Der Politische Rat folgte damit einer Empfehlung des IU-Vorstandes vom 22. September.

1986 anläßlich des Referendums über den Verbleib Spaniens in der Nato ins Leben gerufen, ist das Projekt Izquierda Unida somit gescheitert, auch wenn dies niemand zugeben mag: Julio Anguita, Nummer eins der IU, bevorzugt statt dessen die Wendung, daß mit dem Madrider Votum der Gründungsprozeß des Bündnisses nach über elf Jahren endgültig abgeschlossen sei. Die internen Differenzen hätten schließlich seit Beginn bestanden, nun seien sie "gelöst". Auch Anguitas Widersacher Rafael Rib-, Vorsitzender der IC, glaubt noch an ein gemeinsames linkes Projekt. Nur eben nicht mit Anguita oder dessen Anhängern. Alle anderen politischen Kräfte am linken Parteienrand sollen jedoch für ein neues Bündnis gewonnen werden.

Jenseits des Optimismus der beiden Protagonisten werden am 19. Oktober, wenn die nordwestspanische Region Galizien ein neues Parlament wählt, zwei Linksbündnisse antreten. Und genau hier spielte sich auch der Anfang vom Ende der Izquierda Unida ab: Im Mai dieses Jahres hatte der dortige Chef der Organisation, Anxo Guerreiro, einen Pakt mit dem sozialistischen PSdeG-PSOE geschlossen. Gemeinsam wolle man versuchen, die Wiederwahl des derzeitigen galizischen Ministerpräsidenten Manuel Fraga zu verhindern, so die Absichtserklärung der beiden Parteien. Der als konservativer Hardliner bekannte Fraga, der schon zu Francos Zeiten ein Ministeramt bekleidete, regiert in Galizien bisher mit absoluter Mehrheit.

Die Esquera Unida (galizischer Name der IU) beschloß hingegen auf ihrer Hauptversammlung im November 1995, nicht mit den Sozialisten zu paktieren. Ein Beschluß, den Guerreiro bei seiner Koalitionsaussage ignorierte. Über ein Fünftel der ca. 1 300 EU-Mitglieder verlangte daher per Unterschriftenliste eine außerordentliche Versammlung zwecks Abstimmung über den weiteren politischen Kurs, was von Guerreiro abgelehnt wurde. Prompt entstand - mit Unterstützung Anguitas und der IU-Führung - eine zweite Esquera Unida. Unter dem Namen EU-IU wird diese nun gegen Guerreiros EU-EG (Veinigte Linke/ Linke Galiziens) antreten.

Entlang dieser Konfliktlinien spaltete sich auch die spanienweite IU: Die Unterstützung der IC sowie der IU-Regionalchefs von Kastilien-La Mancha, Land Valencia und Extremadura für die EU-EG war dem Spaltungsbeschluß vom 20. September vorausgegangen. Der galizische Streit ist jedoch keineswegs Ursache für den Bruch: Der Gründungskonsens der IU stand von Beginn an auf wackligen Beinen. Die Ablehnung der Nato-Mitgliedschaft als gemeinsamer Nenner reichte für die weitere politische Arbeit nicht aus. Insbesondere die Frage eines Paktes mit dem PSOE wird seit 1986 immer wieder aufgeworfen. Die kommunistische Mehrheit des Bündnisses lehnt eine solche Zusammenarbeit ab, weil die Sozialisten in ihren Augen für Korruption, Privatisierungspolitik, die europäische Integration sowie eine rigide Arbeits- und Sozialgesetzgebung stehen. Andere Fraktionen des Linksbündnisses - so IC oder der PDNI (Demokratische Partei der Neuen Linken) - sehen in der PSOE dagegen einen potentiellen Partner gegen die konservative Volkspartei von Spaniens Ministerpräsident José Mar'a Aznar. Außerdem ist die "fundamentale Oppositionspolitik" des PCE den anderen IU-Kräften unverständlich. Sie befürworten entgegen den Vorstellungen der Kommunisten die europäische Währungsunion, wollen diese aber durch eine soziale Komponente ergänzt sehen.

Mit Julio Anguita - nicht nur IU- sondern auch PCE-Chef - hat das Bündnis seit November 1989 zudem keinen besonders toleranten Vorsitzenden. Der heute 55jährige, der als erster kommunistischer Bürgermeister im südspanischen C-rdoba den Spitznamen "der rote Kalif" erwarb, gibt sich nach außen zwar freundlich und diplomatisch, mag aus den eigenen Reihen aber keine kritischen Stimmen akzeptieren. Vermutlich sieht Anguita in der Bündnispolitik Anxo Guerreiros auch eher einen Affront gegen seine Person als gegen Grundsätze der Izquierda Unida. So erhielt die andalusische IU im Mai vergangenen Jahres Anguitas kommunistischen Segen zu einer regionalen Koalition mit dem PSOE. Den früheren Lehrer habe besonders geärgert, daß Guerreiro ihn erst zwei Tage vor dem Koalitionsbeschluß telefonisch von den Verhandlungen mit dem PSdeG-PSOE in Kenntnis setzte, berichteten zuverlässige Informanten. Die derart mißachtete Kalifenehre galt es durch Abstrafung der internen Kritiker wiederherzustellen. Außerdem steht im Dezember der 5. Kongreß der IU an - und Anguita fürchtet um seine Bestätigung als Vorsitzender. Der PCE-Frontmann leugnet indes jegliche persönliche Verwicklung in diesem Konflikt: "Nicht ich beschließe hier irgend etwas, sondern der Vorstand bzw. der Politische Rat der Izquierda Unida." Auch will er nicht von einem Ausschluß des PDNI sprechen, man habe lediglich einige Funktionsträger ihrer Ämter enthoben, weil sie sich politisch zu sehr von der Basis entfernt hätten.

Während das staatliche Fernsehen tve eine Sondersendung über die IU-Spaltung am 20. September bereits mit "Izquierda menos unida" (Weniger vereinigte Linke) betitelte, hält die Madrider Pressestelle der Organisation am Gründungskonzept von 1986 fest: "Wegen dieser kleinen sozialdemokratischen Minderheit ist die Izquierda Unida doch noch nicht gescheitert." Auch eine Umbenennung in "Gespaltene Linke" komme auf keinen Fall in Frage, hieß es gegenüber Jungle World.

Von ihren 21 Parlamentsabgeordneten wird die IU durch ihren Streit vermutlich fünf einbüßen. Die beiden IC-Vertreter wollen sich nicht mehr an der Fraktionsarbeit beteiligen. Und ob die drei Parlamentarier des PDNI ihr Mandat weiterhin wahrnehmen können oder ihren Platz für Nachrücker räumen müssen, wird wahrscheinlich ein Gericht entscheiden. Auf keinen Fall aber, so dementierte die Abgeordnete Christina Almeida (früher PCE, heute PDNI) von ihren Ex-Genossen verbreitete Gerüchte, werde man zur PSOE überlaufen. Eher würde gemeinsam mit der IC eine neue Fraktion gegründet.

Daß die Izquierda Unida wegen des internen Gezänks in Wahlumfragen immer schlechter abschneidet, ist für Julio Anguita genauso wenig problematisch wie der Rest des Konflikts: "Hinter diesen Untersuchungen steckt doch keine ernsthafte Wissenschaft, sondern politische Manipulation." Offenbar hat sich nicht nur die interne Opposition, sondern ganz Spanien gegen den roten Kalifen verschworen.