Alkoholfreie Stadien

Nach dem Mord an zwei Handball-Fans sollen Alkoholverbote mehr Sicherheit bringen

Nachdem ein deutscher Zuschauer bei der Handball-WM in Berlin zwei dänische Fans erstochen hatte, reagierten die Verantwortlichen wie immer: Sofort verschärften sie die Sicherheitsvorkehrungen - als ob eine Gewalttat immer automatisch viele andere nach sich zieht - und ließen die Medien ausgiebig darüber berichten. Ansonsten beteuerten sie, daß es halt Unglücke gebe, die niemand verhindern könne. Daß es aber ausgerechnet ein Einheimischer sein sollte, der dieses Unglück heraufbeschworen hatte, das paßte nicht allen ins Konzept: "Täter angeblich ein Deutscher", meldete der Sat.1-Videotext noch, als die Nationalität des Angreifers anderswo schon längst feststand, aber der Berliner Polizeipräsident Saberschinsky konnte sofort beruhigen, daß ein fremdenfeindlicher Akt nicht vorläge. Denn Gewalt beim Sport, das ist Offiziellen wie Journalisten klar, wird immer nur von jungen Rechtsradikalen aka Hooligans ausgeübt. Wenn nicht, dann aber wenigstens von Betrunkenen, deswegen forderte der sächsische Innenminister Klaus Hardraht einen Tag nach dem Angriff ein generelles Alkoholverbot bei allen Sportveranstaltungen. Eine Idee, die Manfred von Richthofen, Präsident des Deutschen Sport-Bundes, ausdrücklich begrüßte.

Daß der Täter zwar zugab, Alkohol getrunken zu haben, die festgestellten Promille aber bei einem, der sich selbst als "Gewohnheitstrinker" bezeichnet, nicht bewußtseinstrübend wirken, spielte dabei keinerlei Rolle. Denn, soviel war klar, wenn erstmal der Alkohol in den Stadien verboten ist, dann werden die automatisch zu Horten des Friedens und der Nächstenliebe. Gerade dem Fußball, darin waren sich alle Alkoholverbots-Befürworter einig, würde Nüchternheit sehr gut tun. Dabei gilt gerade unter den jungen Hools Alkohol als mittlerweile völlig verpönt, denn Alkohol verlangsamt die Reaktionen, ganz im Gegensatz zu anderen Drogen, die sehr wohl geschätzt werden, aber nach denen man im Stadion oder drumherum nicht explizit durchsucht wird: "Es war unglaublich - und kein bißchen so wie früher. Die haben ein richtiges Aufwärmprogramm durchgezogen. Und mich haben sie blöd angeguckt, weil ich eine Bierdose in der Hand hatte", berichtete ein älterer BFC-Anhänger von einem Date mit anderen Hools irgendwo in der Provinz, in dessen Verlauf er resigniert feststellte: "Ich bin für sowas wohl zu alt."

Aber darum geht es bei der Diskussion über die Sicherheit bei Sportveranstaltungen auch nicht. Erleichtert darüber, daß man so schnell ein so patentes Rezept gefunden hatte, nahm man die u.a. in dänischen Zeitungen geäußerten Vorwürfe aus dem Ausland nicht zur Kenntnis. So wurde z.B. die geringe Zahl der Sicherheitskräfte bemängelt, die die Nachrichtenagentur DN mit ungefähr 100 angab. "Die Sicherheit hier ist ein Skandal. Jeder Zuschauer kann nach Belieben zu den Spielerinnen kommen und bis in die Umkleidekabinen spazieren", hatte der mittlerweile zurückgetretene dänische Nationaltrainer Ulrik Wilbek kurz nach der Tat erklärt. Indirekt bestätigte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Hermann Lutz, dies, indem er sagte, Innenschutz und Aufklärung seien "wesentliche Voraussetzungen, um die Risiken zu vermindern". Lutz lehnte das Alkoholverbot als "nur bedingt tauglich" ab und forderte eine bessere Ausbildung auch der Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen. Die bestehen oft genug aus schlecht bezahlten studentischen Aushilfskräften, die in Stadien verängstigt den wütenden Fans gegenüberstehen.

Aber daß die Sicherheitsstandards in deutschen Stadien eher niedrig sind, scheint man nur im Ausland zu bemerken. Dort verwies man in jedem Artikel über die bei der Handball-WM Erstochenen darauf, daß dies schon der dritte Vorfall innerhalb weniger Jahre in Deutschland sei und daß die deutschen Veranstalter schon nach dem Attentat auf Monica Seles versprochen hatten, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen.