Geschichte einer Entwicklungsdiktatur

Indonesiens Papi

Indonesiens "Neue Ordnung" ist alt, mehr als 30 Jahre. Nach dem Putsch General Suhartos gegen Staatspräsident Sukarno, mit dem er dessen "gelenkter Demokratie" ein jähes und blutiges Ende setzte, veränderte das Regierungsmodell des Inselstaats wesentlich deutlich. Obwohl - wie während der "gelenkten Demokratie - die "pancasila", die Staatsphilosophie der "fünf Grundlagen" Monotheismus, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit und repräsentative Demokratie, weder in Frage gestellt noch umgesetzt wurde.

Statt dessen erfolgte eine politische und wirtschaftliche Öffnung gen Westen - US-Regierungskreise bescheinigen der Inselrepublik eine "strategische Lage" zwischen dem Pazifischen und dem Indischen Ozean -, während der ehemalige Unabhängigkeitskämpfer Sukarno zur Sympathie mit der Blockfreienbewegung und den Volksrepubliken in China und Vietnam neigte. So wurde Suharto der eigentliche "bapak pembangunan", der "Entwicklungsvater" Indonesiens, mit Hilfe von Ökonomen der kalifornischen University of Berkeley und ausländischen Investitionen. Wirtschaftlicher Boom unter administrativer Kontrolle der Militärs und Beratung und Unterstützung des Westens, hieß das Erfolgsrezept der "Neuen Ordnung".

Wegen der kolonial geprägten ökonomischen Strukturen - über 300 Jahre kontrollierten die Niederlande das Land - orientierte sich die neue Wirtschaftspolitik zunächst am Primärgüter-Export. Insbesondere Erdöl wurde fleißig ausgeführt, im Jahre 1981 erzielte Indonesien mehr als 18 Milliarden US-Dollar - 72 Prozent seiner damaligen Exporteinnahmen - durch den Verkauf von Öl. Danach führte der sinkende Rohölkurs das Land in eine vorübergehende Krise und die "Entwicklungsökonomen" setzten auf Diversifizierung: Tee und Aluminium wurden verstärkt exportiert. Mit Textilien setzte das Land dann erstmals auf ein Produkt der Konsumgüterindustrie. Und zwar zunächst erfolgreich: Gemeinsam mit ausländischen Partnern wurde eine Industrie aufgebaut, der Außenhandel blühte, und Papa Suharto, Regierungs- und Staatschef in einer Person, beanspruchte den erfolgreichen Boom als Ergebnis seiner Politik der eisernen Hand.

Ganz ohne Widerspruch blieb diese Entwicklungsdiktatur nicht. Wie Suharto einen Teil des erwirtschafteten Geldes in die eigene Tasche steckte bzw. seinen sechs Kindern Monopolstellungen in Schlüsselbereichen der Ökonomie verschaffte, wollten auch andere Fraktionen der politischen Elite bedacht sein, so etwa die Angkatan Bersenjata Republik Indonesia (ABRI), die Armee des Landes. Sie fungiert nicht nur als Unternehmer, sondern hat auch ein festgeschriebenes politisches Mandat. Suharto und ABRI, die wichtigste Stütze seiner Macht, kommen sich dabei gelegentlich in die Quere. So hieß es 1993, der Geheimdienst des Militärs protegiere die Oppositionspolitikerin Megawati Sukarnoputri, woraufhin der Präsident die Kompentenzen des ABRI-Dienstes zusammenstutzte. Sein Schwiegersohn, Major General Prabowo Subianto, befehligt außerdem mit der Eliteeinheit Kostrad einen bedeutenden Teil der etwa 420 000 Soldaten.

Als Folge des Exportbooms bekam Indonesien verstärkt Druck von außen, sogenannte Investitionshemmnisse abzubauen, was mehrmals zu Gesetzesnovellen führte, obwohl diese offensichtlich den ökonomischen Interessen der Suharto-Familie oder der ABRI widersprachen. Auch innenpolitisch veränderten sich die Konstellationen: Obwohl Indonesien nach wie vor stark auf den Investitions- und Konsumgüterimport angewiesen ist, bildete sich eine Mittelschicht heraus. Die chinesische Minderheit ist darin überproportional vertreten. Traditionell angefeindet - zu Kolonialzeiten galten sie als Kollaborateure, unter Sukarno als "landnehmende Einwanderer", während ABRI und Suharto in ihnen eine "fünfte Kolonne des Kommunismus" sehen - hielten sie sich mit Forderungen nach politischen Veränderungen zurück. Angehörige der islamischen Mittelschicht wollten hingegen, daß ihre Stellung im ökonomischen System sich auch politisch niederschlägt. Anfang der neunziger Jahre erfolgte die Phase des "keterbukaan", der politischen "Öffnung". Mit der Vereinigung moslemischer Intellektueller Indonesiens (ICMI) erhielt ein repräsentatives Organ der islamischen Mittelschicht seinen festen Platz in der politischen Elite. Mit der Vizepräsidentschaft Bacharuddin Jusuf Habibies hat die ICMI seit März einen Posten inne, der bis dato der ABRI vorbehalten war. Da knapp neun Zehntel der Indonesier dem Islam angehören, wollen diese ihren Einfluß weiter ausgebaut wissen und stellen folglich eine wichtige Fraktion der Oppositionsbewegung. Ihre Hauptkritikpunkte: der Säkularismus Suhartos und die "wirtschaftliche Dominanz" der Chinesen. Die militärische Diktatur des Entwicklungspapis ist nur insoweit Kritikpunkt als sie die islamische Partizipation an der Macht behindert.