Heliozentriker ohne Zentrum

Rechtsextremist Symanek bietet Foto-Kopfgeld für Jungle World-Autor. Mieter in Mülheim wehren sich gegen Umzug des Neofaschisten

Seit knapp drei Wochen fühlen sich die BewohnerInnen eines Appartementhauses in Mülheim an der Ruhr wie im offenen Vollzug. Rund um die Uhr patrouillieren Angehörige einer Wachschutz-Firma im und ums Haus. Engagiert wurden sie von der in Ludwigshafen ansässigen Gede-Wohn GmbH, die das Mietshaus verwaltet. Nötig geworden ist die Überwachung durch einen neuen Mieter: Werner Symanek, Verleger der seit 1969 erscheinenden rechtsextremen Postille Unabhängige Nachrichten (UN). Er hat sich das Haus in der Mülheimer Moränenstraße offenbar als neuen Sitz für seinen Verlag und sein Musiklabel ausgesucht.

Wer und was sich hinter Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS) und "Heliocentric" versteckt, die seit Anfang 1997 unter der Mülheimer Adresse zu erreichen sind, haben die Gede-Wohn und die MieterInnen des Hauses erst aus dem Antifaschistischen Regional-Info erfahren. Seitdem ist Symaneks Anwesenheit Thema im Haus. Viele MieterInnen beunruhigt der neue Nachbar, sie fürchten, das Haus könnte zum Anlaufpunkt von FaschistInnen werden. Die Gede-Wohn will auf keinen Fall mit Symanek in Verbindung gebracht werden und sorgt sich nun ebenfalls um den Frieden im Haus. Sie hat vorsorglich den Wachschutz engagiert, der die Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaft mehrere tausend Mark am Tag kostet. "Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen", bringt Gede-Justitiar Braun die Haltung seiner Firma zum Ausdruck. Das auslösende Moment für die Bewachungsmaßnahme war die Aktion eines "Kommando XY", das zur Warnung Symaneks Fußmatte "entführt" und dies an der Hauswand dokumentiert hatte.

Anfang Mai signalisierte die Wohnungsbaugesellschaft in einem Fax Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Bündnis gegen rechte Gewalt, das das Regional-Info herausgibt. Schließlich liefen "die von Ihnen vertretenen Interessen den unseren durchaus nicht überwiegend zuwider", heißt es in dem Fax. Zur Zeit prüfe er die Möglichkeiten, Symaneks Mietvertrag zu lösen, erklärte Justitiar Braun am 5. Mai am Rande einer Informationsveranstaltung im Autonomen Jugendzentrum Mülheim, zu der er extra aus Ludwigshafen angereist war. Entsetzt zeigten sich Braun und seine MitarbeiterInnen, als sie von dem Referenten und Jungle World-Autor Alfred Schobert erfuhren, in welchen Zusammenhängen Symanek arbeitet und welche Weltanschauung er vertritt. Von Symaneks Angebot "dem, der uns für unser Privatarchiv ein Foto von dem maßgeblichen Antifaakteur Alfred Schobert liefert, eine Aufwandsentschädigung von 250 Mark" zu zahlen, zeigte sich Schobert auf der Veranstaltung ziemlich unbeeindruckt - dies sei nicht die erste Drohung gegen ihn. Trotzdem solle man so etwas ernst nehmen, erklärte er.

Schobert weiß, wovon er spricht. Auf einer Antifa-Veranstaltung in Mainz mit Alfred Schobert sorgten im Juli 1997 ein Dutzend Leute aus dem Umfeld von Symaneks VAWS dafür, daß es zu einer Schlägerei kam. Besonders hervorgetan hat sich dabei der VAWS-Mitarbeiter, Sänger der antisemitischen Darkwave-Band Forthcoming Fire und Symanek-Freund Josef Klumb.

Symanek vertreibt über seinen Verlag die von "Unabhängigen Freundeskreisen" herausgegebenen Unabhängigen Nachrichten, in denen gegen Flüchtlinge und MigrantInnen gehetzt und über Entschädigungszahlungen an Israel gejammert wird. Symaneks Strategie zielt - neben der Vernetzung rechter Kreise - auf die Politisierung von Menschen außerhalb der rechten Szene. So verschickt sein Verlag die Unabhängigen Nachrichten unaufgefordert an Redaktionen von SchülerInnenzeitungen - mit der Anregung, interessante Artikel doch einfach nachzudrucken.

Eine weitere Zielgruppe hat Symanek in der Dark-Wave/Gothic-Szene entdeckt. Den Grufties, die per Mailorder bei VAWS Platten bestellt hatten, wurde relativ schnell klar, wo sie gelandet waren. In den Paketen fand sich neben der bestellten Ware auch rechtsextreme Propaganda. Die Plattenfirmen, denen dies bekannt wurde, stellten daraufhin die Belieferung Symaneks ein. Symanek gründete daher mit "Heliocentric" sein eigenes Label.

Zur Zeit ist noch unklar, in welchem Umfang Symanek seine Arbeitsstätte ins Ruhrgebiet verlegt hat. Sicher ist, daß er in den letzten Wochen immer häufiger in der Moränenstraße anwesend ist. Klar ist auch, daß Bestellungen an "Heliocentric" über seine neue Mülheimer Adresse laufen und VAWS über ein Postfach im benachbarten Duisburg zu erreichen ist. Offenbar wird es Symanek in Rheinland-Pfalz zu heiß, auch wenn in seinen Verlagsräumen in Bingen bei Mainz momentan noch gearbeitet wird. In Bingen arbeitet seit Jahren ein Antifa-Bündnis daran, Symaneks Machenschaften aufzudecken und zu publizieren.

Ähnliches hat jetzt auch das Bündnis gegen rechte Gewalt vor. Sein Ziel ist der Wegzug Symaneks. Das stelle zwar keine Lösung des Problems dar, so ein Vertreter, aber: "Immerhin würde ein Umzug Symaneks, der großen Wert auf Anonymität legt, einige Schwierigkeiten bereiten - nicht zuletzt finanziell."