Petra Sitte, Fraktionsvorsitzenden der PDS im Landtag von Sachsen-Anhalt

Pragmatisch gegen die DVU

Sie haben eingeräumt, die PDS habe Fehler im Kampf gegen Rechtsextremismus gemacht. Welche Fehler?

Wir haben immer wieder im Landtag Anträge eingebracht, um das Problem zu thematisieren, es zu analysieren und die anderen Parteien zu inhaltlichen Aussagen zu zwingen. Doch die Auseinandersetzung innerhalb der PDS muß tiefer gehen.

Mit welchen Konsequenzen?

Geht es um Rechtsextremismus, dürfen wir nicht mehr in Anträgen denken und uns gedanklich an parlamentarische Initiativen binden. Unsere außerparlamentarische Unterstützung darf nicht an einzelne Abgeordnete delegiert werden, wie das bisher geschehen ist.

Rechtsextremismus wird also künftig ein übergreifender Schwerpunkt unserer Arbeit sein müssen - ausdrücklich verbunden mit einem außerparlamentarischen Ansatz, und das unterscheidet ihn ganz wesentlich von vielen anderen Problemstellungen, mit denen sich die Fraktion beschäftigt.

Die Verankerung rechtsradikaler Politik hat sich gerade in Magdeburg in den letzten Jahren besonders brutal gezeigt. Hat denn erst das Wahlergebnis die Diskussion provoziert?

Die Höhe des Ergebnisses ist sicher noch ein besonderer Schock gewesen. Aber wir wissen schon lange, daß dieses rechte Potential existiert, insofern hätte das gar nicht so erschrecken dürfen. Und mittlerweile ist der Partei auch deutlicher geworden, daß es nicht so sehr um die Höhe dieses Wahlerfolges, sondern um das strukturell verankerte Denken geht, das damit verbunden ist.

In einem Beschluß der AG Junge GenossInnen heißt es, die Wahlerfolge der DVU "sind nicht nur der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage, sondern auch einer rassistischen Grundstimmung im Land anzulasten". Diese Meinung schien auch auf dem Parteitag Konsens zu sein. Welche Konsequenzen ziehen sie aus dieser Erkenntnis?

Man muß die Leute erst einmal dazu zwingen, einzugestehen, daß sie selbst rassistisches Gedankengut beherbergen. Wenn ich Briefe erhalte, in denen Leute mir schreiben, daß sie nichts gegen Ausländer hätten, wenn diese sich "gesittet" oder "anständig" benehmen, dann steckt dahinter schließlich schon ein solcher Denkansatz. Wer den Alltagsvorstellungen einer ordentlichen Gesellschaft nicht entspricht, wird als kriminell empfunden. Hinter dieser indirekten Forderung nach Anpassung steckt die Vorstellung eines Normverhaltens und sie ist in ihrer Grundannahme rassistisch.

Man darf hier auch nicht ignorieren, daß zu DDR-Zeiten ebenfalls Alltags-Rassismus manifest geworden ist. Ich habe das oft genug erlebt, wenn ich beispielsweise mit ausländischen Studierenden in die Gaststätte gegangen bin. Wir sind nicht bedient worden, wir sind beschimpft worden - das alles trotz eines gesellschaftlich akzeptierten Antifaschismus und Antirassismus.

Im Parlament müssen Sie sich mit einer Partei auseinandersetzen, die ihre Partei mit den Rechtsextremisten gleichsetzt. Will denn die PDS mit der Union im Kampf gegen den Rechtsextremismus kooperieren?

Der CDU ist es wichtiger gewesen, die PDS auszugrenzen, als sich mit der DVU auseinanderzusetzen. Ich habe dem Unions-Vorsitzenden einen Brief geschickt, aus dem hervorgeht, daß wir bereit sind, mit ihm zu erörtern, warum er uns plötzlich für linksextremistisch hält. Und, zweitens, wie ohne schriftliche Festlegung ein gemeinsames Vorgehen gegen die DVU aussehen könnte. Diese Angebot steht nach wie vor.

Wie läßt sich diese Haltung mit ihrem Leitantrag vereinbaren? Dort heißt es, die CDU habe mit ihrer "Ausgrenzungs- und law-and-order-Politik" den "Rassismus befördert". Kann man gemeinsam mit einer Partei gegen die DVU kämpfen, deren Parolen sich oft nur marginal von denen der DVU unterscheiden?

Die CDU ist als politische Kraft einfach zu bedeutsam. Man muß sie in solche Diskussionszusammenhänge zwingen. Diese Chance haben wir, und deshalb versuche ich es.

Auch gegenüber der SPD hat ihre Partei mit Zurückhaltung geglänzt, während die SPD mit der CDU über eine Große Koalition plauderte. Keine Forderungen, keine Bedingungen für eine weitere Tolerierung.

Wir wollten der SPD nicht die Alternative nehmen. Sie sollte während ihrer Verhandlungen mit der Union immer wissen, daß etwas anderes möglich ist und sie nur danach zu fassen braucht. Deshalb war es in dieser Phase nötig, keine Hürden aufzubauen.

Das klingt nach Tolerieren um jeden Preis. Betrachtet man die schon peinlich dummen Äußerungen aus der Union zur PDS, sowie das Eingeständnis von SPD-Geschäftsführer Müntefering, ähnliche Modelle wie das Magdeburger seien auch in anderen ostdeutschen Bundesländern möglich, dann scheint Ihre Partei in einer günstigen Position. Wäre es in einer solchen Situation nicht klüger, offensiver zu agieren?

Herrn Höppner sind unsere Eckpunkte bekannt, und die werden mit einer gewissen Ignoranz behandelt. Er weiß genau, was er von uns zu erwarten hat, er weiß es schon seit vier Jahren.

Ein schriftlicher Tolerierungsvertrag ist definitiv vom Tisch? Oder die Forderung, den SPD-Wirtschaftsminister Schucht abzusetzen?

Beides hat die SPD knallhart abgelehnt. Ich kann mich darüber ärgern, oder auch nicht. Aber wir müssen nunmal akzeptieren, was die anderen wollen, und was nicht. So lange ich dennoch eine Chance sehe, inhaltliche Ziele auch ohne schriftliche Vereinbarungen umzusetzen, bleibe ich dran. Und diese Hoffnung habe ich noch. Zugegeben: Das ist ziemlich pragmatisch gedacht.