Pizza schwarz-grün

Auf kommunaler Ebene funktioniert Schwarz-Grün bereits. Auch im Bund nähern sich CDU und Ökos an

"Es gibt Überschneidungen mit der CDU in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik, und vor allem auch in der Rentenpolitik. Aber Schwarz-Grün ist ein Marketing-Problem", war vergangene Woche aus dem Büro des grünen Wirtschaftspolitikers Oswald Metzger zu hören. Metzger hatte sich in den letzten Jahren so manches Mal als CDU-kompatibel profiliert. "Das Land muß auf einen Teil seines Wohlstandes verzichten", lautete seine Direktive mit Blick auf den Umbau des Sozialsystems: "Arbeitspflicht für Sozialhilfeempfänger" sei da ein Schritt in die richtige Richtung.

Die seit Jahren schwelende Diskussion um mögliche und existierende schwarz-grüne Koalitionen hat der designierte CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble jüngst wieder angeheizt. Um die alleinregierende SPD im Saarland abzulösen, forderte er eine Zweckgemeinschaft aus CDU und Grünen. Es dürfe in dieser Frage "kein Dogma" geben. Auch auf Bundesebene schloß Schäuble auf lange Sicht ein solches Bündnis nicht aus: "Später mögen sich auch andere Entwicklungen ergeben, aus Inhalten ergeben sich dann auch Mehrheiten."

Schwarz-grüne Mehrheiten gibt es schon seit Jahren. Beispiel Nordrhein-Westfalen: In 22 Städten, Gemeinden und Kreisen bildeten sich dort nach den Kommunalwahlen vom Oktober 1994 schwarz-grüne Bündnisse. In Aachen, mit Mühlheim an der Ruhr der größte Bezirk unter rechts-ökologischer Herrschaft, hat sich die Koalition einer rheinisch-liberalen CDU mit pragmatisch denkenden Grünen aus Sicht der Beteiligten bewährt. Ein im Frühjahr vorgestellter Zwischenbericht bestätigt die Zufriedenheit der Koalitionspartner miteinander: Es gab kleinere Konflikte - z.B. über eine Müllverbrennungsanlage, gegen die die Grünen sich anfangs noch gewehrt hatten, die schließlich aber doch gebaut wurde. Gerade bei den für Grüne kniffligen Punkten wie Gewerbeansiedlungen in Naturschutzgebieten jedoch läuft die Zusammenarbeit erstaunlich glatt.- Alles nur "Zweckgemeinschaften" gegen die SPD?

Auch im Saarland, das Schäuble gerne von Schwarz-Grün regiert sähe, gibt es zwischen Konservativen und Mittelstandsökos eine Koalition im Kreistag. Dort pflegt der grüne Landeschef Hubert Ulrich seit Jahren einen Schmusekurs mit der CDU. Seine Partei kam bei den letzten Landtagswahlen nur knapp über die 5-Prozent-Marke. Da im Saarland ein katholisches Arbeitermilieu dominiert und der für die Grünen als Wählerschaft interessante Mittelstand nicht besonders ausgeprägt ist, steuerte der als "Machttaktiker" bekannte Ulrich bereits in der Vergangenheit das grüne Schiff in schwarze Gewässer.

Doch die Sicherheit, die die rot-grüne Koalition derzeit im Bund ausstrahlt, hat ihn wohl dazu bewogen, sein Vorhaben, als erster Schwarz-Grün auf Landesebene durchzusetzen, auf Eis zu legen. Im Saarland, so antwortete Ulrich auf Schäubles Vorstoß, stünden die Grünen der SPD programmatisch in vielen Punkten näher.

Auch Außenminister Joseph Fischer bezeichnete die Überlegungen des CDU-Erneuerers letzte Woche als "Gequatsche". Noch vor zwei Jahren, als die SPD am Boden lag, hatte Fischer eine "Öffnung der Grünen für die politische Mitte" und eine Befreiung aus der "babylonischen Gefangenschaft im rot-grünen Lager" gefordert. In einem heißdiskutierten Eckpunktepapier zur "Mittelstandsförderung" offenbarte die Partei ihr wirtschaftsliberales Gesicht: "Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktiv-vermögen, flexible Arbeitszeiten, Deregulierung", hatte Joseph Fischer damals eingefordert. Die "Schlacht um die Wirtschafts- und Reformkompetenz" wollte der Realo in der Mitte gewinnen - und boxte mit dem Papier zugleich ein CDU-kompatibles Wirtschaftsprogramm durch.

Wenn auch die gegenwärtige Kräfteverhältnisse im Bund gegen ein Bündnis von CDU und Grünen sprechen - inhaltlich ist man sich während der letzten Jahre der grünen Umorientierung vor allem in der Wirtschaftspolitik wesentlich nähergekommen. Die Senkung des Spitzensteuersatzes auf unter vierzig Prozent forderten Grüne und CDU gleichermaßen. Das Rentenmodell von Bündnis 90/Die Grünen unterscheidet sich kaum von dem der CDU. Da wäre für die Ökopartei beim potentiellen Koalitionspartner CDU selbst auf Bundesebene mehr drin gewesen als mit der SPD.

Aber nicht nur auf abstrakter, auch auf persönlicher Ebene stehen sich CDU und Grüne vielfach nahe. Beispiel Andreas Renner: Der Oberbürgermeister von Singen (Baden-Württemberg) ist seit sechs Jahren im Bundesvorstand der CDU. Schon 1992 hat er als einer der ersten bei den Christdemokraten für schwarz-grüne Koalitionen plädiert. Sein engster Freund bei den Grünen ist der Fraktionschef Rezzo Schlauch - als Realo für seinen lockeren Umgang auch über Parteigrenzen hinweg bekannt. Beispiel Matthias Berninger: Als Mitglied der "Pizza-Connection", eines Gesprächskreises von Grünen und CDUlern, geht der Hochschulpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion mit den meisten bildungspolitischen Inhalten der CDU konform. Sein Konzept der wettbewerbs- und leistungsorientierten Hochschule unterscheidet sich kaum von dem des ehemaligen CDU-Zukunftsministers Jürgen Rüttgers.

Daß bei den Rendezvous' von Schwarzen und Grünen neben der "Chemie, die stimmt", die Politikinhalte entscheidend sind, vermag der Umstand zu bestätigen, daß die Pizza-Connection ursprünglich für Leute unter 35 gedacht war. Junge Grüne, wie Kerstin Müller (34), die eher dem linken Spektrum zuzuordnen sind, hielten sich fern. Statt dessen begeisterten sich Ältere, wie Schlauch (51) und Oswald Metzger (43), für den schwarz-grünen Schulterschluß. Von der CDU kommt die ganze Bande der Berufsjugendlichen zum Pizzaessen: Norbert Röttgen, Peter Altmaier, Klaus Escher. Auch der Parteivorsitzende der CDU im schwarz-grün regierten Mühlheim an der Ruhr, Andreas Schmidt, ist zugegen, wenn die Modernisierer über Partei- und Ideologiegrenzen hinweg neue Perspektiven eröffnen.

Bislang allerdings stimmen Grüne und CDU noch darin überein, daß über informelle Gesprächskreise und kommunale Bündnisse hinaus mittelfristig keine schwarz-grüne Koalition in Sicht ist. Aus dem Blickwinkel der Konservativen stehen einer solchen Zukunft große Hindernisse im Weg: Mit der CSU ist eine echte Annäherung an die Grünen nicht zu machen. Auch wenn der bayerische Ministerpräsident stolz die "Synthese von Laptop und Lederhose" preist und damit die Liberalität der Märkte meint, die auch die Grünen wollen - in Fragen der Innen- und Sicherheitspolitik kann und will er sich nicht mit den Grünen verständigen. Auch der Hamburger CDU-Fraktionschef Ole von Beust, einer der "Jungen Wilden", die von Schäuble immer wieder Rückendeckung erhielten, sagte letzte Woche, daß er ein schwarz-grünes Bündnis für die Hansestadt nur dann wünsche, wenn die Grünen "sich auch in den Bereichen innere Sicherheit und Technikfeindlichkeit bewegten".

Doch weil die Grünen sich in ihrer Rolle als FDP-Ersatz wohl fühlen, können sie der CDU auf Bundesebene die kalte Schulter zeigen. Nun muß sich - ganz ungewohnt - die CDU flexibel zeigen, wenn sie mit den Grünen auf Modernisierungskurs gehen will.