Machtkampf zwischen Le Pen und Mégret

Spaltpilz im FN

Einen Monat währt der Machtkampf zwischen "Cäsar" alias Jean-Marie Le Pen und "Zwerg Napoleon" alias Bruno Mégret - beide Bezeichnungen stammen von Le Pen -, der den neofaschistischen Front National erschüttert. Oder muß man bald sagen: die beiden Fronts Nationaux? Am 12. Januar wird das Pariser Zivilgericht über die Klage der gegenwärtigen FN-Führung um Le Pen entscheiden. Die zielt darauf ab, den Anhängern von Herausforderer Mégret die Benutzung des Parteinamens und der Mitgliederlisten zu verbieten. Und am 23./24. Januar wird in Marignane der "außerordentliche Kongreß" der Mégretisten tagen. Ein FN-Kongreß gegen den Willen des alternden Chefs - so sehen es die Mégret-Anhänger - oder Gründungsversammlung einer neuen Partei - wie Le Pen sagt? Darüber werden dann die Richter entscheiden.

Anhänger beider Seiten betonen, daß es im Grunde keine ideologischen Differenzen zwischen Le Pen und Mégret gebe. Grundsätzlich ist hierzu festzustellen, daß Mégret zugleich "links" und "rechts" von Le Pen anzusiedeln ist.

"Links" - im Sinne von "näher zur politischen Mitte" - insofern, als Mégret eine Strategie entwickelt hat, die auf die Sollbruchstellen innerhalb der bürgerlichen Rechten zielt, um sie zur Kooperation zu bewegen und zur Implosion zu bringen - etwa durch vereinzelte "Stimmgeschenke" auf lokaler und regionaler Ebene. "Rechts" von Le Pen stehen die Mégret-Anhänger in dem Maße, in dem ihre Ideenproduktion der NS-Rassenideologie näher kommt als dem katholisch-reaktionären Erbe anderer Teile der französischen Rechten.

Insbesondere gilt dies für den Teil der FN-Kader, der in den siebziger Jahren die Ideologiefabrik Grece durchlaufen hat. Dort betrieb man die Suche nach den nicht-christlichen Wurzeln der "europäischen Kultur", da das Christentum vom Judentum abstamme und somit einen "rassischen" bzw. kulturellen "Fremdkörper" bilde. Die engsten Mitstreiter Mégrets kommen entweder aus dem Grece oder, wie Mégret selbst, aus dessen 1974 gegründetem Ableger, dem Club d'Horloge. Dieselben formten aus dem FN - damals noch ein Haufen von Abenteurern und alten Kolonialsoldaten - Mitte der achtziger Jahre eine schlagkräftige Partei mit Strategie und Programm. Und trotz ihrer prinzipiell elitären Doktrin brachten sie dem FN die strategische Hinwendung zur "sozialen Frage" bei.

Sollte sich der FN spalten, so dürften die "Traditionalisten" um Le Pen den Strategien von Mégret außer ihrem Verratsgeschrei wenig entgegenzusetzen haben. Derzeit zieht der alternde Le Pen es vor, seine totale Macht über Familienclan und die ihm ergebene (Rest-)Partei auszukosten und darauf zu warten, daß künftige Krisen und Katastrophen ihm "recht geben".

Die jungen, ehrgeizigen FN-Kader wollen mehr; deshalb schart sich der aktive Teil des FN-Apparates um Mégret. Sie können ihr strategisches Spiel eröffnen, wenn mit den Kommunalwahlen 2001 in einer Reihe von Städten Raum für die Erprobung neuer Bündniskonstellationen entsteht.

Gelingt die Strategie der Mégretisten, stellt sich die Frage, ob damit eine Entwicklung ähnlich wie in Italien einsetzen wird, wo der neofaschistische MSI zur "postfaschistischen" Alleanza Nazionale und zur Regierungspartei mutierte. Von der Form her mag dies zutreffen. Die Schärfe des derzeitigen Bruches wird es in zwei oder drei Jahren rechtfertigen, von der Mégret-Organisation - sei es der "erneuerte" FN oder eine andere neugegründete Partei - als einer "von Kopf bis Fuß" gewandelten Partei zu sprechen.

Was aber den Inhalt angeht, so ist Vorsicht bei dieser Art von Vergleichen angebracht. Frankreichs extreme Rechte schleppt mit Mégret ein ideologisches Marschgepäck mit sich, das ungleich schwerer ist als das der italienischen extremen Rechten, für die Rassentheorie und Antisemitismus schon historisch eine viel geringere Rolle spielen. Im übrigen fiel den italienischen "Neo-, Ex- oder Post-Faschisten" mit dem Zusammenbruch des alten, hyperkorrupten Parteiensystems Anfang der neunziger Jahre der Erfolg geradezu in die Hände: Sie brauchten nur in das vorhandene Vakuum vorzustoßen. In Frankreich hingegen entstand in den letzten zehn bis 15 Jahren eine Dynamik zugunsten der extremen Rechten - auf der Basis ihrer rassistischen Themen und vor dem Hintergrund ihrer intensiven Arbeit auf dem gesellschaftlichen Terrain.