Ralf Syring

»Die Uno wird Angola verlassen müssen«

Im Dezember flammte der Bürgerkrieg in Angola zwischen der Regierung und der rechtsgerichteten Unita wieder auf. Die Vermittlungsversuche der UN sind damit de facto gescheitert, in Angola tätige Nichtregierungsorganisationen kommen verstärkt unter Druck.Ralf Syring ist Mitarbeiter von medico international in Angola.

Am 26. Dezember 1998 und am 2. Januar 1999 sind zwei Uno-Maschinen über Angola abgestürzt. Ist mittlerweile klar, ob sie abgeschossen wurden?

Eine amtliche Bestätigung gibt es zwar immer noch nicht, sehr vieles deutet aber auf einen Abschuß hin. Daß zwei Flugzeuge derselben Organisation wegen technischer Defekte kurz hintereinander abstürzen - und das in einem Kriegsgebiet -, ist schon extrem unwahrscheinlich.

Deshalb haben die Vereinten Nationen jetzt auch den für Sicherheit zuständigen stellvertretenden UN-Generalsekretär nach Angola entsandt. Sevan Benon soll erreichen, daß die Abstürze untersucht werden. Bis dahin sind erst einmal sämtliche Uno-Flüge, also auch die sehr wichtigen des Welternährungsprogramms, eingestellt.

Ist die Uno in Angola zwischen die Fronten geraten?

Beide Kriegsparteien lehnen sie inzwischen vehement ab. Die Unita ist der Meinung, daß die Uno auf Seiten der Regierung steht. Und die Regierung behauptet, sie stehe auf Unita-Seite. Unterschiede gibt es nur in den Methoden: Die Unita, die immer ein bißchen brutaler ist, macht ihre Haltung deutlich, indem sie schießt, die Regierung, indem sie Propaganda macht.

Was wirft die Regierung der Uno denn konkret vor?

Während der Demobilisierungsphase soll sie die Unita nicht ausreichend kontrolliert haben. Außerdem sei Hinweisen darauf, daß die Unita nicht wirklich demobilisiert habe, nicht nachgegangen worden. In diesem Zusammenhang macht sie die Uno dafür verantwortlich, daß es nun wieder zum Krieg gekommen ist. So heißt es beispielsweise im Jornal de Angola, der einzigen Tageszeitung des Landes, daß die Unita-Soldaten unter dem "zustimmenden Auge der Uno" wieder Krieg führen.

Was bezweckt die Regierung mit ihrer Kampagne gegen die Uno?

Vermutlich will sie von eigenen Fehlern ablenken. Das Lusaka-Friedensprotokoll von 1994 sieht ja eine genaue Abfolge von Schritten vor, die zum Frieden führen sollen. Neben der Demobilisierung und Entwaffnung der Unita-Kämpfer schließt dies eine Koalitionsregierung und die Vereinigung der rivalisierenden Truppen ein.

Die entsprechenden Beschlüsse wurden von der sogenannten gemischten Kommission - die aus der Unita, der Regierung, der Uno-Beobachtermission und der Troika der Garantiemächte Rußland, USA und Portugal besteht - einstimmig getroffen. Das heißt: Jeder Beschluß, etwa der zur Demobilisierung oder zur Entwaffnung der Unita, ist von der gemischten Kommission einvernehmlich - also mit Zustimmung der Regierung - getroffen und nicht einseitig von der Uno durchgesetzt worden. Wenn also die Regierung die Uno für die Kämpfe verantwortlich macht, lenkt sie zumindest davon ab, daß sie selbst den vorhergehenden Beschlüssen zugestimmt hat.

Was genau lief im sogenannten Friedensprozeß schief ?

Der Uno-Sonderbotschafter für Angola, Issa Diallo, hat vor einigen Tagen vor den Nichtregierungsorganisationen erklärt, daß schwere Fehler gemacht worden seien. Die hätten damit zu tun, daß die Regierung meinte, die Unita würde - wenn ihre Führung erst einmal nach Luanda kommt und in den zivilen politischen Prozeß eingebunden wird - davon abzubringen sein, weiterhin kriegerische Ziele zu verfolgen.

Das ist insofern gelungen, als die Unita-Leute, die nach Luanda gekommen sind, sich zum großen Teil auch von Unita-Chef Jonas Savimbi losgesagt haben. Aber Savimbi selbst ist nicht nach Luanda gekommen. Insofern ist diese Politik gescheitert. Und Diallo sagt, daß man dieses Scheitern jetzt auch eingestehen muß.

Wie läßt sich in diesem Zusammenhang die jüngste Offensive der Regierung gegen die Stützpunkte von Savimbi erklären?

Die größte Regierungspartei, die Volksbewegung für die Befreiung Angolas (Movimento Popular da Liberta ç ‹o de Angola - MPLA), hat seit dem Frühsommer des vorigen Jahres sehr deutlich gemacht, daß sie mit ihrer Geduld am Ende ist, weil Savimbi immer wieder Versprechungen machte, sie aber nicht umsetzte. Auch der UN-Gesandte Beye, der lange Jahre in dem Friedensprozeß für die Uno moderiert hat, bis er im Juni 1998 unter noch immer nicht öffentlich geklärten Umständen mit dem Flugzeug verunglückte, hatte Mitte Mai 1998 gemeint, jetzt müsse einmal deutlich gesagt werden, wer den Prozeß blockiert. Und er hatte deutlich die Unita beschuldigt. Savimbi hat alle immer an der Nase herumgeführt.

Läßt sich absehen, ob die Kämpfe länger andauern werden?

Die Unita-Armee soll aus etwa 30 000 gut bewaffneten, sehr modern ausgerüsteten Soldaten bestehen; die Regierungsarmee verfügt über etwa 70 000 Soldaten. Sie ist offensichtlich, das hat auch Generalstabschef Jo‹o de Matos öffentlich gesagt, von der militärischen Stärke der Unita-Armee überrascht worden. Zuvor hieß es immer: Wenn die Regierung richtig losschlägt, wird Unita einfach zermalmt.

Inzwischen ist klar, daß das nicht so ist. Die Unita hat ja offensichtlich eine militärische Schlagkraft nicht nur im zentralen Hochland, also um Kuito herum. Sie hat gleichzeitig sehr viel weiter nördlich Malanje angegriffen und scheint sich um Luena herum zu konzentrieren. Man sieht das häufig nicht so sehr aus Berichten über Beschießungen oder Kämpfe, sondern daran, daß sich Flüchtlingsströme in Bewegung setzen. So sind gerade in der vergangenen Woche 2 000 neue Flüchtlinge nach Caxito, dem Hauptort der Provinz Bengo um Luanda, gekommen. Caxito ist etwa 40 Kilometer von Luanda entfernt, und ein Stück nördlich davon fängt das Gebiet an, in dem die Unita die Bevölkerung vertreibt.

Wie verhält sich die Bevölkerung?

Ich bin mehrfach in Unita-Gebieten gewesen. Dort traut sich niemand, den Mund aufzumachen, bevor er nicht irgendeine leise Zustimmung von irgendeinem Oberen bekommen hat. Da herrscht Disziplin, und deshalb kann man dort einfacher arbeiten als in den Restgebieten, wo einfach nichts funktioniert. Diese Disziplin beruht aber auf Angst und Repression. Andererseits ist die Bereitschaft, sein Leben zu riskieren, um das zu verteidigen, was die reale Alternative zur Unita ist - nämlich eine korrupte Führung und eine extreme Armut der Bevölkerung -, nicht sehr groß.

In den Städten, in denen die Regierung Zwangsrekrutierungen durchführt, versuchen die jungen Männer oft, sich zu entziehen - indem sie sich verstecken oder indem sie, wenn sie es sich leisten können, bezahlen. In Malanje kann man sich für umgerechnet etwa 25 US-Dollar freikaufen, aber das reicht nur, bis man das nächste Mal angehalten wird.

Welche politischen Pläne verfolgt die Regierung?

Anfang Dezember, auf dem vierten Parteikongreß der MPLA, sind Signale gesetzt worden. Es wurde angekündigt, daß eine neue Regierung eingesetzt werden soll. Die soll voraussichtlich von José Leit‹o angeführt werden, der als ein enger Vertrauter von Präsident José Eduardo dos Santos und als Technokrat gilt. Als Zielsetzung der neuen Regierung wird proklamiert, daß sie eine generelle Offensive starten will - und zwar neben der militärischen auch eine soziale und ökonomische Offensive. Das ist neu. Aber es ist nicht erkennbar, daß irgend jemand nun ein Konzept vorlegt, das einen Weg aus der extremen Armut der Bevölkerung weisen würde. In den letzten Jahren hat es die Regierung in dieser Hinsicht sehr einfach gehabt, indem sie immer auf die Instabilität und die nicht vollständig erreichte Friedenssituation verweisen konnte.

Was bedeutet der Krieg in einer längerfristigen Perspektive? Bis in die achtziger Jahre hinein herrschte in Angola ja eine klassische Kalte-Kriegs-Situation. Die hat sich aufgelöst - u. a. mit dem Schwenk der USA auf die Seite von Präsident dos Santos.

Seit 1975 war der Krieg in Angola ein typisches Beispiel eines Stellvertreterkrieges, in dem sich die Supermächte mit ihren jeweiligen Vasallen bekämpft haben. Also das südafrikanische Apartheidregime zusammen mit Unita, während die MPLA von Kuba und der Sowjetunion unterstützt wurde. Das Unglück des Landes ist natürlich sein Reichtum an Ressourcen, vor allem das Öl und die Diamanten. Der Stellvertreterkrieg hat sich mit dem Versuch der beiden Bürgerkriegsparteien verknüpft, die Reichtümer des Landes zu kontrollieren. Mit dem Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus ist der zweite Punkt - die Rivalität um die Ressourcen - nicht beseitigt worden.

Die Unita finanziert sich immer noch aus Diamantenverkäufen, die Regierung in erster Linie aus den Erlösen der Erdölförderung. Das Abkommen von Lusaka 1994 hat ein Szenario eröffnet, nach dem beide Seiten an beiden Ressourcen beteiligt werden: Die Regierung sollte die Unita an den Ölerlösen beteiligen, und die Unita sollte der Regierung die Diamanten mit überlassen. Das aber hat einigen nicht gereicht. Die Bevölkerung, die in Armut lebt, spielt in diesem Kalkül nur eine ganz geringe Rolle.

Welche Optionen hat die Uno nunmehr noch?

Vermutlich wird der Uno nichts anderes übrig bleiben, als das Land zu verlassen. Im Augenblick zieht sie sich schon aus den Provinzen im Inneren zurück. Zwischen dem 11. und 18. Januar, so wurde angekündigt, soll die UN-Beobachtereinheit aus Luena, unserem Arbeitsgebiet, abgezogen werden.

Vor einigen Tagen hat der General Hig'nio Carneiro, der stellvertretende Minister für die Verwaltung des Territoriums, erklärt, die UN-Beobachtermission möge ihr gesamtes Personal und ihre Ausrüstung in Luanda konzentrieren. Und er hat ein wenig zynisch hinzugefügt: Damit es ihnen leichter falle, dann das Land zu verlassen. Man wird sie wohl nicht ausdrücklich ausweisen, denn das Mandat läuft sowieso am 26. Februar aus. Und es wird sehr schwer sein, im UN-Sicherheitsrat ein Mandat zu verlängern, wenn die Regierung des Landes, in dem die Truppen sind, mit deren Präsenz nicht mehr einverstanden ist.

Welche Konsequenzen wird das für die zivilen UN-Agenturen - das UN-Flüchtlingskommissariat, das Welternährungsprogramm etc. - und die Nichtregierungsorganisationen haben?

Natürlich arbeitet das Welternährungsprogramm auch in Ländern, wo keine Uno-Truppen stationiert sind. Aber, und das wurde auch in UN-Kreisen gesagt, dann muß die Regierung die Sicherheit garantieren. Das heißt im konkreten Fall immer: die jeweilige Polizei. Und die wird auch von uns in der Regel sehr viel mehr als Bedrohung empfunden denn als Garant für Sicherheit.

Bislang hatten wir als medico-Mitarbeiter in unserem Projektgebiet in Luena, die Anwesenheit der UN-Truppen als Hintergrund. Die waren zumindest eine Art Beschwerdestelle, an die man sich wenden konnte. Bei der vollständigen Abwesenheit von Rechtssicherheit hier hat ihre Anwesenheit für uns einen gewissen Rückhalt bedeutet, so daß wir überhaupt arbeiten konnten. Ob das noch der Fall sein wird, wenn die Uno-Truppen nicht mehr hier sind und die Polizei die letzte Instanz ist, ist sehr fraglich.