Schröder stürmt zum Gipfel

Von Brüssel nach Berlin: Der Konflikt in der EU um die Agenda 2000 verschärft sich

Ein Supergipfel soll es werden. Ein Treffen, das über die weitere Zukunft der EU entscheidet. 15 Staats- und Regierungschefs wollen am 24. und 25. März über die Agenda 2000, die Strukturreform der Union, verhandeln. Und für so einen gewaltigen Anlaß ist selbst die EU-Hauptstadt Brüssel viel zu klein. Das meinte jedenfalls Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Aus "organisatorischen Gründen" sei das historische Treffen jetzt nach Berlin verlegt worden, denn dort stünden "geräumigere Tagungsstätten" zur Verfügung.

Brüssel, eine Stadt, wo die Konferenzsäle aus allen Nähten platzen, wo Regierungschefs sich in Hinterzimmern treffen müssen, weil sie keine anderen Tagungsstätten finden? Wohl kaum. Denn, so versicherte Außenminister Joseph Fischer, die Verlegung habe "keine politischen Gründe", sondern liege nur im Rahmen der üblichen nationalen Eitelkeit. Jede Ratspräsidentschaft wolle schließlich die wichtigen Ereignisse in der eigenen Hauptstadt präsentieren.

Vermutlich gibt es auch keinen besseren Ort, um die Pläne der Bundesregierung vorzustellen. Auf dem Schröder-Gipfel will sie ihr ehrgeizigstes Ziel, die Reduzierung der deutschen EU-Beiträge, beschließen lassen. Auch konkrete Vorgaben gibt es schon. Rund 115,7 Milliarden Euro (226,3 Milliarden Mark) sollen die anderen 14 Mitgliedstaaten in den nächsten sieben Jahren einsparen, wie aus einem Dokument der deutschen EU-Präsidentschaft hervorgeht, das vergangene Woche vorgestellt wurde.

Dafür muß zunächst über die Reform der Agrarpolitik, der Regionalhilfen und der EU-Beitragszahlungen für die Jahre 2000 bis 2006 verhandelt werden. Der Vorschlag Deutschlands sieht vor, daß die einzelnen EU-Staaten die Agrarsubventionen aus Brüssel mitfinanzieren sollen. Sollte dieses Modell keine Mehrheit finden, müßten sich die Mitgliedsländer zumindest auf einen exakten Finanzrahmen einigen, um die Ausgaben einzufrieren - was de facto eine Ausgabenkürzung bedeuten würde.

Der Vorschlag stieß vergangene Woche bei dem EU-Außenministertreffen auf wenig Gegenliebe. Denn vor allem die Länder, die über einen ausgeprägten Agrarsektor verfügen, wie etwa Frankreich, Dänemark oder Irland, hätten mit erheblichen Belastungen zu rechnen. So erklärte der französische Europaminister Pierre Moscovici, ein solcher Vorschlag laufe auf eine unzulässige Renationalisierung der gemeinsamen Agrarpolitik hinaus. Auch Spanien, Griechenland und Irland lehnten die Pläne kategorisch ab. Portugal will angeblich nicht einmal über den Vorschlag verhandeln.

Ähnliches gilt auch für die Reduzierung des Kohäsionsfonds. Der Fonds wurde eingerichtet, um strukturschwache Gebiete wie etwa Andalusien, Sizilien oder Brandenburg zu unterstützen. Nach Meinung der Bundesregierung - und andere Nettozahler wie etwa der Niederlande - sei das nun bereits ausreichend der Fall gewesen, eine Reduzierung der Ausgleichszahlungen daher durchaus vertretbar.

Mit dieser Position werde es für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sehr schwer werden, bei den Verhandlungen über die Finanzreform eine Einigung zu erzielen, erklärte der spanische EU-Botschafter Javier Elorza vergangene Woche. "Das grundsätzliche Problem ist die Position, die die Bundesregierung vertritt", sagte Elorza weiter. Spanien werde einem Auslaufen des Kohäsionsfonds auf keinen Fall zustimmen.

Die Bundesregierung könnte allerdings auch noch von ganz anderer Seite Druck bekommen. Denn sollte sie ihr Vorhaben durchsetzen, fließen auch weniger EU-Gelder in die neuen Bundesländer und nach Berlin.

Viel Zeit, um die Interessengegensätze zu entschärfen, hat die deutsche Ratspräsidentschaft nicht. Bis zum Schröder-Gipfel sind es noch sieben Wochen. Sollte er scheitern, wäre das gesamte EU-Projekt gefährdet: Ohne Einigung kann das Europaparlament den gemeinsamen Haushalt nicht verabschieden. Und die EU müßte sich dann selbst zum finanziellen Notfall erklären.