FC Fidel vs. Adler Osterfeld

Der Bonner SC möchte in der nächsten Saison die kubanische Fußball-Nationalelf verpflichten - wenn es ihn dann noch gibt

Tristesse herrscht am Bonner Sportpark Nord. Zum letzten Heimspiel gegen den Rheydter SV kamen gerade 100 Zuschauer. Abstiegskampf in der Oberliga Nordrhein - ein grausames Spiel. Wenn man von Mannschaften mit so klangvollen Namen wie SV Adler Osterfeld (1:4) oder SC Wegberg-Beeck (1:5) abgefertigt wird - wer will sich das schon freiwillig antun?

Nicht einmal gegen den SV Baesweiler konnte gewonnen werden. Da waren aber immerhin 200 Zuschauer da. Ach, was war das doch für eine tolle Zeit gewesen, damals vor vor 22 Jahren, als der Bonner SC es bis in die 2. Bundesliga Nord geschafft hatte. Das waren Spiele! 11 000 Zuschauer fieberten damals am letzten Spieltag mit ihrem BSC. 68. Minute: Elfmeter - eins zu null gegen Bayer Leverkusen. Der Klassenerhalt war geschafft, der Jubel grenzenlos.

Aber nicht lange. Denn seinerzeit machte der Bonner SC erstmalig bundesweit Schlagzeilen: Der Deutsche Fußball-Bund verweigerte ihm als erstem bundesdeutschen Verein im bezahlten Fußball aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz. Zwangsabstieg in die Verbandsliga. Seitdem gurkt der Club durch die Niederungen des Amateurfußballs - ein stetiges Auf- und Ab zwischen Verbandsliga Mittelrhein und Regionalliga West/Südwest, zur Zeit spielt man in der Oberliga Nordrhein.

Nun sorgt der BSC wieder bundes-, gar weltweit für Schlagzeilen. Das verdankt er dem Präsidenten Hans Viol. Denn der 52jährige Unternehmer hat eine Vision: die Verpflichtung der kompletten kubanischen Fußballnationalmannschaft für seinen Club. Auf die verrückte Idee hatte ihn ein guter Freund gebracht, der regelmäßig seinen Urlaub auf Kuba verbringt. Der hatte Viol ein Video von Kubas heroenhafter 0:2-Niederlage gegen Vize-Weltmeister Brasilien mitgebracht. Der BSC-Boß war begeistert. Der Bonner SC als FC Fidel? Viol arbeitet seitdem mit ganzer Kraft dafür.

Im Dezember flog er zusammen mit dem BSC-Trainer Rainer Thomas nach Havanna, um mit dem kubanischen Fußball-Verband über die Modalitäten zu verhandeln. Mitte Januar kam Kubas Fußball-Chef Luis Hernandez zum Gegenbesuch. Er zeigte sich zufrieden: Die Stadt sei "sehr sauber und gut organisiert" und der Sportpark Nord "für kubanische Verhältnisse hervorragend", sein Fazit: "Hier gibt es gute Voraussetzungen für unsere Spieler."

Viol hofft, die 15 besten Spieler Kubas, zwei Trainer, einen Dolmetscher, einen Masseur und einen Koch nach Deutschland zu holen. Untergebracht werden sollen sie in einem ehemaligen Schülerheim. Sie erhielten "freie Verpflegung, Krankenversicherung und ein Taschengeld", erläutert BSC-Geschäftsführer Gerd Demann. Das Experiment solle erstmal ein Jahr dauern. "Dann können wir die Partnerschaftsvereinbarung jährlich verlängern." Die Bonner würden als "Leihgebühr" regelmäßig Sportutensilien nach Kuba schicken. Außerdem wollen sie sich verpflichten, Freundschaftsspiele für die Nationalelf - beispielsweise gegen Luxemburg oder Liechtenstein - zu organisieren.

Auf rund eine halbe Million Mark hat Viol die Kosten seines karibischen Traumes veranschlagt - ein Schnäppchen. Kuba gehört zwar nicht unbedingt zu den führenden Fußballnationen der Welt, aber am Mittelfeld-Duo Lazaro Darcourt und Manuel Bobadilla war sogar schon Olympique Marseille interessiert. Die Verpflichtung scheiterte an einem Veto der Kubaner: Entweder die komplette Mannschaft oder keinen! Und genauso wollen es die Bonner halten. "Das ist eine einmalige Chance, eine neue Aufbruchstimmung in Bonn zu schaffen", weiß Geschäftsführer Demann. Er hofft, dann auch endlich wieder einen Trikotsponsor finden zu können.

Den Statuten des Deutschen Fußball-Bundes stünde der geplante Deal nicht entgegen. "Die Regel, daß nur drei Nicht-EU-Fußballer auflaufen dürfen, gilt nur in der ersten und zweiten Bundesliga", erklärt DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach. Doch die Hoffnung Hans Viols, die Kubaner noch in dieser Saison auflaufen lassen zu können, hat sich nicht erfüllt. Nach Luis Hernandez' Vorstellungen soll die kubanische Nationalmannschaft erstmal im April nach Bonn reisen, um sich in Deutschland auf den im Mai stattfindenden Karibik-Cup vorzubereiten. Im Juni dann könne man den Deal perfekt machen, so Hernandez: "Einigen wir uns, sind die Spieler ab der nächsten Saison einsatzbereit."

Seine Zurückhaltung ist berechtigt. Nicht nur, daß dem BSC der Sturz in die Fünftklassigkeit droht und die Heranführung des kubanischen Fußballs an die Weltspitze in einer Kurz-vor-der-Thekenmannschafts-Liga ein recht perspektivloses Unterfangen wäre - der Club hat noch andere Probleme. Der Verein sei "keine solide Adresse", konstatiert denn auch Hans-Will Zolper, Geschäftsführer des mittelrheinischen Fußballverbandes.

Viol dagegen erklärt, er habe die Schulden in den drei Jahren seiner Amtszeit von 2,5 Millionen auf deutlich unter eine Million gesenkt. Aber eng wird's trotzdem: Zwei Monatsgehälter ist man bei der Mannschaft im Rückstand, darüber hinaus fordert ein ehemaliges Vorstandsmitglied Rückzahlungen in Höhe von 59 000 Mark. Und nun hat auch noch das Finanzamt Bonn ein Konkursverfahren gegen den SC eröffnet.

Aber wenn es den Bonner SC im Sommer noch gibt, und er dann nicht abgestiegen ist - vielleicht spielen dann die Kubaner doch in der nächsten Saison im Sportpark Nord. Der SV Adler Osterfeld und der SC Wegberg-Beeck werden einfach weggeputzt. Und bei der nächsten Weltmeisterschaft gewinnt der Bonner SC gegen Brasilien!