Sprichwörter

Übermut kommt vor dem Fall

Sprichwörter stimmen. Immer. Sogar im Fußball. So bestätigte auch die letzte Runde in der Qualifikation zur Fußball-EM 2000 die Gültigkeit gleich mehrerer Sprichwörter: Die Sache mit dem Hochmut vor dem Fall, dem selten gut tuenden Übermut und dem blinden Eifer, der meistens schadet. In einigen Gruppen war die Ausgangslage zwar schon vor dem letzten Spiel klar gewesen, andere Nationalmannschaften mussten sich jedoch heftig Sorgen machen.

England, selbst spielfrei, war z.B. darauf angewiesen, dass der schon längst qualifizierte Tabellenführer Schweden die Polen schlug. Die dagegen hatten nicht nur vor zu gewinnen, sondern auch, die Engländer zu ärgern. "Ihr braucht gar nicht erst anfangen zu beten!" hatte man denen in den polnischen Medien schon vorbeugend erklärt, und auch die polnischen Spieler verkündeten vor dem Match, dass man sich auf jeden Fall statt der Engländer für die EM qualifizieren wolle, und wenn man dafür Schweden schlagen müsse, dann werde man die eben schlagen. So einfach sei das, good-bye, England.

Von wegen. Schweden gewann glatt mit 2:0. Die BBC-Radio-Reporter, die sicherheitshalber neben diesem Spiel am vergangenen Samstag auch immer mal wieder von der Rugby-WM berichteten, um zu zeigen, dass es durchaus auch Sportarten gibt, in denen Great Britain richtig erfolgreich ist, mussten sich niemals wirklich aufregen. Gleichbleibend ruhig schilderten sie das Match, in dem Schweden völlig überlegen war, und am Ende durften sie sich darüber freuen, dass ihr Team es in die Relegationsrunde zur EM geschafft hatte.

In der Gruppe 5 war es noch spannender: Neben der Ukraine hatten dort noch Russland und Frankreich Chancen darauf, im nächsten Jahr zur Europameisterschaft zu fahren. Während der Ukraine gegen Russland ein Unentschieden langen würde, müssten die Russen dagegen gewinnen. Und dann auch noch darauf hoffen, dass Frankreich Island nicht höher als 7:0 schlagen würde, denn sonst wäre der Weltmeister direkt qualifiziert.

Eigentlich Grund genug, sich ein paar prinzipielle Gedanken zu machen, aber nicht für die russischen Medien. Dort wurde das Spiel gegen den ungeliebten Nachbarn als klare Sache gesehen, deren Sieger eigentlich schon längst feststand. Auch für den übertragenden Staatssender. Mit einem etwas voreilig für das Match produzierten Spot hatte man die russischen Fans schon Tage vorher auf das Ereignis eingestimmt: "Moskau. 21 Uhr 44" war in das Bild des vollbesetzten Zentralstadions der Hauptstadt eingeblendet, in dem russische Fans wild Fahnen schwenkten und feierten.

Dann wurde das Bild dunkel. "Irgendwo in der Ukraine" herrschte Tristesse. Und Totenstille, bis eine Frau ihren Mann anschreit: "Guck mich nicht so an! Ich hab' nicht im Tor gestanden!" Dumm gelaufen. Denn Russland war nur bis 21 Uhr 41 Teilnehmer an der nächsten EM gewesen, dann schoss die Ukraine den Ausgleich und die Russen aus dem Wettbewerb. Und bestätigte damit erneut die Gültigkeit vieler schöner Sprichwörter. Die jedoch blöderweise gar nicht immer stimmen. Denn sonst hätte die Türkei gewonnen.