Minderheitsregierung in Österreich

Elegie und Posse

Sozialdemokratische PolitikerInnen hatten Tränen in den Augen, als sie vom Scheitern der Koalitionsverhandlungen berichteten. Vom größten Einschnitt in der Geschichte der Zweiten Republik ist die Rede, gar von deren Ende.

Die drei sozialdemokratischen Jahrzehnte in Österreich jedenfalls dürften so enden, wie sie begonnen haben - mit einer Minderheitsregierung der SPÖ. Einst war es der Eintritt in ein glorreiches Zeitalter: von einer breiten Basis der Bevölkerung getragen und bei günstigen Kreditbedingungen auf den Märkten realisierte Bruno Kreisky ein spätes keynesianisches Reformprogramm. Er wollte in gewisser Weise nachholen, was er in Schweden im Exil als Alternative zur austrofaschistischen und nationalsozialistischen Art der Krisenbewältigung erlebt hatte.

Umgekehrt erreichte damit auch die Verdrängung gerade dieser heimischen Traditionen ihren Höhepunkt. Denn Kreiskys später New Deal, der für einige Zeit die Arbeitslosigkeit fast völlig verschwinden ließ, hat zugleich eine eigenartige Form der »Schuldabwehr« erlaubt: Der einstmals aus Österreich als Jude und Sozialist Vertriebene wurde gewählt, obwohl man seinen christlich-konservativen Gegenkandidaten als »echten Österreicher« angepriesen hatte.

Es war kein Zufall, dass seine erste Minderheitsregierung von der FPÖ gestützt wurde, jener damals kleinen Partei der bekennenden »Ewiggestrigen«. Angeführt wurde sie von Friedrich Peter, früher Unterscharführer der berüchtigten 1. SS-Infanteriebrigade, der sich nun zwar zum Liberalismus bekannte, doch die Schar blieb sich treu. Die SPÖ förderte ihren Bündnispartner nach Kräften, Kreisky stellte sich schützend vor Peter, als Simon Wiesenthal über dessen SS-Vergangenheit aufklärte.

Wenn nun die SPÖ wieder eine Minderheitsregierung bildet, dann liegt jene Partei, die sie damals stützte, nach aktuellen Umfragen auf Platz eins der Wählergunst. Im selben Maß, in dem der keynesianische Sozialstaat von den Nachfolgern Kreiskys wieder Stück für Stück abgebaut wurde, brach sich auch das Verdrängte Bahn - der Aufstieg von Haider und der FPÖ seit Mitte der achtziger Jahre war die Resultante.

Aus den Ewiggestrigen sind Ewigmorgige geworden. Ungeachtet des Designs der Medienauftritte, das auf das Image des Senkrechtstarters hinausläuft, handelt es sich im Grunde um einen eher langsamen, stockenden Vorgang mit zahlreichen retardierenden Momenten. Er entspricht ganz dem jetzigen Charakter der Krise, die nie zum Ausbruch zu kommen scheint und auf permanentem Aufschub der zyklischen Entladung beruht.

Im Vergleich zum rapiden Aufstieg der Nationalsozialisten nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 hat man es hier vielmehr mit einem schleichenden Prozess zu tun, was die Sache nicht weniger gefährlich macht. Was von Haider zu erwarten ist, darüber besteht kaum noch Zweifel: dass er in der Krise losschlägt.

Solange aber diese Krise dahinschleicht, den Sozialstaat sukzessive aushöhlt, Sozialdemokraten zu Tränen rührt, aber keine Explosion und Panik hervorruft, nimmt dieses Losschlagen doch eher den Charakter einer Posse an - für die von Ausländerpolitik und rassistischen Projektionen Betroffenen allerdings ein bereits sehr bedrohliches Spektakel.

Franz Vranitzky, der Sinn für Distinktion hatte, formulierte als kategorischen Imperativ, an dieser Posse sich nicht zu beteiligen - jetzt hält sich lediglich der Bundespräsident daran, der fürchten muss, in Zukunft nur noch zur Eröffnung landwirtschaftlicher Messen im Inland eingeladen zu werden (Waldheim-Komplex).

In der SPÖ aber werden unten (Arbeiter) und oben (Schlögl) die Stimmen immer lauter, die sich diesmal mehr als nur eine Unterstützung durch die FPÖ wünschen. Wer auch immer mit Haider koalieren wird, die ÖVP ist längst entschlossen dazu. Die Klagenfurter Republik rückt näher - oder anders ausgedrückt: Faschismus in Krähwinkel.