Rassistische Übergriffe in El Ejido

Blut statt Ketchup

Im andalusischen El Ejido hat sich die spanische Regierungspartei PP an die Spitze der rassistischen Bewegung bäuerlicher Kleinkapitalisten gesetzt.

Stolze 3 000 Quadratmeter Gewächshausfläche nennt der Bauer Antonio Gutierrez sein Eigen. In stickiger, schwüler Hitze ernten hier MigrantInnen für 25 Euro zehn Stunden pro Tag Tomaten. Dreimal im Jahr kann Gutierrez ernten, und er hat es zu einem veritablen Kleinkapitalisten gebracht. Trotzdem ist der Bauer aus El Ejido nicht zufrieden: »Ich bin kein Rassist, aber ich habe die Nase voll«, schimpft Gutierrez: »Sie sollen sich anpassen oder verschwinden!« Denn sie, »die Mauren«, hätten seinem Bäcker Brot geklaut und ihm selbst Kaninchen und Melonen.

Anfang Februar waren Tausende von EinwohnerInnen der südspanischen Kleinstadt über die LandarbeiterInnen hergefallen, die mit marokkanischen Papieren nach Andalusien gekommen waren. Ihre Unterkünfte wurden abgebrannt, ihre Läden zerstört, ihre Autos zu Klump gehauen. Drei Tage dauerten die pogromartigen Überfälle, bevor die lokale Polizei, die bis dahin nur zugeschaut hatte, zusammen mit der Guardia Civil einschritt. Anschließend kündigte der Staatssekretär für Sicherheit, Ricardo Mart' Fluxa, an, die verstärkte Polizeipräsenz in El Ejido aufrecht zu erhalten - »wegen der starken Präsenz der Immigranten«, welche die Sicherheit gefährde.

Das freute den Bürgermeister von El Ejido, Juan Enciso von der konservativen Regierungspartei Partido Popular (PP). An den Überfällen im Februar waren zwei seiner Brüder beteiligt gewesen. Mit dem Auto vorneweg, hatten sie Megafone und Handys dabei. Das deckte der Schriftsteller Juan Goytisolo in der Tageszeitung El Pa's auf. In El Ejido ist Goytisolo bereits 1998 wegen eines Artikels, der die Marginalisierung von ArbeitsmigrantInnen in dem Agrarort kritisierte, zur unerwünschten Person erklärt worden.

Bei den Parlamentswahlen am 12. März konnte sich der PP in El Ejido von 46 auf über 64 Prozent verbessern. Und im gleichzeitig gewählten Regionalparlament vertritt jetzt die PP-Frau Rosalia Espinosa den Wahlkreis El Ejido. Sie sitzt auch im Kommunalparlament und ist dort rechte Hand von Bürgermeister Enciso. Der wiederum nutzte sein Amt bereits 1995, um von MigrantInnen bewohnte Häuser räumen zu lassen. Die ImmigrantInnen saßen danach auf der Straße und mussten sich mit notdürftigen Hütten oder verlassenen Höfen arrangieren. Die Gemeinderegierung verhindert, dass MigrantInnen aus Nordafrika in den gleichen Ortsteilen wie die eingesessene Bevölkerung wohnen. Enciso will die Niederlassung von MigrantInnen nur neben den außerhalb gelegenen Treibhäusern dulden: »So sparen sie sich das Geld für den Transport zum Arbeitsplatz.«

Der Bürgermeister ist einer der neuen Agrarunternehmer, die mit dem Boom der Plastiktreibhäuser seit den siebziger Jahren reich geworden sind, als plötzlich drei Ernten möglich wurden. Auf seinen Gemüsefeldern wird besonders schlecht bezahlt. Aber Enciso ist typisch für viele Landbesitzer. Die ausgedehnte Treibhauslandschaft erbrachte 1998 1,7 Milliarden Euro Umsatz, davon ist die Hälfte Gewinn.

El Ejido ist eine Boomtown: Der erst 1982 gegründete Ort hat heute 50 000 Einwohner und 50 Banken. In vielen neuen Häusern der einst ärmlichen Gegend ist Marmor verlegt, davor parken ein BMW und ein Mercedes.

Ein Extraprofit wird mit der Beschäftigung von 19 000 ArbeitsimmigrantInnen erwirtschaftet. Jede Nacht versuchen Menschen in kleinen Booten über die Meerenge von Gibraltar aus Marokko nach Spanien zu gelangen, um in Orten wie El Ejido Arbeit zu suchen. Viele werden erwischt oder verhaftet, etliche ertrinken. Wer es geschafft hat, muss unter prekären Bedingungen überleben und wird ausgebeutet. Und ausgegrenzt. Ein Marokkaner, der in einer Bar von El Ejido ein Bier trinken will, muss dafür 100 Peseten (60 Cents) mehr bezahlen als ein Spanier. Auch in vielen Läden wird mit solchen rassistischen Preisaufschlägen ungeniert ausgegrenzt. Auch jetzt noch, wo angeblich alles besser geworden ist in El Ejido. Nur zehn Prozent der zugewanderten LandarbeiterInnen haben nach einem jüngst veröffentlichten Bericht der andalusischen Regionalverwaltung eine menschenwürdige Unterkunft.

Viele der LandarbeiterInnen wehrten sich im Februar mit einem Streik gegen die rassistischen Überfälle, viele flohen in die Berge. Der Streik war ein starkes Druckmittel, weil Haupterntezeit war. Der Schaden für die Agrar-Kleinkapitalisten pro Streiktag: 12 Millionen Euro. Es kam schnell zu Verhandlungen. Am 13. Februar berieten Versammlungen der ArbeitsmigrantInnen über eine Neun-Punkte-Vereinbarung mit dem Bauernverband und der Gemeinde: Darin wurden Entschädigungen zugesagt und der Neubau von Wohnungen.

Die Organisation der Arbeitsmigranten aus dem Maghreb in Spanien, ATIME, konnte sich durchsetzen und ein Ende des Streiks erreichen. Sie protestierte zwar gegen die Verhaftung von Streikposten durch die Guardia Civil, hoffte aber auf die Vereinbarung. AEME dagegen, die Vereinigung der Maghreb-Migranten in Spanien, lehnte die Vereinbarung als zu unverbindlich ab. Ihr Sprecher Mustafa Ait-Korchi wurde deswegen isoliert. Er hat einen spanischen Pass und verlor bei den rassistischen Überfällen seine Bar »Die Internationale«, die verwüstet wurde.

Auf dem Streikplenum war beschlossen worden, den Streik nur bis zu den Wahlen auszusetzen, um ihn bei Nichterfüllung der Forderungen wieder aufzunehmen. Nach dem haushohen Sieg der PP ist davon bei ATIME keine Rede mehr. Die Plattform der Immigranten von El Ejido, ein neuer Verband von ArbeitsmigrantInnen nicht nur aus Marokko, sondern auch aus Lateinamerika und dem Senegal, ist am 14. März aus den Verhandlungen mit der Gemeinde ausgestiegen. Begründung: Der Bürgermeister forciere Abschiebungen nach Marokko und bezahle sogar die Tickets für die Fähre.

Für ATIME erklärte Abdelhamid Beyuki, die Vereinbarungen würden eingehalten und es gebe Fortschritte beim Wohnungsbau und bei den Entschädigungen. Obwohl der Staat nur die Hälfte der Schadensansprüche vom Februar anerkannte und die Wohncontainer viel zu weit außerhalb des Ortes aufgestellt wurden, unterstützen die meisten ArbeitsmigrantInnen weiter ATIME. Die Plattform der Migranten und AEME riefen dagegen zu einer Protestdemo in Madrid gegen die Nichteinhaltung der Vereinbarung auf.

ATIME hielt dagegen: »Wer jetzt zum Demonstrieren aufruft, hat keinen Respekt vor der Gemeinschaft.« Am 26. März blieben die AktivistInnen von AEME und der Plattform unter sich: Hinter dem Transparent »Wir protestieren gegen die Nichteinhaltung des Vertrages vom 12. Februar« liefen 600 weit angereiste Leute durch Madrid. 100 kamen aus El Ejido, der Rest von den Treibhäusern der Umgebung und aus Almer'a.

Anfang April wurden in El Ejido wieder Hütten und Autos von ArbeitsmigrantInnen angezündet. Weil die Hütten nur aus Plastikfolien und Kartons bestanden, gab es nur geringe Schäden. In der Nacht darauf gingen sieben Treibhäuser in Flammen auf.