Proteste gegen Wahlbetrug in Peru

Chance für El Cholo

Internationale Proteste haben den Sieg von Perus Präsidenten Fujimori im ersten Wahlgang verhindert. Ende Mai kommt es zur Stichwahl mit dem Konservativen Alejandro Toledo.

Na wie denn nun? Als »Sieg über die Diktatur Fujimori« feierten 40 000 Anhänger von Oppositionskandidat Alejandro Toledo am Mittwochabend auf der Plaza San Mart'n im Zentrum Limas die Bekanntmachung der peruanischen Wahlkommission (Onpe), dass beim Präsidentschaftsvotum ein zweiter Wahlgang abgehalten werden müsse.

Der Vorsitzende der Wahlkommission, José Portillo, hatte gerade - nach der Auszählung fast aller Stimmen - bekannt gegeben, dass Präsident Alberto Fujimori 49,84 Prozent und sein Herausforderer Toledo 40,31 Prozent der Stimmen erhalten hätten. Da sich die Fehlerquote lediglich auf 0,05 Prozent belaufe, könne mit Sicherheit gesagt werden, dass Fujimori nicht auf die erforderlichen 50 Prozent plus eine Stimme komme. Somit müsse ein zweiter Wahlgang die Entscheidung über den zukünftigen Präsidenten Perus bringen.

Der noch amtierende Präsident Alberto Fujimori hat somit sein Ziel, die direkte Wiederwahl im ersten Anlauf zu erreichen, verfehlt und muss sich nun darauf einstellen, den Präsidentenpalast Ende Juli eventuell zu räumen. Für Fujimori ist das Ergebnis ein Rückschlag, für die Opposition um Toledo hingegen ein Schritt nach vorn. Von einem Sieg kann aber keine Rede sein, da der von Toledo geforderte »saubere und faire« zweite Wahlgang nicht sonderlich wahrscheinlich ist.

Geheimdienstleute, die Fujimori treu ergeben sind, sollen nämlich auch in der Wahlkommission sitzen - bereits bei der Auszählung der Stimmen aus dem ersten Wahlgang hatte es verdächtige Verzögerungen gegeben. So waren für die Auszählung von 20 Prozent der Stimmen nur vier Stunden nötig, aber für die Auswertung der letzten sieben Prozent ein ganzer Tag. Diese kaum nachvollziehbaren Verzögerungen hatten im In- aber auch im Ausland zu Spekulationen geführt, dass ein gigantischer Wahlbetrug im Gange sei. Die Wahlkommission wiegelte ab: Ein Stromausfall könne schließlich überall einmal vorkommen.

In allen größeren Städten Perus waren die Anhänger der Opposition wegen der offensichtlichen Manipulationen vor (Jungle World, 14/00) und während der Wahl auf die Straße gegangen. Allein in Lima waren es einige Zehntausend, die angeführt von den Oppositionskandidaten vor den Präsidentenpalast zogen und gegen den schmutzigsten Wahlkampf der letzten Jahre in Lateinamerika protestierten.

Alejandro Toledo heizte die Stimmung weiter an, indem er verkündete, er verfüge über zuverlässige Informationen, dass er den ersten Wahlgang gewonnen habe und nicht Fujimori. Die Quelle dieser Information wollte er jedoch nicht nennen und zwei Tage später akzeptierte er ohne Murren das Ergebnis der Wahlkommission und damit den zweiten Wahlgang.

Wegen der vielfältigen Unregelmäßigkeiten im Wahlkampf hatten zuvor internationale Beobachter von Transparencia, aber auch jene von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Stichwahl gefordert. Dieser Forderung hatten sich die USA und zahlreiche europäische Regierungen angeschlossen. Die Botschafter Belgiens, der Niederlande und Großbritanniens kündigten sogar für den Fall, dass Fujimori im ersten Wahlgang gewinnen sollte, Wirtschaftssanktionen an.

Fujimoris Kandidat für die Vizepräsidentschaft, der ehemalige Außenminister Francisco Tudela, witterte umgehend eine »internationale Verschwörung« gegen sein Land und verurteilte die »ausländische Einmischung in den politischen Prozess Perus«. Für ihre Einmischung haben sich Europäer und US-Amerikaner allerdings viel Zeit gelassen. Zudem greift die Forderung nach einem zweiten Wahlgang viel zu kurz.

Sollte Fujimori unter leidlich transparenten Wahlmodalitäten den Urnengang für sich entscheiden, was nicht auszuschließen ist, wäre er quasi rehabilitiert. Seine autoritäre Herrschaft, die Manipulation der Verfassung und sein Selbstputsch, der auto-golpe von 1992, wären im Nachhinein abgesegnet. Dies gilt auch für die systematische Aushöhlung der Kontrollinstitutionen, die in der Entlassung der Verfassungsrichter 1997 ihren Höhepunkt fand.

Die Einschüchterung von Kritikern sowie Repressalien gegenüber Oppositionellen sind unter Fujimori ohnehin an der Tagesordnung - all das ist international so gut wie nie kritisiert worden. Und wenn doch, so wurde in den USA, aber auch in Europa zumeist gleichzeitig auf die Erfolge der langjährigen Herrschaft Fujimoris verwiesen: vor allem in der Guerillabekämpfung und bei der Durchsetzung neoliberaler Reformen.

Dafür kann man schon mal andere Defizite in Kauf nehmen: Ein Ende der Manipulationen durch den Fujimori-ergebenen Geheimdienst, die Reform der staatlichen Institutionen und die Partizipation der Bevölkerung - das sind die Forderungen, die auf den Transparenten bei den Demonstrationen der letzten Tage in Peru immer wieder auftauchten. Auch hier dominieren, um die Breite des Anti-Fujimori-Bündnisses zu repräsentieren, moderate Töne.

Präsidentschaftskandidat Toledo hat bereits angekündigt, dass er das Verfassungsgericht wieder einsetzen will, falls er am 28. Juli in den Präsidentenpalast einziehen sollte. Auch die von Fujimori eingeführte mögliche zweite Amtszeit der Richter soll rückgängig gemacht werden, doch ein detailliertes Regierungs- und Reformprogramm hat der Konservative Toledo bisher nicht vorgelegt. Trotzdem stehen seine Wahlchancen für die Abstimmung, die voraussichtlich Ende Mai stattfinden soll, nicht schlecht.

Der ehemalige Weltbank-Ökonom hat es geschafft, die Opposition hinter sich zu einen. Toledo ist es gelungen, die Unzufriedenheit und den Wunsch nach einem politischen Wechsel auf seine Person zu übertragen. Dabei hat der 54jährige wiederholt auf Populismus gesetzt, um seine Anhänger zu mobilisieren und neue zu gewinnen. Zudem kann sich Toledo auf den Rückhalt von Perus Indigenas verlassen. Im Wahlkampf hat er sich immer wieder als »El Cholo« bezeichnet - ein abwertender Begriff für einen Indio - und seine indigene Herkunft als Trumpf gegen Fujimori zu nutzen versucht.

Für sein erstes Regierungsjahr verspricht Toledo nun 400 000 Arbeitsplätze, doch Programme und Konzepte gegen Armut und Arbeitslosigkeit hat er bisher nicht präsentiert. Angesichts von 17 der 24 Millionen Peruaner, die in Armut leben, und etlichen Millionen Unterbeschäftigten und Arbeitslosen, könnten solche Konzepte jedoch zukünftig entscheidend sein. Doch im nun erneut startenden Wahlkampf wird es darum wohl nicht gehen. Für Toledos Anhänger gibt es allein die Wahl zwischen dem Teufel und dem Messias.