Anti-IWF-Proteste in Washington

Eins zu Eins

Nein, das war kein neues Seattle. Und doch haben die zum Teil massiven Proteste der Gegner des traditionellen Frühjahrstreffens von IWF und Weltbank am vergangenen Sonntag und Montag in Washington dazu geführt, dass sich die Chefs der beiden Finanzinstitutionen größte Mühe geben müssen, ganz lieb und sanft zu wirken.

»Es ist schon eine seltsame Sache, dass da Tausende gegen die Weltbank und für globale soziale Gerechtigkeit demonstrieren - also für genau das, wovon ich immer glaubte, dass es das Ziel der Weltbank sei«, beteuerte z.B. Weltbankpräsident James Wolfensohn.

Und auch die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die sich zuvor zusammen mit ihren Kolleginnen aus Großbritannien, den Niederlanden und Norwegen für eine Stärkung der Weltbank eingesetzt hatte, verstand plötzlich nichts mehr: »Warum die Protestierer ausgerechnet gegen die Weltbank vorgehen, das bleibt mit ein Rätsel.«

Solche Fragen konnten die Gegendemonstranten auf den Straßen Washingtons beantworten. Wenn auch unterschiedlich: 15 000 Menschen hatten schon am Donnerstag in Washington demonstriert - unter ihnen viele vom US-amerikanischen Dachgewerkschaftsverband AFL-CIO. Für sie ging es weniger um IWF und Weltbank, dafür mehr um den Beitritt Chinas zur Welthandelsorgansiation (WTO) - und wie man ihn verhindern kann.

Die US-Gewerkschaften befürchten, dass durch den Freihandel mit dem Billiglohnland in den Vereinigten Staaten Jobs verloren gehen. Um ihr Anliegen dennoch mit den Anti-IWF-Protesten zu verbinden, gingen die Gewerkschafter recht pragmatisch vor: »Kein Blankoscheck für China!« stand auf der Vorderseite ihrer Plakate; der Slogan »Die Weltwirtschaft muss für arbeitende Familien funktionieren« prägte die Rückseite.

Diese nationalistischen Forderungen der Gewerkschaften waren schon Teil der Proteste von Seattle im Spätherbst des letzten Jahres gewesen. Konnte sich dort noch das Bündnis aus radikalen Linken, Öko-Bewegten und Protektionisten weitgehend gegen die Polizei durchsetzen, weil eigentlich niemandem so recht an einer erfolgreichen Tagung gelegen war, so sah die Situation am Wochenende in Washington anders aus.

In Kampfanzügen sowie mit Pfefferspray und Schlagstöcken gingen hier die Cops gegen die Protestierenden vor. Am Samstag waren bereits rund 600 Demonstranten festgenommen und über Nacht festgehalten worden. In der Woche zuvor hatten die IWF-Gegner ein Lagerhaus in Washington als Quartier benutzt und dort Konferenzen mit mehreren Hundert Teilnehmern abgehalten. Die Polizei räumte das Gebäude am Samstag letzter Woche kurzerhand und riegelte sämtliche Zufahrtstraßen ins Stadtzentrum ab.

Dass den Demonstranten dennoch einige kurzfristige Blockaden des Veranstaltungsortes gelangen, zeigt, dass auch IWF und Weltbank mittlerweile zu wichtigen Zielen der Protestbewegung geworden sind. Ihr Erfolg liegt darin begründet, dass sie unterschiedliche Ziele und Gruppen in einem Minimalkonsens zu verbinden weiß - reformistische NGOs ebenso wie militante Globalisierungsgegner, internationalistische Basisgruppen und konservative Standortverteidiger. Nur Wolfensohn und Wieczorek-Zeul fehlen hier.

Aber vielleicht kommt das ja noch: Z.B. wenn Wolfensohn eine Einladung der Anarchist Soccer League aus Washington annimmt. Diese hatte letzte Woche die Weltbank zum Wettkampf auf dem Fußballfeld herausgefordert: »Liebe Vorstände der Weltbank und des IWF, wir laden Euch herzlich ein, an unserem Fußballspiel teilzunehmen. (...) Wenn wir gewinnen, müsst Ihr die gesamten Schulden der Dritten Welt erlassen, und wenn Ihr gewinnt, werden wir bis Prag im September nicht mehr demonstrieren.« Vielleicht könnte dann ja Heidemarie Wieczorek-Zeul die Schiedsrichterin geben.