Ex-Black Panther vor Gericht

Run Nigger Run!

Ein ehemaliger Black Panther ist zum Islam konvertiert. Doch selbst als Imam hat er Ärger mit der US-Polizei.

Die Gewalt ist so amerikanisch wie der 4. Juli und Kirschtorte« - den Nachweis, dass dieses Zitat des ehemaligen Black Panthers Hubert Rap Brown keineswegs der Geschichte angehört, hat nun der in die jüngsten Kriminalchroniken eingegangene Fall des 56jährigen Muslims Jamil Abdullah Al-Amin erbracht.

Al-Amin ist Imam einer Gemeinde-Moschee im Westend von Atlanta, Georgia. Und: Al-Amin ist der neue Name von Hubert Rap Brown. In den sechziger Jahren, als im Süden der Vereinigten Staaten noch Bundestruppen eingesetzt werden mussten, um von der Polizei geduldete rassistische Attacken gegen den gemeinsamen Schulbesuch von schwarzen und weißen Kindern abzuwehren, war H. Rap Brown zusammen mit Stokely Carmichael Vorsitzender des Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC).

1968 steig er sogar kurzfristig zum Verteidigungsminister der Black Panther Party auf, von 1971 bis 1976 saß er im Gefängnis, weil er in New York in einen Raubüberfall mit anschließender Schießerei verwickelt war. Seit diesem Gefängnisaufenthalt und seinem Übertritt zum Islam nennt sich Rap Brown Al-Amin.

Der Anlass, der Brown nach vielen Jahren wieder einmal schweren Ärger mit der Polizei eingebracht hat, ist diesmal so lächerlich, dass er die Vermutung nährt, es würde mehr dahinter stecken: etwa der Versuch, einen unliebsamen Kritiker der schwarzen Anpassungspolitik in Atlanta beseitigen zu wollen. Al-Amin wurde beim Autofahren kontrolliert, weil sich keine ordnungsgemäßen Nummernschilder an seinem Gefährt befanden - er hatte die Schilder des Autohändlers noch nicht abmontiert. Dabei soll er einen Beamten parodiert haben.

Deshalb erschienen am 16. März nachts zwei Hilfssheriffs des Fulton County vor der Tür des Gemeindeladens, den Al-Amin neben der Moschee betreibt, um ihm einen Haftbefehl zu präsentieren. Al-Amin wurde beschuldigt, ohne Versicherung gefahren zu sein, eventuell sogar das Auto gestohlen zu haben. Plötzlich fallen Schüsse, ein Polizist stirbt, der andere wird schwer verletzt. Al-Amin flüchtet und wird nach einer tagelangen und bundesweiten Suche in einem Waldstück bei Whitehall im Lowndes County in Alabama gestellt und nach einer kurzen Schießerei festgenommen.

Ausgerechnet im Lowndes County war 1965 die Lowndes County Freedom Organization gegründet worden, eine schwarze Partei, die sich bereits einen schwarzen Panther zum Symbol gewählt hatte. Nun steht Al-Amin unter Mordanklage. Nach seiner Auslieferung an den Bundesstaat Georgia muss er sogar mit der Todesstrafe rechnen. Er und sein Anwalt begreifen den gesamten Vorgang nur »als Teil einer Regierungsverschwörung«.

Dieser Verdacht scheint erstmal weit hergeholt. Tatsächlich aber stand Rap Brown, wie andere Aktivisten der schwarzen Befreiungsbewegung auch, seit den Tagen der Schwarzen-Unruhen und seiner ersten Festnahme in Cambridge unter FBI-Beobachtung. Dass Jamil Abdullah Al-Amin alias Rap Brown in den neunziger Jahren fünf Jahre lang zum Gegenstand einer polizeilichen Untersuchung wurde, in der er mit nicht weniger als 14 Morden in Verbindung gebracht wurde, hat jüngst die Tageszeitung Atlanta Journal-Constitution aufgedeckt.

Fast alle diese Morde sind zwischen 1990 und 1996 im Westend von Atlanta verübt worden. Vermutlich handelt es sich um Abrechnungen im Drogenmilieu, die die Polizei einigen Schwarzen anlasten wollte, welche zum inneren Führungskreis der Muslimgemeinde zugerechnet wurden. Und der steht Al-Amin als Imam vor. Da der aber - als eine Art muslimischer Sozialarbeiter - Kiezpolizist spielt, um das Stadtviertel von Crack und Prostitution frei und »sauber« zu halten, brachten die Ermittlungen so gut wie nichts.

Nun griff auch noch das FBI ein und wähnte in Al-Amin einen »inländischen Terroristen«, der etwas mit dem Bombenanschlag auf das World Trade Center zu schaffen habe. Doch auch hier blieben Ermittlungserfolge aus.

Ein Interesse an der Kriminalisierung von nicht-öffentlicher Sozialarbeit in einem Armenviertel von Atlanta könnte aber auch die Stadtverwaltung haben. In seiner frühen Autobiografie »Die Nigger Die!« hatte Rap Brown 1969 kritisiert: »Der Weiße hat eine neue Art Onkel Tom in die Welt gesetzt. Sie sind bereit, alles zu sein, solange sie in erster Linie schwarz sein können. Schwarze Kapitalisten, schwarze Imperialisten, schwarze Unterdrücker - alles, solange es in erster Linie schwarz ist.«

In Atlanta werden inzwischen viele Stellen in der öffentlichen Verwaltung, bei Justiz und Polizei von Schwarzen eingenommen. Doch die Mehrheit der Schwarzen steht immer noch am anderen Ende der US-Erfolgsleiter: Die öffentlichen Schulen werden zu 90 Prozent von schwarzen Kindern besucht, von denen wiederum 80 Prozent so arm sind, dass sie vom Essensgeld in der Schule befreit werden oder Zuschüsse erhalten müssen. Acht von zehn Gefängnisinsassen in Georgia sind schwarz, die Kindersterblichkeit ist unter Schwarzen doppelt so hoch wie unter Weißen.

Mehr als an der Bekämpfungder Armut war wohl der schwarze Bürgermeister von Atlanta, Bill Campbell, während seiner beiden Amtszeiten an der Entwicklung guter Geschäftsbeziehungen interessiert. Um das Geschäft mit der Olympiade nicht zu vermasseln, wurde schließlich sogar die Polizei-Statistik geschönt.

Rap Brown hat sich in Atlanta über Jahre als Organisator von Widerstand gegen die Diskriminierung von Schwarzen viele Feinde gemacht. Es scheint, als hätte selbst seine Namensänderung in Jamil Abdullah Al-Amin und seine enorme Anpassungsleistung - als muslimischer Imam im Westend von Atlanta für Ruhe und Ordnung zu sorgen - nur wenig an der alten Frontstellung geändert.