Zlatko als Nationalheld

Was Ihr wollt

Vom »üblen Typen« und »Scheiß-Jugo« zum Nationalhelden. Um Zlatko braucht sich niemand Sorgen zu machen.

Mit so viel Beifall ist in der Geschichte des deutschen Fernsehens noch kein Verlierer empfangen worden. »Zlatko, Zlatko»-Sprechchöre begrüßten am vorletzten Sonntag den Mann, der angeblich von der Zuschauermehrheit aus dem »Big Brother»-Container gevotet worden war. Angeblich, denn die Internet-Unit des Senders hatte bereits Tage zuvor einen Zahlendreher auf der Zlatko-Homepage zugegeben. Alle Fans, die von Zlatkos Seite aus wählen wollten, wurden automatisch zu Sladdi-raus-Wählern. So what? Um Zlatko, das stand schon eine Viertelstunde nach dessen Rauswurf fest, würde man sich in Zukunft keine Sorgen mehr machen müssen. Einigermaßen seriöse Berater vorausgesetzt, wird er in ganz kurzer Zeit viel mehr Geld als die ausgelobten 250 000 Mark machen können.

Der rasante Aufstieg des gern als »mazedonischer Schwabe« titulierten Süddeutschen war alles andere als absehbar gewesen. Von Anfang an lag Zlatko in der Zuschauer-Zuneigung ganz hinten. Was sich auch in den Internet-Postings ans BB-Forum durchschlug. »Geh zurück in dein Getto!« respektive »Hau ab, Du Scheiß-Jugo!« lauteten die ersten Mails in den von RTL 2 eingerichteten Diskussionsforen, während Christoph Schlingensief in der Frankfurter Rundschau den Schwaben als »einen der übelsten und brutalsten Typen« bezeichnete, die »ich jemals kennengelernt habe. Er kommt aus dem Osten, hat rumänische Vorfahren und kämpfte zu Zeiten des Kosovo-Krieges, der als Vorlage für 'Big Brother' herhalten muss, auf deutscher Seite gegen die Kosovo-Albaner.«

Sich während der ersten Zeit in den Foren als Zlatko-Anhänger zu outen, war ziemlich ekelhaft, denn jedem einzigen »Ich finde Zlatko korrekt, weil er ehrlich ist und sich einen Scheißdreck um die Meinung der anderen schert« folgten Fluten negativer Postings. Nach drei Wochen war es damit vorbei. Da hatten die meisten »BB»-Fans Zlatko und seinen Freund Jürgen schätzen gelernt. Sie versuchten nicht - wie etwa John - sich durch aufopfernde Arbeiten für die Gemeinschaft einzuschleimen, sie dösten nicht herum wie Jona. Sie waren stets lustig und aktiv. Zlatko ging offensiv mit seinen Bildungslücken um und versuchte nicht - wie Kerstin -, sie hinter bedeutungsschwanger klingenden Sätzen mit Null-Gehalt zu verstecken. Jürgen und Zlatko verstellten sich nicht. Im Gegensatz zu Manuela.

Und auf die konzentrierte sich dann der Hass der »BB»-Fans, nachdem das Dream-Team gemeinsam nominiert worden war. Das nahm derart bedenkliche Formen an, dass künftig nur noch 300 geladene Fans die Ausgeschiedenen begrüßen dürfen und in den Foren Postings nur noch nach vorheriger persönlicher Anmeldung erlaubt sind. Manuela hatte im Besprechungszimmer versucht, Stimmung gegen Zlatko zu machen, nicht nur versteckt, kalkuliert und unter der Wolldecke wie Kerstin, sondern öffentlich. Sie sagte unter Tränen, Zlatko habe erklärt, auch Frauen zu schlagen, daher habe sie Angst vor ihm. Eine Behauptung, die niemand belegen konnte, nicht einmal die, die an den Live-Streams Tag und Nacht die Vorgänge im Wohncontainer verfolgen. Zumal sie, Kerstin, Alexander und John nicht mal nach der Nominierung zugaben, dass sie sich abgesprochen hatten, um Zlatko und Jürgen zu vernichten.

Die darauf folgende Auseinandersetzung war grotesk. Am blödesten stellte sich Alexander an, der Sladdi und Jürgen allen Ernstes vorwarf, sie hätten ihn nicht zum Schach eingeladen. Die beiden lachten noch im Bett über den quengelnden Möchtegern-Macho. Und beschlossen, sich durch die Nominierung den Spaß nicht verderben zu lassen.

Dass es dann doch Zlatko traf, brachte nicht nur im Internet Verschwörungstheoretiker aller Art auf den Plan. Der Druck der Industrie, die ihn sofort vermarkten wolle, sei zu groß geworden, vermuteten die einen, andere glaubten, dass Zlatkos Ankündigung, gemeinsam mit Jürgen das »BB»-Haus verlassen zu wollen, von RTL 2 ernst genommen wurde und er deshalb ausgeschaltet worden sei. »Das ist Vergangenheit und total egal«, sagte Zlatko im Chat über entsprechende Vermutungen. Dass er nur wenige Stunden nach seinem Auszug schon im Tonstudio stand und einen Song aufnahm, bestätigte diejenigen, die an ein zuvor abgesprochenes Voting glaubten.

»Als heute der Song von Zlatko präsentiert wurde, war für einen Augenblick zu sehen, wie Zlatko lippensynchron (ich habe es gerade mit dem Videorecorder überprüft) seinen Song gesungen hat (...) im Sprechzimmer des 'BB'-Hauses. Entweder haben die Zlatko nochmal ins Haus geholt (warum auch immer die das machen sollten, vor allem bei der nicht 100prozentig schalldichten Kabine), oder der Song wurde bereits vor Sladdis Auszug aus dem Haus aufgenommen. (...) An einen Nachbau des Sprechzimmers glaube ich nicht!« erklärt ein Zuschauer.

Zlatko repräsentiert den Kumpel, den jeder kennt, der in einer Kleinstadt aufgewachsen ist. Fragen nach einer künftigen Karriere als Sänger kontert er gelassen: »Mit meiner ätzenden Stimme?« Zu seinen Plänen für den Abend sagt er: »Ich bleibe zu Hause und lese Shakespeare.«

Die zunächst hämischen Kommentare in den Foren nach Zlatkos Ausscheiden wurden abgebügelt: »Haha, ihr blöden Zlatko-Hasser. Das haben wir ja wohl fein hingekriegt: Ihr habt euch die Finger wundgewählt, um ihn aus dem Haus zu werfen, und ausgerechnet ihr habt damit dafür gesorgt, dass er Millionär wird!«

Noch eine Woche nach Zlatkos Auszug laufen auf www.sladdi.com, der von seinem Bruder Aleksander ins Netz gestellten Homepage, die Nachrichten an den Star im Minutentakt ein. Waren es in den ersten Tagen hauptsächlich Mails enttäuschter 15jähriger, die ihrem Idol sehr ernsthaft gute Ratschläge für den weiteren Lebensweg mitgaben und erklärten, »bei der Verkündung des Votings gegen dich geweint« zu haben, sind es nun eher die Erwachsenen, die Zlatko ermahnen, »auf dem Teppich zu bleiben«, »die Zeit zu genießen« und »das Geld gut anzulegen«. Von Neid keine Spur, insgesamt freuen sich die User mit Zlatko wie mit einem guten Freund, der endlich einmal Glück gehabt hat.

Ähnlich verhalten sich auch die meisten Talkmaster, bei denen Zlatko bisher zu Gast war. Harald Schmidt war sichtlich bemüht, ihm das Lampenfieber zu nehmen und ihm die Bälle zuzuspielen. Und über seinen Auftritt in Stefan Raabs Show »tv total« sagte Zlatko: »Wir haben uns nach der Show unterhalten. Über Privates, Finanzielles. So red ich nur mit Leuten, die ich gut leiden kann. Er hat mir für meine Karriere geraten, ich soll so cool bleiben wie ich bin.« Und falls es mit der Karriere nichts werden sollte, dann hat Zlatko auch kein Problem: »Ich hatte vorher auch ein sehr schönes Leben!«