Lattek trainiert den BVB

Wille zum Fiasko

Es gibt verschiedene Arten, mit dem drohenden Abstieg einer Fußballmannschaft umzugehen. Die entschieden blamabelste führt zur Zeit Borussia Dortmund vor.

Während Manager Michael Meier öffentlich noch verbissen an Coach Bernd Krauss festhielt, obwohl der den deutschen Trainer-Minusrekord von vier Punkten aus elf Spielen aufstellte, hatte Präsident Gerd Niebaum schon mit dem möglichen Nachfolger verhandelt. Was höchste Zeit wurde, denn das Dortmunder Holiday Inn hatte bereits Briefe an alle Zweitliga-Vereine herausgeschickt, in denen man sich als gute Übernachtungs-Adresse für die Auswärtsspiele beim BVB in der nächsten Saison anpries.

Am letzten Donnerstag sagte der Wunschkandidat des Präsidenten dann endlich zu. Ausgerechnet Udo Lattek, ein Mann der sich selbst als den »Hans Albers der Bundesliga« bezeichnet - »der kann saufen und arbeiten wie ich« - und über dessen alkoholbedingte Ausfälle zuletzt beim Münchener Hallenmasters Sportjournalisten begeistert Geschichten erzählten, soll den Abstieg verhindern. Den Abstieg eines Vereins, der in drei Jahren 90 Millionen Mark für neue Spieler ausgab, der an die Börse gehen will und der vom Präsidenten derart patriarchalisch geführt wird, dass in der Vergangenheit Verträge per Handschlag verlängert wurden, ohne den jeweiligen Trainer nach seiner Meinung zu fragen.

Niebaum griff angeblich sogar immer wieder persönlich in die Aufstellung ein, sein Intimus Michael Zorc wurde von ihm sogar zum Sportmanager befördert. Den von ihm maßgeblich zusammengekauften Kader nannte die Süddeutsche kürzlich eine Ansammlung »aus mittelmäßigen Schaumschlägern und verunsicherten Einzelkämpfern«.

Diese Borussen rannten seit Saisonbeginn folgerichtig auf dem Platz den eigenen Ansprüchen hinterher. Deutscher Meister hatte man da eigentlich werden wollen, und natürlich wollte man auch im internationalen Wettbewerb gewinnen.

Und nun das. Wenige Spieltage vor Schluss stellte selbst das notorisch optimistische BVB-Präsidium fest, dass es mit dem Meister-Werden diesmal menschlichem Ermessen nach nicht nur nichts mehr werden konnte, nein, selbst der Abstieg schien auf einmal nicht mehr völlig ausgeschlossen zu sein. Daraufhin tat man sicherheitshalber erst mal gar nichts, sondern verlor noch ein bisschen weiter - unter tatkräftiger Mithilfe des Torwarts Jens Lehmann. Als man dann wieder einmal auf die Tabelle sah, war die Situation noch bedrohlicher geworden, zumal man gerade zu Hause gegen Unterhaching souverän mit 3:1 verloren hatte.

Und plötzlich stand fest, dass das alles wohl nicht mehr so weitergehen konnte. Der Plan, den Gerd Niebaum dann präsentierte, zeugt jedoch weniger von Kompetenz und Fußball-Verstand, sondern nur davon, dass man in Dortmund immer noch den unbedingten Willen zum Fiasko hat. Denn wie bei den Spielerkäufen der letzten Jahre versucht man es nun auch im Trainerjob mit einem abgehalfterten ehemaligen großen Namen, jemandem, dessen gute Zeiten schon eine Weile her sind (Europapokal-Sieger 1974 mit Bayern, Uefa-Cup-Sieger 1979 mit Gladbach, Pokalsieger-Cup 1982 mit Barcelona). Womöglich als Strohmann für Matthias Sammer, der, bisher noch ohne Trainerlizenz, ab der nächsten Saison den BVB coachen soll. In welcher Liga?

Man weiß es nicht. Das erste Spiel unter der Trainer-Legende Lattek endete jedenfalls mit einem Unentschieden. Gegen den MSV Duisburg, ein Team, gegen das selbst der Coach von Schwarz-Weiß Spandau mindestens einen 3:0-Erfolg erwarten würde.