Regierungskrise in Israel

Shas gewinnt

Turbulente Szenen spielten sich im israelischen Parlament ab, als am vergangenen Mittwoch ein Antrag auf Auflösung der Knesset und vorgezogene Neuwahlen das Haus in erster Lesung passierte. Bis zuletzt war ungewiss, ob der Antrag eine Mehrheit erhalten würde. Schließlich war es die ultrasäkulare Partei Shinui, die den Ausschlag gab. Noch hat dieser Beschluss keine Auswirkungen, muss ein solcher Antrag doch drei Mal das Parlament passieren. Doch die zuletzt mühsam gekittete Regierungskrise ist wieder offen ausgebrochen.

Denn mit Shas, Israel b'Aliyah und Mafdal stimmten drei an der Regierung beteiligte Parteien für Neuwahlen. Es sind jene Parteien, die bereits zuvor Barak mehrmals die Gefolgschaft verweigert hatten, zuletzt, als es darum ging, die Übergabe dreier arabischer Vororte von Jerusalem an die Palästinensische Autonomieverwaltung zu beschließen. Der Konflikt mit Shas prägte die Regierungsarbeit von Beginn an. Da es sich dabei um den größten Koalitionspartner von Baraks One Israel handelt, entscheidet sich hier die Zukunft der Regierung.

Shas verfolgt mit ihrer provokanten Politik mehrere Ziele. Zum einen will die Partei gegenüber Barak Stärke zeigen, um im Streit mit der liberalen Partei Meretz um die Finanzierung ihres privaten religiösen Bildungssystems als Sieger hervorzugehen. Darüber hinaus zielt Shas auf eine Umverteilung der Kabinettsposten zu ihren Gunsten, um das lang ersehnte Innenministerium zu erobern. Drittens erhofft sich die Partei, und das nicht zu Unrecht, bei Neuwahlen noch einmal deutlich zuzulegen und zweitstärkste Partei zu werden.

Dass sich aber außer Shas und den kleineren Rechtsparteien vor allem der Likud für Neuwahlen stark macht, spricht dafür, dass sich die stärkste Oppositionspartei aus dem Tief nach den Wahlen heraus wähnt. Mit Ariel Sharon verfügt der Likud über einen Spitzenkandidaten, dessen Führungsposition in der Partei inzwischen von niemandem mehr bestritten wird. Mit ihm hat der Likud gute Chancen, einen Großteil derjenigen Wähler an sich zu binden, denen die Friedenspolitik von Barak zu weit geht. Dennoch könnte die Enttäuschung über den innenpolitischen Kurs der jetzigen Regierung eher Shas zugute kommen, waren doch die Erfahrungen mit dem Neoliberalismus Netanjahus für die Unterschichten keinesfalls besser.

Barak stehen mehrere Lösungsmöglichkeiten für die Krise offen, eine allerdings unbefriedigender als die andere. Vor der Abstimmung hatte der Regierungschef gedroht, alle Minister, die für die Parlamentsauflösung stimmten, aus der Regierung zu werfen. An ihre Stelle könnten Vertreter der Fraktionen von Shinui und One Nation treten. Dann müsste Barak aber immer noch mit einem Minderheitskabinett regieren und wäre auf die Tolerierung durch die zehn arabischen Abgeordneten angewiesen. Die haben ihre Bereitschaft dazu bereits zu verstehen gegeben. Allerdings gibt es unter den arabischen Israelis - ebenso wie übrigens unter den sephardisch-orthodoxen Anhängern von Shas - massive Vorbehalte gegen Shinui und dessen Vorsitzenden Yosef Lapid, dem Rassismus und Populismus vorgeworfen werden. Barak hätte mit ihm sicherlich nicht weniger Schwierigkeiten als mit der notorisch unzuverlässigen Shas.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, die arabischen Parteien direkt in die Regierung aufzunehmen. Wenngleich deren Vertreter dies umgehend ablehnten, könnte Barak damit ein deutliches Signal an die Palästinenser mit und ohne israelische Staatsbürgerschaft aussenden. Tatsächlich aber würde das Baraks Ansatz zuwiderlaufen, eine Friedenslösung nur auf Basis einer breiten israelischen Mehrheit anzustreben. Insofern wird Barak wohl alles daran setzen, Shas in der Regierung zu halten, und von den Abtrünnigen sind auch schon die ersten Versöhnungssignale ausgesendet worden. Wie auch immer die Krise ausgehen wird, der Sieger kann nur Shas heißen.