Anschläge auf Serben im Kosovo

Aufstand der Randständigen

Von Kollateralschäden zu reden wie beim Fliegerangriff auf einen Personenzug während des Kosovo-Krieges, traute sich selbst die Nato nicht mehr. »Die Nato hat ihren Luftkrieg nicht geführt, um die ethnischen Säuberungen der einen Gruppe von den Angriffen einer anderen ersetzt zu sehen«, wetterte Generalsekretär George Robertson nach dem Bombenanschlag auf einen Autobus, bei dem am Freitag mindestens sieben Serben umgekommen und dutzende verletzt worden waren. Auf eine politische Schuldzuweisung freilich verzichtete er, obwohl die Kette von Anschlägen durch Kosovo-Albaner seit dem Amtsantritt des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica im Oktober nicht abreißt. Das albanisch-atlantische Bündnis steht, auch wenn die Risse seit dem Verschwinden des gemeinsamen Feindes Slobodan Milosevic immer größer werden.

Erst am Montag letzter Woche hat ein Anschlag auf einen Bus nahe Strpce einen Serben getötet und zwei verletzt, unvermindert weiter gingen auch die Übergriffe der Sezessionsarmee UCMPB in der Pufferzone zwischen Serbien und dem Kosovo. Zwar hat die Schutztruppe Kfor ihre Patrouillen in dem fünf Kilometer breiten Grenzstreifen seit dem Jahreswechsel verstärkt, doch am Appeasement gegenüber Offizieren der UCPMB und ehemaligen Führern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK hält die Nato auch nach dem neuesten Anschlag ungerührt fest.

Vor allem aus Angst vor Angriffen auf die eigenen Truppen ließ die internationale Streitkraft die UCK-Nachfolger nach dem Ende des Luftkrieges im Juni 1999 gewähren. Das Netzwerk des Terrors, das diese seit dem Abzug der serbisch-jugoslawischen Kräfte entspinnen konnten, bedeckt die gesamte Region. Von einst 250 000 Serben in der Provinz sind nach Uno-Schätzungen rund 170 000 geflohen. Die geblieben sind, leben in Enklaven wie dem geteilten Kosovska Mitrovica oder der Ortschaft Gracanica, wo am Sonntag Hunderte um die Opfer des Bombenanschlags trauerten. Auf den Schutz der Kfor-Einheiten können sie sich nicht verlassen, auf die Mitleidsbekundungen von Vertretern der Kosovo-Albaner getrost pfeifen.

Denn knapp zwei Jahre nach dem gescheiterten Krieg um die Unabhängigkeit der Provinz haben die großalbanischen Separatisten zum letzten Gefecht für den Zusammenschluss ihrer Siedlungsgebiete auf dem Balkan geblasen. Von Skopje über Pristina bis Tetovo steht die Pax Nato unter Beschuss, seitdem das westliche Bündnis seinen Frieden mit den Nachfolgern Milosevics in Belgrad gemacht hat. Da ihre Hoffnung, die Nato werde eine rasche Lösung von Serbien unterstützen, wohl endgültig gestorben ist, greifen die bewaffneten Vortrupps der albanischen Nationalisten erneut zu den Mitteln, mit denen sie die Nato im Frühjahr 1999 ins Land riefen. Neben der UCK-Tochterorganisation UCPMB in Südserbien trat im Januar auch ein mazedonischer Ableger der UCK auf den Plan. Ihr Markenzeichen unterscheidet sich in nichts von dem ihrer Vorbilder: Anschläge auf Polizisten und Kollaborateure mit dem vermeintlich antialbanischen Regime.

Im Unterschied zu 1999 aber dürfte diese Strategie bei den Nato-Staaten nicht verfangen. Fünf Monate nach der Ablösung Milosevics sehen London, Washington und Berlin zwar weiterhin von einer eindeutigen Verurteilung des kosovo-albanischen Terrors ab, lange aber können sie die Forderungen Belgrads nicht mehr ignorieren, energischer gegen die bewaffneten Separatisten vorzugehen. Daher könnte der Abbruch der Beziehungen zu Kfor und Uno durch den Serbischen Nationalrat SNR am Wochenende das letzte lokale Signal aus Serbien an die Protektoratsmächte gewesen sein, die Ordnung im Kosovo wieder herzustellen. Die Vetomächte im Weltsicherheitsrat dürften Kostunica das Recht zur Entsendung eigener Polizisten in die Provinz, das ihm nach der Uno-Resolution 1 244 zusteht, nicht mehr lange verwehren können.