Hamburg erhält Zuschlag für A 380

Alle für den Airbus

Geschäftsführer und Betriebsräte gehen vor Freude in die Luft: Der Superairbus A 380 darf in Hamburg montiert werden.

Horst Niehus, der Betriebsratsvorsitzende im Airbus-Werk Hamburg-Finkenwerder, war am 20. Februar schon auf dem Weg zum Werksflughafen. In Toulouse wollte er an einer Sitzung des europäischen Gesamtbetriebsrates von EADS Airbus teilnehmen. Doch kurz vor elf klingelte sein Handy. »Ich sollte sofort zur Geschäftsleitung kommen«, berichtete er dem Hamburger Abendblatt. Als er in den Bürotrakt der Chefs kam, standen dort schon Sektgläser. »Es war einfach toll. Wir haben uns in den Arm genommen.«

Keine zwanzig Minuten zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Hamburg den Baustopp für die Erweiterung des Fabrikgeländes Finkenwerder aufgehoben. Zwar sind noch 289 Klagen gegen den Bebauungsplan anhängig, die mit der zu erwartenden Lärmbelästigung und der Zerstörung des ökologisch einmaligen Süßwasserwattes in der Elbeinbuchtung Mühlenberger Loch begründet werden. Mit den Vorbereitungen für die Erweiterung des Airbus-Werksgeländes, so die Richter vorige Woche, kann aber trotzdem begonnen werden. »Sollte man nicht mit dem Bau beginnen können, wäre das Projekt auch dann endgültig gescheitert, wenn die Kläger später in den anhängigen Verfahren unterliegen würden«, heißt es in dem Urteil, das den vom Hamburger Verwaltungsgericht im Dezember verhängten Baustopp aufhob .

1,3 Milliarden Mark will die Stadt Hamburg nun für die Zuschüttung des Mühlenberger Loches ausgeben, wo Airbus für 1,1 Milliarden Mark neue Werkhallen errichten wird. Hier soll dann ab 2003 der Airbus A 380 endmontiert werden. Danach wird die bereits bestehende Start- und Landebahn entlang des Ness-Hauptdeiches verlängert, der erste Flug ist für 2004 vorgesehen. Die ersten Flächen der Werkserweiterung sollen bereits Ende August übergeben werden, damit im November fristgerecht mit dem Bau der Hallen begonnen werden kann.

Der Europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hatte zuvor mehrere Standorte gegeneinander ausgespielt und der Stadt gedroht, den A 380 ausschließlich in Toulouse montieren zu lassen, sollte aus Hamburg bis Mitte Februar keine rechtsverbindliche Zusage vorliegen. Nun werden die Flieger in Toulouse montiert, in Hamburg folgen dann Innenausbau und Lackierung. Ziel der Airbus-Partner um die deutsche DaimlerChrysler Aerospace (Dasa) und die französische Matra Aerospatiale ist es, den Jumbo 747-400 des US-Rivalen Boeing als größtes Passagierflugzeug der Welt durch den A 380 zu ersetzen.

Die Handelskammer Hamburg startete deshalb im Januar mit der Unterstützung des DGB, der IG Metall und des Airbus-Betriebsrats eine Werbekampagne für einen positiven Gerichtsbeschluss. Höhepunkt der Standort-Kampagne war eine Kundgebung Anfang des Monats: »Wenn der Airbus A 380 tief über die Felder bei Toulouse fliegt, dann reißen die Bauern die Mütze vom Kopf und rufen: Vive la France! Aber in Hamburg rennt der Bauer zum nächsten Telefon und beschwert sich«, beschwerte sich damals der Betriebsratsvorsitzende Niehus.

Dem Aufruf des Betriebsrates und der IG Metall waren 7 000 Beschäftigte aus mehreren Airbus-Werken Norddeutschlands gefolgt. In der Kombination von roten IG Metall-Mützen und Firmenaufklebern mit der Aufschrift »Welcome A 380« fand die harmonische Betriebsgemeinschaft von Unternehmern und Angestellten ihren symbolischen Ausdruck. Auf Transparenten stand zu lesen: »A 380 - der ist groß, 4 000 Menschen nicht mehr arbeitslos!«

Mit dem Versprechen, 4 000 neue Arbeitsplätze allein in Hamburg zu schaffen, hatte Airbus bei der Stadtregierung, bei Betriebsräten und Gewerkschaften für das Projekt geworben. Erfolgreich, obwohl bis heute unklar ist, wie viele Stellen tatsächlich entstehen werden. Denn auch wenn Hamburgs Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) nach dem Urteil versicherte, der A 380 werde etwa 2 000 Jobs im Unternehmen und noch einmal so viele bei Zulieferern und Dienstleistern in der Region sichern, hat das Airbus-Konsortium nie eine feste Zusage gemacht.

Und fraglich ist weiterhin, zu welchen Bedingungen die Arbeitsplätze geschaffen werden. So sollen wohl vor allem Ingenieure eingestellt werden, während in der Produktion selbst kräftig rationalisiert wird, obwohl dort viele Arbeiter ohnehin nur prekär beschäftigt sind. Außerdem arbeiten schon jetzt 20 Prozent der Belegschaft 40 statt der tariflich vereinbarten 35 Stunden. Die Konzernleitung möchte diese Sonderregelung ausdehnen, auch der Betriebsrat wird wohl zustimmen, nur die IG Metall sträubt sich noch. Die Betriebsgemeinschaft wird eben groß geschrieben in Finkenwerder. Rüstem Kantarci, ein Airbus-Angestellter, wies im Hamburger Abendblatt deshalb auch die Bedenken von Umweltschützern zurück: »Das ist eine einmalige Chance, in Konkurrenz zu Boeing zu treten. Als Mitarbeiter bin ich natürlich für die Erweiterung, obwohl ich direkt in der Einflugschneise wohne. Zur Not muss ich wegziehen. Aber wohnen kann man auch woanders.«

Die norddeutschen Gewerkschafter standen den Kapitalvertretern in nichts nach, als der Gerichtsentscheid letzte Woche öffentlich gefeiert werden durfte. Das Urteil bilde die Grundlage für eine »neue industriepolitische Ära Hamburgs«, jubelte der örtliche DGB-Vorsitzende Erhard Pumm. Und Frank Teichmüller, Vorsitzender der IG Metall, Bezirk Küste, schwärmte: »Ein Zukunftsprojekt mit Riesenformat hat gewonnen.« Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) war wegen des positiven Gerichtsbeschlusses völlig außer sich: Dies sei »der bisher schönste Tag für mich als Bürgermeister«, ein »Signal für den Technologiestandort Deutschland«.

Was zählt, ist offensichtlich auch für den Ober-Sozialdemokraten der Hansestadt das Arbeitsplatzversprechen, nicht die Arbeitsplatzgarantie. Hamburg habe mit der Montage des A 380 die Chance, »einer der drei größten Luftfahrtindustriestandorte der Welt« zu werden, feierte Runde den gelungenen Wandel des Schiffs- zum Flugzeugproduzenten.

Für Nikolaus Schües, den Präsidenten der Handelskammer, war da eines ohnehin schon klar: Die Hamburgerinnen und Hamburger dürften nicht mehr »fragen, wie man in Hamburg lebt, sondern wovon«.