Das Formel 1-Team Minardi

Die guten Letzten

Das italienische Formel-1-Team Minardi hat es in letzter Sekunde geschafft, auch in der nächsten Saison wieder dabei zu sein.

Wenn man auf der Homepage (www.minardi.it) des kleinsten Formel-1-Teams, Minardi, landet, erlebt man Symptomatisches. Mehr als zehn Sekunden dauert es, bis das mit einem Tachometer symbolisierte Laden der Seite von null auf 100 Prozent geschafft ist. Das ist nicht schnell, aber es gibt auch kaum jemanden, der von Minardi Geschwindigkeitsrekorde erwarten würde.

Trotzdem kann das erfolgloseste Team der Formel 1 manchmal auch Erfreuliches vermelden: In den News verkündet man derzeit stolz, dass am 22. Februar zum ersten Mal das neue Rennauto getestet wurde. 30 Runden habe es ohne Probleme durchgehalten und nicht nur das, auch der zweite Bolide nähere sich der Fertigstellung. Der rechtzeitigen Abreise ins australische Melbourne, wo am 4. März das erste Rennen gestartet wird, stehe nichts mehr im Wege.

Diese seltsam anmutende Begeisterung im Minardi-Hauptquartier von Faenza über anderthalb einsatzreife Fahrzeuge knapp eine Woche vor Saisonstart ist angesichts der jüngsten Schwierigkeiten verständlich. Vor drei Monaten hatte man mit dem spanischen Telekommunikationskonzern Telefónica überraschend den Hauptsponsor verloren.

Von solchen Misslichkeiten lässt man sich bei Minardi aber nicht aus der Bahn werfen: »Wir sind trotz allem sicher, dass Minardi auch 2001 bei der WM antreten wird«, erklärte Teamchef Giancarlo Minardi noch im Januar seine Entschlossenheit, auch in diesem Jahr auf den Rennstrecken den anderen wieder hinterherzufahren. Zu diesem Zeitpunkt fehlte nicht nur der Hauptsponsor, auch waren weder Fahrer noch Motoren vorhanden. Marc Gene und Giovanne Mazzacane, die im letzten Jahr keinen einzigen Punkt für Minardi herausgefahren hatten, wollten trotz fehlender Verträge mit anderen Teams nicht mehr weiterfahren.

Der 53jährige Minardi hat viel Erfahrung mit Autos und Rennen. Was für Teams wie Forti Ford und Lola in der Vergangenheit Grund zum Aufgeben war, stachelte seinen Ehrgeiz erst an. Seine Familie ist traditionell autoverrückt und führte die erste Fiat-Handlung der Welt. Ende der vierziger Jahre baute Vater Giovanni das erste Rennauto. Seit 1972 fuhr sein Sohn Giancarlo in der Formel 2 mit, 1980 gründete er das Minardi-Team. Fünf Jahre später debütierte der italienische Rennstall beim F-1-Rennen in Brasilien - ohne nennenswerten Erfolg. Erst 1989 gelang es, durch fünfte und sechste Plätze einige Punkte zu erreichen. Im Rennen um den Konstrukteurstitel schaffe man im Jahr 1991 den siebten Platz, das war das bislang beste Jahr des Teams.

»Es kostet verdammt viel Geld, in der Formel 1 an letzter Stelle mitfahren zu können.« Dieser Satz des Minardi-Technikchefs und Chefdesigners Gustav Brunner bringt die Schwierigkeiten der Hinterherfahrer auf den Punkt. 110 Angestellte und ein auf 100 Millionen Mark geschätztes Jahresbudget reichen für vordere Plätze nicht aus.

Trotzdem fand Minardi Ende Januar einen Retter. Der australische Geschäftsmann Paul Stoddard, Inhaber der europäischen Charter-Fluglinie European Aviation übernahm den Rennstall. Er engagierte neue Mitarbeiter, überzeugte Geldgeber und Sponsoren und fand mit dem Renault-Ableger Megacrome einen Motorenlieferanten. Der »Motorenfreak« (Stoddard über Stoddard) überwacht seither die Vorbereitungen. Es sei alles ziemlich schwer gewesen, räumte er ein, »aber das Auto zum ersten Mal fahren zu sehen, war für mich ein sehr emotionaler Moment. Es war eben ein großer Berg, den wir da zu erklettern hatten.«

Die Technikabteilung in Faenza musste das Chassis schließlich so umbauen, dass der V10-Motor hineinpasste - und dabei sollte das Auto auch noch gut aussehen. Am 5. Februar bestand es auf Anhieb einen Crashtest, der bei der Formel 1 vorgeschrieben ist. Ohne Fahrer darf man allerdings nicht mitmachen, Stoddard blieb jedoch optimistisch: »Wir glauben, da wir momentan das einzige Formel-1-Team sind, das noch einen Platz anbieten kann, sehen unsere Karten gar nicht so schlecht aus.«

Eine Woche später war zwar ein Fahrer verpflichtet, aber entgegen allen Gerüchten sollte der 47jährige Brite Nigel Mansell nur zu Promozwecken einen eigens gebauten Zweisitzer herumkutschieren. Die beiden in letzter Minute verpflichteten Fahrer Fernando Alonso und Tarso Marques verfügen gemeinsam über gerade zwei Jahre Formel-1-Erfahrung. Marques war bereits 1996 und 1997 für Minardi gefahren, ein Jahr davon an der Seite des für seine spektakulären Ausfälle berühmten Ukiyo Katayama. Punkte hatte der Brasilianer in dieser Zeit nicht erreicht, der einzige Punkt in den vergangenen fünf Jahren stammt aus dem eigentlich irregulären Regenrennen am Nürburgring. Trotzdem freut sich zumindest der in der Zwischenzeit in der US-Cartserie aktive Marquez auf seine Rückkehr: »Viele Mechaniker kenne ich noch von früher, deshalb ist es so, als käme ich von einer Reise wieder nach Hause zurück.«

Trotzdem hat Minardi sogar eine ganz kleine Chance darauf, Weltmeister zu werden. Nicht nur, weil bei strikter Regelauslegung wohl die meisten der großen Teams immer hart an der Disqualifikation fahren. Wichtiger noch könnte für die kleinen Teams der Krach zwischen den renommierten Autoherstellern und Bernie Ecclestone werden. Wegen des Einstiegs der Kirch-Gruppe in die Formel 1 drohen die Hersteller mit einer eigenen Piratenserie. Nach einem Bericht der Auto, Motor, Sport fürchten die Großen des Automobilsports - DaimlerChrysler, BMW, Renault, Ford und Fiat -, dass ab dem Jahr 2004 die F1 nur noch im Pay-TV zu sehen sein könnte. Selbst Ecclestone hält es für möglich, dass Kirch sein Versprechen, die TV-Rechte ab diesem Zeitpunkt an den eigenen Sender Sat.1 zu vergeben, brechen würde. Den teueren Umweg über den Einstieg in die Holding SLEC hätte sich Kirch sparen können, so gibt auch Ecclestone zu: »Er zahlt einfach eine Million mehr als RTL, schon hat er die Rechte.«

Im Concorde-Abkommen zwischen dem Weltverband Fia und den Teams ist festgeschrieben, dass die Serie im Free-TV gezeigt werden muss, Insider sehen jedoch in dem Vertrag Lücken, die z.B. eine zeitversetzte Übertragung möglich machen könnten. Auf der anderen Seite hat Kirch nur die Rechte am Namen der Formel 1 und nicht an den Inhalten. Das wäre eine schöne Chance für die kleinen Teams. Forti Ford, Lola und all die anderen könnten sich reorganisieren und gemeinsam mit Minardi um die Wette fahren. Blöd nur, dass auch bei der Loser-F-1 einer immer als Letzter ankommen wird.