Kritik an restriktiver Pressepolitik in Österreich

Der Einfluss des Vollmondes

Auf die Kritik an ihrer restriktiven Pressepolitik reagiert die blau-schwarze Regierung in Österreich mit weitgehenden Zugeständnissen an die beiden mächtigsten Medienkonzerne des Landes.

Der Mann wird »Haiders Handy« genannt und hat diesen Spitznamen wirklich verdient. FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler gilt als Vollstrecker der Wünsche des ehemaligen Parteichefs der Freiheitlichen, und vollstreckt wird eben meistens per Mobiltelefon. Besonders mit den Chefs des österreichischen Rundfunks ORF telefoniert Peter Westenthaler häufig, um sich zu beschweren, wenn ihm ein Bericht im Fernsehen wieder einmal zu kritisch gegenüber der eigenen Partei oder der blau-schwarzen Regierungskoalition erscheint. Westenthalers Anrufe während diverser Live-Sendungen gehören inzwischen zum Kulturgut des Landes.

Der Pressesprecher des grünen Parlamentsklubs Stefan Schennach etwa unterhält seine Zuhörer immer wieder mit der Anekdote, dass Westenthaler am 3. Oktober 2000, ein Jahr nach der folgenschweren Nationalratswahl in Österreich, »genau 22 Mal beim ORF angerufen hat«. Nicht immer kann Westenthaler auf Verständnis am anderen Ende der Leitung hoffen. Unter Mitarbeitern des ORF besonders beliebt ist die Zote von seinem Anruf im Büro des Generalintendanten Gerhard Weiss. Der 62jährige ORF-Chef, ansonsten mit beinahe klischeehafter Wiener Gemütlichkeit ausgestattet, soll von den Beschwerden derart genervt gewesen sein, dass er einfach die eindeutigen Worte »Gehen's doch scheißen«, ins Telefon gemurmelt und aufgelegt haben soll.

Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen stellt in ihrem jüngsten Bericht fest, dass die ständigen Versuche der Partei, eine kritische Berichterstattung über die Freiheitlichen zu verhindern, ein ernstliches Problem darstellen. Ansonsten kümmert sich Reporter ohne Grenzen eher um Regime in der Dritten Welt. Dass Österreich in diesem Bericht erwähnt wird, wirkte wie ein Schock. Minutiös listet die in Paris ansässige Institution die Einschüchterungsversuche der blau-schwarzen Regierung gegenüber dem ORF und der Presse des Landes auf und zitiert den Redakteursrat des ORF mit den Worten, inzwischen habe der »von der Regierung ausgeübte Druck auf die ORF-Redaktionen ein unerträgliches Ausmaß« erreicht.

Dabei beschränken sich die Freiheitlichen nicht mehr darauf, öffentlich gegen die »linken Redakteure« des ORF zu poltern. Manchmal haben Westenthaler und sein politischer Freund Andreas Kohl, der Klubobmann der konservativen Volkspartei (ÖFP), auch Erfolg mit geschickteren Interventionen: Nach einem Anruf Kohls beim ORF änderten Redakteure die Formel »Sanktionen der EU-Mitgliedsstaaten gegen die Bundesregierung« um in die agitatorische Formulierung »EU-Sanktionen gegen Österreich«.

Aber nicht nur der staatliche Rundfunk gerät unter Druck, auch die Presse ist massiven Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Reporter ohne Grenzen zufolge haben die Freiheitlichen eine regelrechte Prozesslawine gegen kritische Zeitungen im Lande losgetreten. Gegen das Nachrichtenmagazin News hat die FPÖ nach Auskunft von News-Chef Wolfgang Fellner in den vergangenen acht Jahren rund 100 Prozesse angestrengt, gegen die Wiener Stadtzeitung Falter laufen zwölf Prozesse. Gegen die Nachrichtenmagazine profil und Format haben die selbst ernannten Medienwächter der FPÖ jeweils 20 Klagen eingebracht. Kläger war in den meisten Fällen ein Mann, der jetzt in der Hierarchie der Republik ganz oben steht: Justizminister Dieter Böhmdorfer. Bevor er den Ministerposten übernahm, war er als Anwalt für Jörg Haider tätig.

Keine Einwände hingegen hatte Böhmdorfer gegen die Neuordnung des österreichischen Zeitschriftenmarkts, der eine international wohl einzigartige Konzentration aufweist. In der vergangenen Woche billigte die österreichische Justiz die Bildung eines flächendeckenden Magazin-Kartells. Der News-Verlag und der trend-profil-Verlag schlossen sich zusammen zum wohl zukunftsträchtigsten Medienkonzern der Republik: Die politischen Wochenmagazine profil und Format, das Wirtschaftsmagazin trend, die Illustrierte News, die Fernsehzeitschrift tv-media und die New-Business-Postille e-media erscheinen in dem neuen Großverlag. In seinem aktuellen Jahresbericht stellt das renommierte Salzburger Institut für Kommunikationswissenschaft daher eine neuerliche »Drehung der ðKonzentrationsschraubeÐ auf dem Medienmarkt« fest. Dabei hätte Justizminister Böhmdorfer die Möglichkeit gehabt, gegen dieses Kartell seinen Widerspruch einzulegen, er verzichtete aber darauf und sorgte so dafür, dass die Fusion, gegen die auch renommierte Rechtsexperten Bedenken angemeldet hatten, schließlich ohne Komplikationen vollzogen wurde.

Nach den jüngsten Zensurskandalen verspricht sich Böhmdorfer von dieser Geste offenbar eine gewisse Zurückhaltung der Medien gegenüber seiner Person und der Politik seiner Partei. Und es scheint so, als könnte das Kalkül des Justizministers aufgehen.

Selbst dem staatlichen Fernsehen war einer der größten Umbrüche in der österreichischen Medienlandschaft lediglich eine Kurzmeldung in den Abendnachrichten wert. »Wenn man über den Einfluss des Vollmondes auf den Baumwuchs berichtet, darf ich mir auch hier mehr erwarten«, kritisierte der grüne Medienexperte Stefan Schennach den Umgang des ORF mit dem Thema.

Schennach sollte sich vom öffentlichen Rundfunk allerdings nicht zu viel Unabhängigkeit erhoffen.Nicht nur, dass die größte Tageszeitung des Landes, die Neue Kronen Zeitung, und der ORF neuerdings in einer Art medialem Konkubinat leben. Bei der Ski-WM in St. Anton teilten sich der staatliche Sender und das einflussreichste Blatt des Landes schon mal das offizielle Austria-Haus.