Euro oder Dollar in Südamerika?

Run auf den Mercosur

George Bush jr. schickt sich an, den Traum seines Vaters vom grenzenlosen Freihandel auf dem amerikanischen Kontinent zu verwirklichen. Während sein Vorgänger William Clinton vom letzten Gipfel der amerikanischen Staatsoberhäupter 1998 in Santiago de Chile außer Absichtserklärungen wenig mitbrachte, fährt der neue US-Präsident am Wochenende dem Vernehmen nach mit einem unterschriftsreifen Vertrag nach Quebec.

Dessen Inhalt sorgt jedoch nicht nur für die unübersehbaren Unstimmigkeiten zwischen Brasilien und den USA, er ist auch weitgehend unklar. Denn bisher wurde der Vertragsentwurf der Öffentlichkeit vorenthalten. Eines ist jedoch unzweifelhaft: George Bush ist auf offene lateinamerikanische Märkte weitaus stärker angewiesen als Clinton, dessen Amtszeit mit einem historisch einmaligen Wirtschaftsboom zusammenfiel. Der ist jetzt ganz offensichtlich vorbei und ganz gleich, ob der konjunkturelle Rückschlag in den USA stärker oder schwächer ausfällt, der Außenhandel wird zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Zwar ist die US-Volkswirtschaft die größte der Welt und nur ein rundes Zehntel des Sozialproduktes wird mit dem Außenhandel erwirtschaftet. Doch nicht einmal die USA können auf Dauer Handels- und Leistungsbilanzdefizite hinnehmen. Bereits seit Jahrzehnten finanzieren sie ihren Verbrauch mit ausländischen Kapitalimporten. Solange die Zinsen und die Wachstumsraten jedoch über denen der Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt, Japans und der EU, lagen, ließen sich die Löcher problemlos schließen.

Denn US-Anlagen waren schlicht die attraktivsten innerhalb der Triade der größten Weltwirtschaftsmächte. Doch der Vorsprung der USA wird kleiner. Die EU hat aufgeholt, auch in Lateinamerika. Nachdem sie den Subkontinent in den achtziger Jahren als Markt kaum wahrgenommen hatte, hat sich das Bild im letzten Jahrzehnt gewandelt. Und jetzt zeigt die EU Flagge. Für den Mercosur ist sie sogar schon zum wichtigsten Handelspartner avanciert. Ginge es nach der Union, soll der Euro zumindest in den Mercosur-Staaten den US-Dollar als Einflusswährung ersetzen. Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis laufen, ein solcher Vertrag mit Mexiko wurde im vergangenen Jahr bereits unterzeichnet. Aber mehr noch als der realökonomische Vorsprung der EU in Südamerika bildet der Euro die eigentliche Herausforderung für die USA.

Für viele war die gemeinsame europäische Währung bisher zwar kaum ernst zu nehmen. Doch potenziell hat die EU mit ihr den privilegierten Status des US-Dollar als führender internationaler Reservewährung angegriffen. Dass Deutschland seine geliebte D-Mark aufgegeben hat, war durchaus von dem langfristigen Kalkül getragen, nur mit einer europäischen Währung und einem realökonomischen Binnenmarkt dem US-Dollar Konkurrenz machen zu können. Die Stärke des US-Dollar in den letzten Jahren beruhte vorwiegend auf den Wachstums- und Zinsdifferenzen gegenüber Europa und Japan. Wenn sich diese Verhältnisse nun zugunsten der EU ändern, machen sich die jahrzehntelang angehäuften Außendefizite empfindlich bemerkbar, dem US-Dollar droht der Absturz.

Dagegen hilft nur eine Exportoffensive, und dafür braucht Bush offene Märkte. Die Konferenz von Quebec wird nur ein Ansatzpunkt sein, die nächste Runde der Welthandelsorganisation (WTO) ein anderer. Denn eines ist gewiss: Die Wachstumsimpulse, die vom US-amerikanischen Binnenmarkt ausgehen, werden während der Amtszeit Bushs weit schwächer sein als in der Ära seines Vorgängers.