Waffenschmuggel der palästinensischen Autonomiebehörde

Ein Schiff wird kommen

Wieder einmal wurde die Palästinensische Autonomiebehörde bei der illegalen Aufrüstung ertappt.

Nachdem die israelische Marine am 3. Januar im Roten Meer den Waffenfrachter »Karine A« aufgebracht hatte, war man in offiziellen israelischen Kreisen enttäuscht. Nicht von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und ihrem Vorsitzenden Yassir Arafat, den man bereits nach den letzten größeren Terroranschlägen im Dezember für »irrelevant« erklärt und unter Hausarrest gestellt hatte. Dass Arafat dementieren würde, damit etwas zu tun zu haben, hatte die israelische Regierung wohl erwartet. Auch dass Ägypten, vor dessen Küste die Waffenlieferung beschlagnahmt wurde, bestenfalls die israelische Darstellung, es habe sich um eine Waffenlieferung für die PA gehandelt, anzweifeln würde, dürfte vorherzusehen gewesen sein. Enttäuschend für die israelische Regierung und die Medien waren vielmehr die Reaktionen aus den USA. So hieß es sogar in der linksliberalen Ha'aretz, es liege am Antisemitismus der Medien, dass trotz der »James Bond-Elemente« - »Entern eines Waffenschmugglerbootes auf hoher See durch ein Kommando« - CNN, die New York Times und andere große Nachrichtenagenturen und wichtige Tageszeitungen »keinen Versuch« machten, die »dramatische Story« aufzuklären. Da auch Washington zögerlich bei der Verurteilung der Palästinenser sei, könne Arafat sich ermutigt fühlen.

In der Tat hielt sich die US-Regierung mit einer Verurteilung zunächst zurück. Über die Gründe stellte Janine Zacharia in der Jerusalem Post unter Berufung auf israelische Diplomaten Mutmaßungen an. Jenseits der Möglichkeit, dass die US-Regierung tatsächlich nicht von der israelischen Version überzeugt gewesen sei, habe man in Washington möglicherweise gefürchtet, in der arabischen Welt durch eine vorschnelle Verurteilung erneut als einseitig pro-israelisch zu erscheinen und außerdem Ariel Sharon einen Grund zu geben, die PA durch drastische Maßnahmen weiter in Bedrängnis zu bringen. So verzichtete Israel erst einmal auf derartige Maßnahmen, um zunächst die Bush-Administration von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen.

Der israelischen Darstellung zufolge war der 4 000-Tonnen-Frachter im Besitz der PA und sein Kapitän, Omar Akawi, ein Oberst der PA-Marine. Beladen war das Schiff mit 50 Tonnen zum Teil hochmoderner Rüstungsgüter, darunter Katjusha-Raketen, Maschinengewehre, Mörsergranaten, Minen, Anti-Panzer-Raketen, Schlauchboote nebst Taucherausrüstungen sowie C4-Plastiksprengstoff.

Die Fracht stamme aus dem Iran und sei mindestens 15 Millionen Dollar wert. Die »Karine A« sollte sie durchs Rote Meer und den Suezkanal verschiffen, danach sollte sie auf kleinere Boote umgeladen werden, die dann weiter zum Gaza-Streifen hätten schippern sollen. Neben dem Iran war auch ein Hisbollah-Verbindungsmann involviert, doch die Organisatoren waren hochrangige PA-Offizielle. Demnach hat ein griechischer PLO-Vertreter, Adel Mughrabi, auch bekannt als Adel Awdallah, den Deal im Auftrag von Juma'a Ghali, dem Leiter der palästinensischen Küstenwache, und dessen Stellvertreter, Fathi Razam, eingefädelt.

Fuad Shubaki, der Finanzdirektor der palästinensischen Sicherheitsdienste, soll mit einer größeren Geldsumme nach Ägypten gereist sein, um dort Beamte zu bestechen und so die Passage des Frachters durch ägyptische Gewässer zu ermöglichen. Nach einem Bericht des Online-Magazins Debkafile war sogar der Chef des PA-Sicherheitsdienstes im Gazastreifen, Mohamed Dahlan, am Schmuggel beteiligt.

Angesichts der geschilderten Umstände und des Umfangs der Lieferung wirken Beteuerungen hochrangiger palästinensischer Politiker wie Saeb Erekat und Achmed Qurei, dass die PA und Arafat mit der Angelegenheit nichts zu tun hätten, nicht besonders glaubwürdig. Dies sahen nach wenigen Tagen auch die USA so. In scharfer Form verlangte US-Außenminister Colin Powell von Arafat eine Erklärung.

Daraufhin begann wieder einmal die von Arafat hinlänglich bekannte Salamitaktik. Am Anfang der vergangenen Woche bot er großzügig die Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission an und stritt dabei weiter jede Beteiligung oder Mitwisserschaft ab. Eine Woche später teilte die PA mit, man habe Mughrabi und Shubaki zwecks Vernehmung festgenommen, nach Razam werde gefahndet. Mittlerweile hatte auch die US-Regierung konstatiert, dass die vom israelischen Geheimdienst Mossad vorgelegten Beweise für eine Beteiligung der PA stichhaltig seien. Eine direkte Verantwortung Arafats mochten die USA, vermutlich aus Angst vor einer weiteren Beschädigung des PA-Vorsitzenden, indes nicht sehen.

Auch die verschiedentlich geäußerte Vermutung, die Waffen seien für die libanesische Hisbollah bestimmt gewesen, ist nicht sehr stichhaltig. Iranische Lieferungen an die Schiiten-Miliz werden normalerweise problemlos über Syrien in den Libanon gebracht. Hätte die »Partei Gottes« diesmal den Seeweg gewählt, wäre die Verstauung der Ladung in Schwimmcontainern nicht notwendig gewesen, da sie problemlos in einem libanesischen Hafen hätte gelöscht werden können. Die Schwimmcontainer deuten hingegen darauf hin, dass die Ladung vor der Küste Gazas ins Meer geworfen und dann von Fischerbooten aufgesammelt werden sollte.

Dubios ist auch die Rolle Ägyptens. So heißt es in dem bereits erwähnten Bericht von Debkafile, dass Ägyptens Außenminister Achmed Maher vor allem deshalb Israels Darstellung so heftig widersprach, um von der Rolle seines eigenen Landes abzulenken. Schließlich sei es nicht besonders wahrscheinlich, dass ein 4 000-Tonnen-Frachter durchs Rote Meer und den Suezkanal fährt und danach in einer zeitaufwändigen Aktion die Ladung vor Alexandria umlädt, ohne dass die ägyptische Armee und die Sicherheitsdienste von all dem etwas mitbekommen.

Daher hat auch die Vermutung, ägyptische Beamte seien bestochen worden, etwas für sich. Zudem sagte der Kapitän der »Karine A« in einem Interview, sein Schiff habe sich in ägyptischen Gewässern befunden, als es von der israelischen Marine aufgebracht wurde. Sollte das stimmen, ist es seltsam, dass dies von der ägyptischen Regierung nicht skandalisiert wurde.

Eine andere Version der Hintergründe lieferten am Sonntag israelische Zeitungen. Demnach hieß es aus israelischen Sicherheitskreisen, Arafat habe im Sommer 2001 Kontakte mit dem religiösen Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei aufgenommen, um sich besser mit Waffen zu versorgen. Der Iran wolle demzufolge seinen Einfluss in den Palästinensergebieten erhöhen. Die Verbindungen seien hinter dem Rücken Kairos zustande gekommen, Ägyptens Präsident Hosni Mubarak werde »Arafat den Messerstich in den Rücken nicht verzeihen«.

Derweil sind aus vorgeblich kritischen palästinensischen Kreisen aufschlussreiche Überlegungen zu den - gemäß den Osloer Verträgen illegalen - Versuchen, an schwere Waffen zu kommen, zu vernehmen. So sagte der Publizist Daud Kuttab der französischen Agentur AFP, dass die PA in der jetzigen Lage das Recht zu Waffenkäufen habe.

Der Meinungsforscher Rassan Khatib ergänzte, dass die PA-Führung nach den Ereignissen der letzten Monate das Recht habe, sich für eine Fortsetzung militärischer Auseinandersetzungen zu rüsten. Allerdings sei die PA in ihrer öffentlichen Darstellung zu defensiv: »Die hätten sagen sollen, dass sie das Recht haben, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.«