München rüstet sich für die Nato-Sicherheitskonferenz

Kessel im Anmarsch

München rüstet sich für die Nato-Sicherheitskonferenz. Tausende Polizisten sollen Ausschreitungen wie in Genua verhindern - oder provozieren.

München droht das Chaos«, warnte die Münchner Abendzeitung in der vergangenen Woche. »Vor dem Hintergrund der blutigen Straßenschlachten beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua« bereite sich die Münchner Polizei derzeit auf »ein extrem heißes erstes Februar-Wochenende vor«. Das Konkurrenzblatt, die tz, hatte schon im November die »Angst vor einem zweiten Genua« geschürt. »Denn gewaltbereite Chaoten wollen die Sicherheitskonferenz in der Innenstadt massiv stören. (...) 'Von Genua nach München' heißt ihr brutaler Aufruf im Internet. Darin werden die Teilnehmer als Kriegstreiber verunglimpft«, ereiferte sich die tz und druckte daneben ein großes Foto von den Todesschüssen auf Carlo Giuliani.

Die Gewaltvisionen der Boulevardpresse passen der bayerischen Staatsregierung ins Konzept. Schon Wochen vor der Münchner Nato-Sicherheitskonferenz, zu der am 1. und 2. Februar 200 hochkarätige Militärs, Politiker und Industrielle erwartet werden - darunter auch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld -, gießen die Polizei und das Innenministerium kräftig Öl ins Feuer. »Ein breites Bündnis von Linksextremisten, einschließlich gewaltbereiter Autonomer, hat zu Aktionen aufgerufen«, warnt der Sprecher des Innenministeriums Christoph Hillenbrand. Und der Planungsstabsleiter der Polizei, Josef Straßer, ergänzt: »Radikale Globalisierungsgegner könnten die Sicherheitskonferenz vor dem Hintergrund der Militärschläge in Afghanistan für Krawalle wie zuletzt in Genua nutzen.«

Die Absicht dieser Stimmungsmache ist klar: Jeglicher Protest gegen die Sicherheitskonferenz soll diffamiert und kriminalisiert werden. Nur so lässt sich rechtfertigen, dass die Münchner Innenstadt für die Dauer der Konferenz zu weiten Teilen abgeriegelt und das Demonstrationsrecht eingeschränkt wird.

Mit mindestens 2 000 Beamten werde man im Einsatz sein, hat die Polizei angekündigt. Der Tagungsort, das Nobelhotel »Bayerischer Hof«, wird weiträumig abgesperrt, rund um die bayerische Landeshauptstadt sollen mehrere »Abschirm-Ringe« errichtet werden, um Demonstranten abzufangen. Wahrscheinlich wird auch das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt, in dem der freie Grenzverkehr garantiert ist.

Nach dem Vorbild Österreichs, das im letzten Jahr zum Weltwirtschaftsforum in Salzburg vorübergehend erstmals wieder Grenzkontrollen einführte, wollen auch die Bayern ausländische Nato-Gegner am liebsten gleich an der Grenze wieder nach Hause schicken. Und dass die von den Konferenzgegnern angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen in der Münchner Innenstadt genehmigt werden, ist ebenfalls noch nicht ausgemacht.

In Bayern hat man eigene Vorstellungen davon, wie man am besten mit unliebsamen Störern umgeht. 1992 erlangte der Münchner Kessel weltweite Berühmtheit. Damals wurden knapp 1 000 Menschen, die friedlich gegen den Weltwirtschaftsgipfel demonstrierten, stundenlang von der Polizei eingekesselt. Ihr Vergehen: Sie hatten Sprechchöre gerufen und dabei auch Trillerpfeifen eingesetzt. Dass einige der Demonstranten durch Schlagstöcke schwer verletzt wurden, rechtfertigte der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl (CSU) mit dem sprichwörtlich gewordenen Verweis auf die »bayerische Art«, wonach es im Freistaat eben üblich sei, auch einmal etwas fester hinzulangen.

Trotzdem ist die polizeiliche Gewalt für die Münchner Medien kein Thema - ebenso wenig wie die militärische Gewalt, über die die Teilnehmer der Nato-Sicherheitskonferenz am komfortablen Konferenztisch plaudern werden. Seitdem die Fachkonferenz 1962 unter dem Namen »Wehrkundetagung« erstmals veranstaltet wurde, haben sie die Nato-Partner immer wieder gerne dazu benutzt, abseits von Parlamenten und dem politischen Tagesgeschäft ihr Vorgehen abzustimmen und neue Strategien zu entwickeln.

In den sechziger Jahren standen noch der deutsche Griff nach der Atombombe sowie der Konflikt zwischen den US-Amerikanern und dem auf Unabhängigkeit von den USA pochenden gaullistischen Frankreich im Mittelpunkt der Konferenz. Anfang der achtziger Jahre wurde in München der Nato-Doppelbeschluss zur nuklearen Aufrüstung Westeuropas strategisch wie propagandistisch vorbereitet. In den neunziger Jahren schließlich plante die inzwischen in »Sicherheitskonferenz« umbenannte Tagung die Ausweitung der Nato in Richtung Osten sowie ihren Umbau vom Verteidigungs- zu einem weltweit operierenden Angriffsbündnis. Zum 40jährigen Jubiläum hat man sich nun den »Krieg gegen den Terror« vorgenommen.

Doch nicht die Kriegsplanungen der Nato stehen derzeit im Zentrum des Interesses. Als das Bündnis gegen die Sicherheitskonferenz - ein Zusammenschluss von rund 100 Gruppen, der von diversen Antifas über die Buko und die PDS bis zu Attac und dem Münchner Friedensbündnis reicht - in der vergangenen Woche die geplanten Aktionen auf einer Pressekonferenz vorstellte, wollten die versammelten Pressevertreter nur eines wissen: Was das Bündnis denn gegen »gewaltbereite Autonome« unternehmen werde? Die Antwort fiel deutlich, wenn auch wenig befriedigend für die anwesenden Journalisten aus. »Unsere Erfahrung zeigt, dass die Gewalt bei derartigen Veranstaltungen stets von der Polizei ausgeht«, so Bündnis-Sprecher Hans-Georg Eberl. »Stellen Sie also die Frage nach der Gewalt lieber der Polizei.«

Trotz der von der Polizei und den Medien aufgeheizten Atmosphäre wollen sich die Gegner der Konferenz nicht einschüchtern lassen. Unter dem Motto: »Stoppt die Kriegspolitik der Nato! Gegen das Treffen der Weltkriegselite!« sind zahlreiche Veranstaltungen geplant, darunter sowohl Vorträge und Podiumsdiskussionen als auch - passend zur Jahreszeit - ein »Carnival against Nato«, der am Samstag, den 2. Februar, auf dem Jakobsplatz steigen soll.

Der Höhepunkt der Gegenveranstaltungen wird am selben Tag ab 12 Uhr eine Großdemonstration sein, die mitten durch die Münchner Innenstadt laufen soll. Bereits am Vortag soll auf dem Marienplatz gegen den offiziellen Empfang protestiert werden, den Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz im Alten Rathaus bereiten will. Die Forderung des Bündnisses, den Empfang abzusagen, hat Ude erwartungsgemäß abgelehnt, ebenso den Antrag, öffentliche Gebäude als Schlafplätze für die auswärtigen Demonstranten zur Verfügung zu stellen.

Probleme mit der Unterkunft werden die im »Bayerischen Hof« versammelten Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes sicherlich nicht haben. Dass sie angesichts der zu erwartenden Polizeipräsenz überhaupt etwas von den Gegenaktionen mitbekommen, darf bezweifelt werden. Horst Teltschik, der Veranstalter der von der Herbert-Quandt-Stiftung des BMW-Konzerns finanzierten Sicherheitskonferenz und einstige außenpolitische Berater des Bundeskanzlers Helmut Kohl, findet es dennoch »unerträglich, dass es in einer Demokratie nicht möglich ist, eine Fachkonferenz durchzuführen«. Er sagte der Süddeutschen Zeitung: »Wenn jemand für Frieden ist und gleichzeitig Gewalt anwendet - dann spricht das für sich.« Teltschik muss es ja wissen.

Weitere Infos unter www.buko24.de/nato.htm