FPÖ-Referendum gegen tschechisches Atomkraftwerk

Tschechien? Nein danke!

Mit dem Referendum gegen das tschechische AKW Temelin schürt die FPÖ antislawische Ressentiments.

Die heftige Kritik kam ausgerechnet vom eigenen Regierungschef. Es wäre »geradezu fahrlässig«, wenn sich Österreich mit dem Volksbegehren selbst ins Abseits stellte, erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am vergangenen Wochenende. In einem Brief hatte er seine Parteifreunde von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) gewarnt, das Referendum zu unterstützen.

Die Abfuhr galt dem in dieser Woche stattfindenden Volksbegehren, das Schüssels Koalitionspartner, die Freiheitliche Partei (FPÖ), initiiert hat. Die FPÖ droht darin mit einem Veto gegen den tschechischen EU-Beitritt, wenn das AKW in Temelin weiterhin am Netz bleiben sollte.

Der Streit um Temelin belastet zwar schon seit langem das Verhältnis zwischen Österreich und Tschechien. Doch die Beziehungen verschlechterten sich erst kurz nach dem Antritt der rechtskonservativen Regierung in Wien im Februar 2000 deutlich, insbesondere weil die FPÖ die so genannten Benes-Dekrete zu einem innenpolitischen Thema machte.

Für die FPÖ-Klientel ist die Enteignung und Vertreibung der vor 1945 überwiegend nationalsozialistisch eingestellten deutschsprachigen Bevölkerung des so genannten Sudetenlandes ein noch immer ungesühntes Verbrechen. Für die patriotische Wählerschaft der Partei boten die Diskussionen um das Dekret zudem einen willkommenen Anlass, gegen die Ost-Erweiterung der EU zu wettern.

Die deutschnationale Propaganda der FPÖ ging allerdings nicht nur den anderen EU-Staaten zu weit, sondern auch dem eigenen Koalitionspartner. So musste die FPÖ einen anderen Vorwand finden, um sich gegen den tschechischen EU-Beitritt zu wehren. Sie entdeckte ihre Chance in den Protesten gegen das grenznahe Atomkraftwerk Temelin.

Für die Bürgerinitiativen, die sich in der oberösterreichischen Plattform gegen Atomgefahren zusammengeschlossen hatten, spielten die antitschechischen Ressentiments nur eine untergeordnete Rolle. Ihre spektakulärsten Aktionsformen bestanden ausgerechnet in Grenzblockaden am ehemaligen Eisernen Vorhang. Der FPÖ wurde es daher leicht gemacht, sich in die lokalen Proteste gegen Temelin einzuschalten.

Sogar das einfache Parteimitglied Jörg Haider begab sich für Pressefotos immer wieder an die Orte des Protests. Regelmäßig waren Transparente der FPÖ während der Grenzblockaden zu sehen. Ihre Kampagne gegen Temelin wurde von der Kronenzeitung, die für ihre rassistischen, homophoben und antisemitischen Ausfälle bekannt ist, unterstützt.

Die Agitation der FPÖ gegen Temelin nahm noch zu, als die Partei im vergangenen Jahr nach einigen Schlappen bei Landtagswahlen unter Druck geraten war. In der Folge versuchte sie, wieder ein eigenes Profil zu gewinnen. Seit einigen Monaten wirft sie dem Koalitionspartner vor, im Streit um Temelin zu kompromissbereit zu sein.

Schließlich mobilisierte die FPÖ für ein Volksbegehren, in dem der EU-Beitritt Tschechiens an die Zukunft von Temelin gebunden wurde, die für eine parlamentarische Behandlung notwendige Zahl von 100 000 Unterschriften für das Referendum wird in dieser Woche wohl zustande kommen.

Doch dieser erste Erfolg allein wird der FPÖ wenig nützen. Tatsächlich haben alle Volksbegehren der Nachkriegszeit, bis auf eine Ausnahme, diese Hürde überwinden können. Um den Antrag im Nationalrat zu behandeln, würden aber auch die Stimmen einiger FPÖ-Abgeordneter genügen. Der eigentliche Sinn des Volksbegehrens besteht daher in der Mobilisierung der Öffentlichkeit. Damit die Kampagne für die Freiheitlichen nicht peinlich endet, müsste das Volksbegehren mindestens von einer halben Million Wahlberechtigter unterschrieben werden.

Ob dieser Erfolg der FPÖ beschieden sein wird, ist durchaus fraglich. Obwohl sie seit Wochen versucht, das Volksbegehren als überparteiliches Unternehmen darzustellen, hat sich bisher weder eine andere Partei, noch eine einzige bedeutende Umweltorganisation das Anliegen der FPÖ zu Eigen gemacht.

Nur die Kronenzeitung mobilisiert seit Wochen mit Schlagzeilen auf der Titelseite für das Begehren der FPÖ. Bekannte Persönlichkeiten wie Niki Lauda, Dagmar Koller oder der Musikantenmoderator Karl Moik werben seit Mitte Dezember in der Krone für eine Unterschrift. Andere Prominente wie Tobias Moretti oder Barbara Schett behaupten mittlerweile, von der Zeitung missbraucht worden zu sein. Sie seien zwar gegen das AKW Temelin, aber nicht, wie das Boulevardblatt schrieb, für das Volksbegehren.

Gegen das Referendum mobilisieren die Ökologische Linke und die Rosa Antifa Wien, gemeinsam mit einigen Infoläden, der grünalternativen Jugend und anderen linken Gruppen. In landesweit verbreiteten Plakaten und Flugblättern machen sie deutlich, dass bei diesem Volksbegehren »nicht über Temelin entschieden wird, sondern die FPÖ damit von ihrer mehr als fragwürdigen Bilanz als Regierungspartei« ablenken möchte. Das »Kind hat in Wirklichkeit einen ganz anderen Namen. Es heißt nicht Temelin, sondern Benes-Dekrete«, heißt es in dem Aufruf weiter.

Auch sämtliche bedeutenden Umweltschutzorganisationen Österreichs haben sich öffentlich gegen das Volksbegehren ausgesprochen. »Die FPÖ missbraucht mit ihrem Temelin-Volksbegehren das einzige Mittel der direkten Demokratie, das den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich zur Verfügung steht, für ihre parteipolitischen Zwecke«, erklärte Alexander Egit, der Kampagnenleiter von Greenpeace in Wien. Die größte österreichische Umweltschutzorganisation, Global 2000, distanziert sich ebenso vom Volksbegehren wie der WWF.

Nicht ganz so ablehnend äußert sich die Plattform gegen Atomgefahren. Die Bürgerinitiativen erklärten, dass sie »zu diesem Temelin-Volksbegehren keine Empfehlung zur Abstimmungsentscheidung (...) für die Bevölkerung« geben. Die ÖsterreicherInnen seien mündig genug, »selbst zu entscheiden, was sie wollen und für richtig halten«.

In ihrer Erklärung kritisieren sie ausschließlich die mangelnde Entschlossenheit der Freiheitlichen in der Antiatompolitik, nicht aber den antitschechischen Charakter des Volksbegehrens. »Die österreichische Bevölkerung sieht das Veto-Volksbegehren scheinbar als eine der letzten Chancen eines demokratischen deutlichen Bürgervotums gegen Temelin. (...) Die Bürgerstimmen für dieses Volksbegehren und gegen Temelin können daher nicht als Stimme für die FPÖ demontiert werden«, heißt es in der Erklärung.

Die deutlichste Zustimmung für das Begehren kommt jedoch aus der oberösterreichischen Grenzregion. In den Dörfern des Mühlviertels, zwischen der Donau und der tschechischen Grenze, sind zahlreiche Anti-Temelin-Plakate angebracht worden. In dieser traditionell konservativen Region fürchten sich viele nicht nur vor möglichen radioaktiven Wolken aus dem Norden, sondern auch vor der tschechischen Bevölkerung.

Dort fiel die Kampagne der FPÖ und der Krone auf weit fruchtbareren Boden als im restlichen Österreich. Ob die Unterschriften aus der Grenzregion für ein erfolgreiches Referendum ausreichen, bleibt aber fraglich. Denn mittlerweile hat sich die FPÖ in den Medien zu ihrer effizientesten Gegnerin entwickelt.

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider ist seit einigen Wochen vor allem mit seinem Feldzug gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beschäftigt (Jungle World, 3/02), derzufolge in allen Orten mit mehr als zehn Prozent slowenischsprachiger Bevölkerung zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden sollen. Haider hat damit das Lieblingsthema der eigenen Partei aus der Öffentlichkeit verdrängt.

Den Stammwählern der FPÖ wird es aber vermutlich egal sein, ob die Partei nun gegen Tschechen oder Slowenen ins Feld zieht. Das nationale Herz hat schließlich mit beiden noch offene Rechnungen zu begleichen.