Muhammad Ali, das ist beinahe unstrittig, besitzt das bekannteste Gesicht dieses Planeten. Auf diesem Planeten findet sich allerdings auch Riesa in Sachsen. Dort findet am Freitag, den 28. Juni die deutsche Premiere des großen Ali-Films mit Will Smith in der Hauptrolle statt, und Ali reist extra dorthin.
In den USA läuft der Film schon eine Weile mit großem Erfolg, und erzählt wird dort das Leben des ehemaligen Box-weltmeisters in etwa so, wie er selbst es sieht. Das ist nicht selbstverständlich, denn das bekannteste Gesicht des Planeten gehört ja nicht unbedingt zum beliebtesten Menschen, auch wenn sich bei Ali in den letzten 40 Jahren vieles in Richtung Anerkennung, Respekt und Sympathie bewegt hat.
Zum Glück gibt es jedoch kurz vor der Heiligsprechung des Mannes noch ein paar Autoren, die, ohne seine boxerische und gesellschaftliche Leistung schmälern zu wollen, an ein paar Dinge erinnern. Der amerikanische Sportjournalist Mark Kram, lange Zeit Boxexperte des renommierten Magazins Sports Illustrated, hat mit »Ghosts of Manila« ein Buch vorgelegt, dass Ali Rassismus vorwirft.
Am eindruckvollsten argumentiert Kram mit der Person Joe Frazier. Ihn nannte Ali einen »Gorilla«, Frazier sei »zu hässlich, Weltmeister zu werden«. Nicht nur Frazier, auch George Foreman, Sonny Liston, ja selbst das Boxgenie Joe Louis wurden von Ali als »Onkel Tom« beschimpft. Joe Frazier hat es Ali nie verziehen, bis heute spricht er nur abfällig von ihm.
Kram zeichnet den jahrzehntelangen Kampf dieser beiden starken Männer nach, die sich dreimal im Ring gegenüberstanden: einmal gewann Frazier, einmal siegte Ali klar, und einmal, beim »Thrilla in Manila« 1975, hielt Ali wenige Sekunden länger durch als Frazier und gewann.
Krams Kritik, die sorgfältig und schön formuliert ist, wird von dem Kölner Journalisten Markus Jodl aufgegriffen und weiter getrieben. Sein Verdienst ist es, diese, wenn man so will, etwas andere Sicht auf Ali auch im deutschen Sprachraum zu verbreiten, aber das im Untertitel verkündete Programm »Versuch einer Demontage« geht doch weiter, als es Ali verdient hat.
Ganz anders, Krams Kritik nur sehr vorsichtig verarbeitend und vor allem den großen Blick auf Alis Gesamtwerk nicht verlierend, nähern sich die Hamburger Journalisten Harald Krämer und Fritz K. Heering dem Phänomen Ali. Ihnen gelingt es, sowohl die Person als auch das Symbol Ali genau zu betrachten und nicht das eine mit dem anderen zu verwechseln.
Die jüngere Kritik an Ali verfolgt vor allem das ehrenwerte Ziel, Joe Frazier zu rehabilitieren. Aber wäre es da nicht glaubwürdiger, ihn endlich mal nicht als Opfer Alis darzustellen? Lieber wird nämlich mit Ali ein Schwarzer, dessen Anteil an der gesellschaftlichen Emanzipation kaum unterschätzt werden kann, geprügelt, als dass man einem Mann wie Frazier Gerechtigkeit widerfahren ließe.
Vielleicht sind ja Alis Auftritte in aller Welt, die ihn sogar bis nach Riesa führen, so etwas wie Bußgänge.
Markus Jodl: Muhammad Ali: Black Superman? Versuch einer Demontage. Hürth: CME-Verlag 2002, 144 Seiten. 12,73 Euro
Mark Kram: Ghosts of Manila. The Fateful Blood Feud Between Muhammad Ali and Joe Frazier. New York: HarperCollins 2001, 232 Seiten. Ab 24 Euro
Harald Krämer und Fritz K. Heering: Muhammad Ali. Reinbek: rororo Monographie 2001, 160 Seiten. 8,50 Euro