Christoph Then, Mitarbeiter von Greenpeace, zum Patentrecht

»Die Currywurst ist keine Erfindung«

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat am 10. Juni beim Europäischen Patentamt ein Patent auf die Currywurst beantragt. Damit will die Organisation darauf aufmerksam machen, dass es die Patentrechtlinie des europäischen Patentamtes Unternehmen ermöglicht, sich statt Erfindungen immer häufiger Entdeckungen patentieren zu lassen: vollständige Pflanzen, Gene von Tieren oder Menschen. Christoph Then ist Mitarbeiter von Greenpeace.

Wollen Sie Gerhard Schröder seine Currywurst wegnehmen?

Es hat tatsächlich etwas mit Gerhard Schröder zu tun, denn er ist ein bekennender Anhänger der Currywurst. Wir wollen die Öffentlichkeit darüber informieren, dass mit der Patentierung von Entdeckungen, also von Dingen, die eigentlich gar keine Erfindungen sind, der Gemeinschaft etwas weggenommen wird. So lassen sich Konzerne Wissen patentieren, das auf so genanntem traditionellen Wissen beruht, zum Beispiel das Wissen um Heilpflanzen aus Staaten der Dritten Welt, aus Afrika oder Lateinamerika. Die Konzerne erklären dieses Wissen zu ihrer eigenen Erfindung, gehen damit zum Patentamt und verlangen ein exklusives Verwertungsrecht.

Die Currywurst ist auch keine Erfindung. Aber wir haben das technische Verfahren, in dem sie hergestellt wird, erfinderisch beschrieben, so dass das Europäische Patentamt unsere »Erfindung« eigentlich patentieren müsste, wenn derselbe Maßstab angelegt wird wie derzeit bei Patenten auf genetische Ressourcen. Den unwahrscheinlichen Fall angenommen, dass das Patentamt uns das Patent auf die Currywurst erteilt, könnte Greenpeace die gesamte kommerzielle Verwertung der Currywurst kontrollieren, wobei ich bezweifle, dass wir das tun würden. Wir wollen nur zeigen, dass diese Praxis im Grunde nichts anderes ist als Abzockerei, als versuchter Diebstahl, und das muss gestoppt werden.

Welche sind denn die erstaunlichsten Beispiele für erteilte Patente auf Entdeckungen?

Es ist zum Beispiel eine Maissorte patentiert worden, die traditionell in Mexiko angebaut wird und die einen bestimmten Ölgehalt hat. Die ganze Pflanze wurde patentiert, im Grunde so, wie sie auf dem Acker steht, ohne technische Veränderung. Nachdem Greenpeace Einspruch dagegen eingelegt hat, zog auch die mexikanische Regierung nach, weil das nichts anderes ist als die Aneignung von nationalem Eigentum.

Patentiert wurden auch menschliche Gene, von denen bekannt war, wo man sie im Erbgut suchen muss und welche Funktion sie haben. Davon hat die Gesellschaft keinen Nutzen, sondern im Gegenteil einen großen Schaden. Auch die Wirtschaft hat insgesamt keinen Nutzen davon. Durch die Patente wird die wirtschaftliche Entwicklung eher gehemmt als gefördert.

Warum wünscht man sich dann gerade auf Seiten der Wirtschaft diese Patente?

Es gibt durchaus Vertreter der Wirtschaft, die sagen, dass die Patente zu weit gehen. Wer sich viel davon verspricht, das ist die pharmazeutische Industrie. Sie versucht, Teile des Genoms von Menschen oder Pflanzen zu ihrem Eigentum zu erklären. Es gibt aber auch in diesem Bereich Verbände, die nicht der Meinung sind, dass man diese Genpatente unbedingt braucht, um Forschung und Entwicklung zu betreiben. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller ist eigentlich sehr isoliert im Moment.

Greenpeace behauptet, diese Patentierungsrichtlinie würde auch die Forschung behindern. Inwiefern?

Viele Forscher lassen davon ab, mithilfe eines bestimmten Gens ein neues diagnostisches Verfahren oder ein Arzneimittel zu entwickeln, wenn sie erfahren, dass ein Patent auf dieses Gen erteilt worden ist. Sie wissen, dass über die Verwertung ihrer Arbeit dann letztlich eine Firma entscheiden würde.

Der Bundestag wollte in der vorigen Woche über die Umsetzung der Gen-Patenrichtlinie »Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen« entscheiden. Doch die Entscheidung wurde in die kommende Legislaturperiode verschoben. Greenpeace hat gefordert, dass diese EU-Richtlinie nicht in nationales Recht verwandelt wird. Warum?

Mit dieser Richtlinie wird die Grenze zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung systematisch verwischt. Menschliche Gene, die Gene von Pflanzen und Tieren, oder Mikroorganismen und auch ganze Pflanzen können danach patentiert werden, obwohl es sich nicht um Erfindungen handelt. Doch Gene dürfen nicht geistiges Eigentum irgendeiner Firma werden. Wir wollen, dass in Europa klare Standards gesetzt werden und dass unmissverständlich ausgeschlossen wird, dass das Ergebnis der Evolution zum Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit umdefiniert wird. Da befinden wir uns im Einklang mit vielen anderen Institutionen, wie etwa der Ärztekammer, dem Bauernverband oder dem Europarat.

Ist in diesem Bereich das nationale, deutsche Recht restriktiver?

Das deutsche Recht verbietet die Patentierung von Pflanzensorten und Tierarten und die Patentierung von Entdeckungen. Die EU-Richtlinie würde das deutsche Recht an dieser Stelle so aushöhlen, dass diese Verbote der Patentierung keinen Bestand mehr hätten. Das wäre eine deutliche Verschlechterung.

Sie haben Verbraucherschutzministerin Renate Künast aufgefordert, sich für eine Überarbeitung der Patentrichtlinien des EU-Patentamtes einzusetzen. Haben Sie darauf eine Antwort erhalten?

Es gibt die Zusage, dass Frau Künast in Brüssel dazu einen Vorstoß unternehmen will, wobei nicht ganz klar ist, auf welcher Ebene das erfolgen wird. Wir müssen jetzt, da die Entscheidung verschoben wurde, die Zeit nutzen, um die Europäische Kommission, die dafür zuständig ist, unter Druck zu setzen. Die Kommission kann nicht mehr darüber hinwegsehen, dass die Mehrheit der Länder der Europäischen Union diese Richtlinie nicht umsetzen will.

Hier steht Greenpeace also hinter der rot-grünen Bundesregierung?

Das ist unterschiedlich. Die Politik war zum Teil konstruktiv, vor allem in Bezug auf die Genpatente. Es gab schon im Oktober 2000 einen Beschluss im Kabinett, dass die Richtlinien in Brüssel überarbeitet werden sollen, aber es gab danach viel zu wenig Bewegung. Das Justizministerium ist als Monolith aufgetreten und hat gesagt, wir müssen diese Richtlinie umsetzen, wie sie ist, und es hat diese Position auch gegenüber jeglicher Kritik aus dem Bundestag verteidigt.

Es gab andererseits das Bemühen von vielen Politikern aus der Regierung, aber auch aus der Opposition, diese Richtlinie umzugestalten, aber es entstand kein einheitliches Bild. Das alles hat letztlich zu einer Pattsituation geführt, sodass die Entscheidung über die Richtlinie verschoben werden musste.

Was erwarten Sie von den Konservativen, wenn sie an die Regierung kämen?

Es kamen Signale von verschiedenen Abgeordneten aus den konservativen Parteien bis hin zur FDP, dass sie die Richtlinie, so wie sie ist, eigentlich nicht umsetzen wollen. Ob eine konservative Regierung in der Frage allerdings dann eine größere Durchschlagskraft entfaltet und sich tatsächlich gegen die pharmazeutische Industrie positioniert, ist offen.

Die Currywurst-Aktion ist ja eindeutig gegen Schröder gerichtet, sonst hätten sie doch das Patent auf den Schweinebraten beantragt.

Die Currywurst ist natürlich sehr auf die gegenwärtige Regierung gemünzt, um das Problem zu veranschaulichen. Wenn Stoiber tatsächlich Kanzler würde, müssten wir uns Gedanken über die Weißwurst machen.