Unmik gegen UCK

Nur ein kleines bisschen kitzeln

Die Kosovo-Übergangsverwaltung Unmik geht neuerdings gegen ehemalige Anführer der UCK vor. Doch wegen deren größten Verbrechen wird nicht ermittelt.

Die UN-Übergangsverwaltung für das Kosovo musste in der vergangenen Woche wieder einmal zur Kenntnis nehmen, dass sie die vom serbischen Joch befreiten kosovo-albanischen Untertanen doch nicht so gut im Griff hat. Bei schweren Auseinandersetzungen zwischen der Kfor und Anhängern der offiziell aufgelösten Guerilla-Organisation UCK wurden in mehreren Städten des Kosovo rund 50 Menschen verletzt. Auslöser der Demonstrationen, an denen sich mehrere Tausend Menschen beteiligten, waren die strafrechtlichen Schritte, die die Justiz der Unmik gegen einige prominente ehemalige UCK-Anführer eingeleitet hat.

Mitte August wurde Rustem Mustafa verhaftet, dem vorgworfen wird, als UCK-Kommandeur fünf Gefangene gefoltert zu haben. Zuvor hatte es Daut Haradinaj getroffen, einen führenden Offizier des Kosovo-Schutzkorps, einer Nachfolgeorganisation der UCK. Er soll für die Ermordung der kosovo-albanischen Familie Hajra im August 2001 verantwortlich sein. Das Familienoberhaupt Hamza Hajra war bis 1999 Polizist in seinem Dorf Vitina und aus Sicht der UCK ein Kollaborateur des Milosevic-Regimes. Auch gegen Dauts Bruder Ramush Haradinaj, den Vorsitzenden der drittgrößten Partei im Kosovo, der Allianz für die Zukunft des Kosovo, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wegen »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit«.

Das erklärte Ziel des Leiters der Übergangsverwaltung, Michael Steiner, ist es, eine unabhängige und schlagkräftige Justiz zu etablieren. Sie soll die Basis eines funktionierenden Gemeinwesens bilden und vor allem garantieren, dass die »ethnische« Zugehörigkeit einer Person nicht länger deren Position vor der Justiz bestimmt.

Noch Ende Juni, also bevor die Unmik-Behörden sich vor den Steinwürfen der protestierenden Kosovo-Albaner ducken mussten, gab sich Steiner während einer Diskussion in Wien optimistisch. »Die Menschen haben inzwischen akzeptiert, dass keiner über dem Gesetz steht.« Eine aus purer Realitätsverweigerung geborene Behauptung. Denn die Menschen im Kosovo haben das Prinzip eben nicht akzeptiert. »Wir werden nicht zulassen, dass der Befreiungskampf der Kosovo-Albaner kriminalisiert wird«, erklärte der kosovo-albanische Premierminister Bajram Rexhepi am Sonntag der vergangegenen Woche und zeigte einmal mehr, auf wie wenig Akzeptanz Steiners Initiative stößt.

Konsequent ist sie ohnehin nicht. Ramush Haradinaj wegen »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit« anzuklagen, gleicht der Verfolgung eines Terroristen wegen falschen Parkens. Denn bei ihm findet sich für die Justiz weitaus mehr als ein solches vergleichsweise läppisches Vergehen.

Bevor der Mann zum Politiker und Parteivorsitzenden avancierte, kommandierte er die Truppen der UCK in seinem Geburtsort Glodjane. Als Einheiten der jugoslawischen Bundesarmee im September 1998 den Ort nach monatelangen Kämpfen zurückeroberten, machten sie einen grausigen Fund. Unweit von Haradinajs damaligem Hauptquartier entdeckten sie in einem Massengrab die Leichen von 39 serbischen Zivilisten und vermeintlich gegenüber Belgrad loyalen Kosovo-Albanern. Dass im Hauptquartier Folterungen mit tödlichem Ausgang stattfanden, bestätigten mehrere Bewohner des Ortes. So sollen im April des Jahres 1998 zwei über 60 Jahre alte Serben für zwei Tage in dem Hauptquartier verschwunden sein, danach fand man sie tot auf der Straße.

Freilich haben solche Marginalien des Befreiungskampfes bisher niemanden interessiert; die Unmik nicht und das Tribunal in Den Haag auch nicht. Würden sie die Morde der UCK untersuchen, könnten sie sich leicht dem Vorwurf aussetzen, nicht nur für ein Ende der serbischen Quälereien, sondern auch für den Beginn der Mordserie der UCK gesorgt zu haben.

Im Fall Glodjane scheint besonders die Unmik eine merkwürdige Rolle zu spielen. Im April dieses Jahres beauftragte das Haager Tribunal ein Pathologenteam unter der Leitung der finnischen Gerichtsmedizinerin Helena Ranta mit der Untersuchung der dortigen Ereignisse. Einige Tage nach dem Auftrag kam die Absage aus Pristina. »Wir haben im April vom UN-Kriegsverbrechertribunal den Auftrag erhalten, die Vorfälle in Glodjane zu untersuchen. Doch als wir uns schon vorbereitet hatten und einsatzbereit waren, intervenierte die Unmik. Sie wollten die Vorgänge selbst untersuchen«, berichtet ein Mitglied des Medizinerteams, das nicht namentlich genannt werden möchte, in einem schriftlichen Statement.

Das scheint umso seltsamer, als die Unmik hoch komplizierte forensische Untersuchungen kaum leisten kann. Experten für solche Aufgaben beschäftigt sie nicht. Entsprechend fällt auch das Ergebnis aus. »Sie haben einige Bilder vom Tatort aufgenommen. Viel herausgekommen ist dabei nicht«, so der Gerichtsmediziner.

Wie unvorbereitet die Übergangsverwaltung ist, zeigt auch die Reaktion auf eine Anfrage der Jungle World an Mechthild Hennicke, die Pressesprecherin Michael Steiners. Zehn Tage lang keine Reaktion, dann die wenig Vertrauen erweckende Antwort: »Wir brauchen noch ein paar Tage Zeit für eine Stellungnahme zu Glodjane, denn eigentlich haben wir hier niemanden, der sich damit auskennt.«

Warum aber der Eifer der Unmik? Weshalb riskiert die Verwaltung, die Untersuchungen eines der grauenhaftesten Massaker im Kosovo-Konflikt zu vermasseln, wenn Experten eigentlich schon unterwegs waren? Ein Schuft, wer da denkt, dass Ramush Haradinaj des besonderen Schutzes der Unmik bedarf, weil er und seine Allianz für die Zukunft des Kosovo einen wichtigen Teil des sich gerade entwickelnden demokratischen Parteienspektrums im Kosovo bilden.

Immerhin finden im Oktober Kommunalwahlen statt. Aber im Wahlkampf den Parteivorsitzenden der drittgrößten Partei einzusperren, würde die Kosovo-Albaner abermals radikalisieren, das könnte die Befürchtung der Unmik sein. Also scheint man zumindest eine Verschleppung der Ermittlungen in Kauf zu nehmen. Unterdessen greift man eben auf die »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit« zurück.

Zwar hat die Unmik vorerst größere Kollisionen mit den kosovo-albanischen Untertanen verhindert. Steiners phänomenales Projekt geht aber unter.