Jeremy Rifkins flüssige Revolution

Energie!

Der Herr mit dem nachsichtigen Lächeln hat eine Mission. Aber er weiß, dass noch nicht alle verstehen können. Und dass andere hoffnungslose Fälle sind. So wie Präsident Bush. Der führt lieber Kriege ums Öl und heizt das Klima weiter auf, als die Wirtschaftsform der Zukunft zu fördern, die hydrogen economy, die H2-Revolution.

Auch ich bin ein hoffnungsloser Fall. Was für ein unerträglich prophetischer Gestus, denke ich beim Lesen von Jeremy Rifkins »H2-Revolution«. Da hat einer eine Ursache für alle Probleme der Erde gefunden, das Öl. Das Öl beschert uns den Treibhauseffekt, steckt hinter den geostrategischen Konflikten, der Ölpreis hat die Entwicklungsländer in die Schuldenfalle getrieben, und die Abhängigkeit vom Öl zementiert die Macht der Multis.

Die Lösung aller Probleme liefert der Prophet natürlich gleich mit: die Wasserstoffwirtschaft. Wasserstoff (H2) lässt sich fast überall aus Wasser herstellen und kann in Brennstoffzellen abgasfrei in Energie verwandelt werden. Und das Beste: Mit Wasserstoff lässt sich eine dezentrale Energieversorgung aufbauen, die Macht der Konzerne brechen, eine gerechtere Welt schaffen.

Was für ein billiger Trick, denke ich. Dass Wasserstoff gar keine Energiequelle ist, sondern nur ein sinnvoller Speicher für z.B. mit Solarzellen erzeugten Strom, eine bessere Batterie, erwähnt Rifkin nur nebenbei. Und warum sollte die Welt gerechter werden, wenn wir bei Esso statt Benzin Wasserstoff tanken? Kein Wunder, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung zur Buchvorstellung lädt. Ich gehe hin.

Rifkin ist auch mit der CDU nachsichtig. Ihre Forderung nach dem Wiedereinstieg in die Kernenergie wird sie sowieso nicht realisieren können. Er wettet darauf, dass sich kein Energiekonzern finden wird, der neue Kernkraftwerke baut. Die Industrie arbeitet lieber an Prototypen von H2-Autos. Auch mit den erneuerbaren Energien, die den Wasserstoff erzeugen sollen, geht es voran. Rifkin prophezeit eine rasante technische Entwicklung wie bei den PCs.

Doch wenn die Wasserstofftechnologie etabliert ist, dann geht der Kampf erst los, der Kampf um die Kontrolle der Energie. You have to fight! Kämpfen wie unsere Großeltern. Sie haben sich in den Gewerkschaften zusammengeschlossen, den Achtstundentag und die Fünftagewoche erkämpft. Wir müssen die Kontrolle über die Energieerzeugung erobern. Jedem seine Brennstoffzelle! Wie im Internet die Information, wird dann im HEW (Hydrogen Energy Web) die Energie von Host zu Host fließen. Zusammengeschlossen in Interessenverbänden der Minikraftwerksbesitzer werden wir der Industrie die Kontrolle über die Energieproduktion entreißen.

Ein utopischer Sozialdemokrat, denke ich und werde nachsichtiger. Aber den Kapitalismus in seinem Lauf, hält den die Brennstoffzelle auf? Vermutlich nicht.

Das scheint auch Rifkin zu wissen. Auch aus den radikaldemokratischen Träumen, die mit dem Internet verbunden waren, ist nichts geworden. Die Dominanz von AOL und Microsoft hat er nicht vorausgesehen. Immerhin, die Kids lassen sich heute nicht daran hindern, Musik und Software zu tauschen, Copyright hin oder her. Rifkin lächelt nachsichtig.

Und ich? Hab' ich was gegen das Internet? Nein.

Jeremy Rifkin: Die H2-Revolution. Campus, Frankfurt/M. 2002, 240 S., 25,50 Euro