Die Bayer AG will sich Pestizidversuche am Menschen genehmigen lassen

Die reine Pest

Die Bayer AG will sich in den USA Pestizidversuch am Menschen genehmigen lassen. In Deutschland sind solche Tests verboten.

Der Natural Resource Defense Council (NRDC), einer der größten amerikanischen Umweltverbände, hat dieser Tage alle Hände voll zu tun. Es gilt, die bisherigen ethischen Standards bei Versuchen am Menschen zu verteidigen. Der Versuch, diese Standards zu verändern, kommt nicht aus dem eigenen Land, sondern aus Deutschland. Die Bayer AG aus Leverkusen stellte Anfang des Jahres einen Antrag auf Zulassung der Pestizidforschung, und die augenblicklich sehr unternehmerfreundlich geführte Environmental Protection Agency (Epa), die staatliche Regulierungsbehörde im Bereich Umwelt, wies ihn bisher nicht zurück. Derzeit wird er von einer Ethikkommission der National Academy of Sciences (Nas) überprüft.

Der Konzern Bayer stellte bereits im August 2001 einen Antrag bei der EPA, in dem der Konzern die generelle Zulassung von Tests zur Risikoanalyse von Pestiziden prüfen lassen wollte. Auch hier ging es um Versuche mit dem Stoff Azinphos-Methyl, einem Pestizid, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als »hoch gefährlich« eingestuft wird. Dabei handelt es sich um einen chemischen Verwandten des ebenfalls von Bayer im Zweiten Weltkrieg entwickelten Giftgases Organophosphat.

Die EPA lehnte den Antrag zunächst ab und verwies auf den »Ban on Use of Human Pesticide Studies« aus dem Jahre 1988. Damals hatte der Leiter der EPA, Lee Thomas, diesen Bann über Pestizidversuche mit Menschen verhängt. Sie seien »unethisch und unmoralisch«.

Dennoch verwundert es nicht, dass Bayer nun einen zweiten Versuch unternimmt. In Deutschland sind Versuche am Menschen generell nur unter sehr strengen Auflagen möglich. Die Erfahrungen mit der Medizin im Nationalsozialismus, als Menschen für die Forschung gequält und ermordet wurden, sind hierzulande noch halbwegs präsent. Und der Bayer-Konzern war an diesen Verbrechen beteiligt. Denn die Bayer AG ging aus der IG Farben hervor, die in Konzentrationslagern an Menschen experimentierte und das Zyklon B zum Massenmord bereitstellte.

Im Nürnberger Kodex von 1947, der das unmittelbare Ergebnis der Nürnberger Ärzteprozesse war, wurde der Rahmen für Forschungen am Menschen zum ersten Mal festgelegt. Der so genannte Informed Consent bildete von nun an die Richtschnur. Er besagt, dass die »freiwillige Zustimmung der Versuchsperson (...) unbedingt erforderlich« ist.

Aber nicht nur die Freiwilligkeit ist ausschlaggebend, sondern auch die umfassende Aufklärung der Versuchspersonen über die Risiken. In den Deklarationen von Helsinki aus den Jahren 1964 und 1983 wurden die Bestimmungen des Nürnberger Kodex aufgenommen und weiterentwickelt. Demnach muss der Versuchsleiter die »geistige und körperliche Unversehrtheit (der Versuchsperson) respektieren«.

Der Nürnberger Kodex ist zwar kein rechtlich bindendes Gesetz, er wurde jedoch bislang von den westlichen Staaten als Maßgabe akzeptiert. Deutschland hält sich relativ eng an diese Bestimmungen, sodass eine Zulassung der von Bayer gewünschten Tests hierzulande sehr unwahrscheinlich wäre. Die Bundesregierung hat auch das europäische Abkommen zur Biomedizin, mit dem die Genehmigung solcher Versuche erleichtert werden soll, bislang nicht unterzeichnet.

Die von Bayer gewünschten Tests am Menschen sollen Rückschlüsse auf die Verträglichkeit der Pestizide gestatten. Den Probanden sollen in regelmäßigen Abständen bestimmte Pestizide wie etwa Azinphos-Methyl verabreicht werden, damit anschließend die Wirkung der jeweiligen Konzentrationen beobachtet werden kann. Eigentlich könnte man sie auch im Tierversuch herausfinden, etwa mit Ratten, doch die Dosierungen sind nicht übertragbar. Was eine Ratte umwirft, könnte beim Menschen nur zu leichten Kopfschmerzen führen.

Die Forscher in den Laboren bei Bayer sind deswegen schon lange an der Ermittlung der für den Menschen kritischen Konzentration interessiert, um nach Möglichkeit die nationalen und internationalen Grenzwerte für Pestizide zu erhöhen. Und sie haben immer wieder Möglichkeiten gefunden, um ihre Forschung auch am Menschen zu betreiben.

Die Strategen in Leverkusen ziehen einen Vorteil daraus, dass Bayer ein multinationaler Konzern ist. So bot sich bereits im Jahre 1998 in Schottland die Möglichkeit, Pestizidtests am Menschen durchzuführen. Acht schottische Studenten erklärten sich bereit, vier Wochen lang für je 1 500 Pfund Entschädigung an der Testreihe mit Azinphos-Methyl teilzunehmen. Die Probanden wurden »zum Abschluss noch einmal untersucht«, wie der Pressesprecher der Bayer AG, Peter Kraus, erklärt. Dann trennten sich die Wege. Die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Scotland fordert inzwischen eine lebenslange Betreuung der Testpersonen durch den Konzern. Schließlich sei noch überhaupt nicht absehbar, ob nicht eventuell Langzeitschäden durch die Einnahme der Pestizide auftreten könnten.

Die britische Gesetzgebung ermöglichte damals diese Versuche. Und nun deutet sich auch in den USA eine Änderung der Rechtslage an. »Wir wissen bis heute noch nicht, woran wir sind. Nach außen hat die EPA diese Versuche abgelehnt, nach innen hat sie z.B. unsere Daten aus Schottland verwendet«, sagt Kraus. Doch knapp 14 Jahre nach dem »Ban on Use« könnte die Verunsicherung der Konzerne bald ein Ende haben. »Wir hoffen, obwohl wir derzeit keine Versuche planen, auf eine klare Stellungnahme der Epa, damit wir in Zukunft wissen, woran wir sind.«

Die Aktivisten vom NRDC finden das Ansinnen von Bayer »empörend und unmoralisch«. Und die deutsche Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) fürchtet die Zustimmung der Ethikkommission der Nas. Sie käme einem »Dammbruch« gleich. »Es würde sich nicht um eine punktuelle, sondern dann um eine generelle Zustimmung handeln«, meint Philipp Mimkes von der CBG. Damit hätte die Strategie der Bayer AG wieder einmal zum Erfolg geführt. Wie 1979, als in Deutschland das Pflanzenschutzmittel DDT verboten wurde und der Konzern den Stoff weiter in Staaten des Trikont exportierte.

Mimkes vermutet, dass Bayer eine Erhöhung der Grenzwerte betreibt, um den Absatz seiner Pestizide zu sichern. Dass der ökonomische Nutzen im Vordergrund steht, lässt sich nicht bezweifeln. »Eine Ablehnung wäre für uns sicher nicht erfreulich. Wir würden einige Anwendungsfelder des Pflanzenschutzmittels verlieren«, gesteht Kraus.