Krise beim FC Kaiserslautern

Der Betze stirbt zuletzt

Dem 1. FC Kaiserslautern droht die Insolvenz. Doch seine Krise ist nur ein Vorbote künftiger Bankrotte.

So schnell kann das gehen: Hatten vor sechs Wochen die Manager des FC Kaiserslautern noch großspurig erklärt, ihr Verein sei finanziell gesund, so steht der Club jetzt schon vor der Insolvenz.

Der designierte FCK-Chef René C. Jäggi verkündete auf einer Art Bilanz-Pressekonferenz am Dienstag letzter Woche ein Desaster: Zu kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von 17,8 Millionen Euro kamen Verluste von 9,4 Millionen Euro bis Juni 2003. Die Zahlungsunfähigkeit des Vereins stand kurz bevor.

Jäggi wurde daraufhin vom Amtsgericht Kaiserslautern umgehend zum Notvorstand bestellt. Der Schweizer nahm sofort die Arbeit auf, nachdem ein Staatsanwalt einige Stunden auf der Geschäftsstelle damit verbracht hatte, den neuen Vorstand detailliert über die Versäumnisse seiner Vorgänger aufzuklären.

Um wenigstens kurzfristig die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten, soll nun der »einzige verwertbare Vermögensanteil« des FCK verkauft werden: die Transfer- und Werberechte am Stürmer Miroslav Klose. Ein Sponsor zahlt dafür fünf Millionen Euro, mit der rheinland-pfälzischen Lotto-Gesellschaft wird ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Spätestens im Sommer 2005, wenn Klose nicht mehr an den FCK gebunden ist, könnte der Stürmer dann den Verein wechseln. Bis mindestens Juni 2004 solle der Nationalspieler aber weiter für Kaiserslautern kicken, erklärte das Vorstandsmitglied Gerhard Herzog, zumal kein aktuelles Angebot von einem anderen Verein vorliege. Weitere Einzelheiten zu diesem Transfer der Transferrechte wurden nicht bekannt gegeben. So bleibt unklar, was zum Beispiel im Fall einer Sportinvalidität geschieht.

Die fünf Millionen Euro aus diesem Geschäft werden dem Traditionsverein, der zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga gehört, jedoch nur kurzfristig weiterhelfen.

So soll der Bundesligakader mittelfristig von 29 auf 23 Kicker reduziert werden, was immer noch viel ist. Im Unterschied zu Kaiserslautern, das sich in dieser Saison mangels Qualifikation für internationale Wettbewerbe auf die Bundesliga konzentrieren kann, hat etwa Bayern München gegenwärtig nur 24 Spieler im Kader und denkt sogar darüber nach, diesen noch zu reduzieren, falls der Verein aus der Champions League fliegen sollte.

Solche eklatante Fehleinschätzungen der eigenen Lage haben beim FCK eine lange Tradition. Lokaljournalisten der Rheinpfalz berichteten immer wieder irritiert, wie selbstherrlich sich die Club-Vorstände benahmen. Luden sie die Presse etwa zum gemütlichen Beisammensein auf die umliegenden Weingüter, sei es völlig selbstverständlich gewesen, dass die Winzer die Kosten für die Bewirtung übernahmen, »die Könige waren ja zu Gast«. Entsprechend selbstherrlich gingen die Manager dann bei der Planung für das WM-Stadion in Kaiserslautern zu Werke. Dass bei dem Großereignis unbedingt auch in der Pfalz gespielt werden würde, stand für sie völlig außer Frage. Dass es wirtschaftlich vielleicht gar nicht so unklug sein könnte, den Umbau des Fritz-Walter-Stadions auf dem Betzenberg über Kreditverträge abzusichern, kam dem früheren Vorstandschef Jürgen Friedrich und dem Aufsichtsrats-Vorsitzenden Robert Wieschemann gleich gar nicht in den Sinn.

47,5 Millionen Euro kostete das ehrgeizige Bauprojekt, davon entfiel auf den Verein ein Eigenanteil in Höhe von 19 Millionen. Den Rest teilen sich die Stadt Kaiserslautern, die für 7,5 Millionen geradesteht, und das Land Rheinland-Pfalz, das 21 Millionen übernimmt.

Das Fritz-Walter-Stadion wurde zum Hauptauslöser der Kaiserslauterer Krise. Weil kein Kredit aufgenommen wurde, musste der FCK 4,8 Millionen aus Eigenmitteln investieren. Das ist fast die Summe, die nun zur Aufrechterhaltung des normalen Geschäftsbetriebes fehlt. Zuvor hatte die Baufirma, der insolvente Holzmann-Konzern, mit dem Abzug seiner Arbeiter von der Baustelle gedroht, wenn ausstehende Gelder nicht umgehend gezahlt würden.

Ein Sanierungskonzept soll jetzt den Fortbestand des 102 Jahre alten Kaiserslauterer Fußballclubs garantieren. Jäggi machte in seiner ersten Pressekonferenz deutlich, dass »harte Wochen am Betzenberg« bevorstünden. »Wir müssen an alles denken. Aber es gibt heilige Kühe. Bevor man die schlachtet, muss man mit allen reden«, erklärte Jäggi, der früher Chef des adidas-Konzerns war, und schloß ausdrücklich nicht aus, dass es zu Gehaltskürzungen oder -aussetzungen sowie zu Kündigungen kommen könne. Selbst der Verkauf des Fritz-Walter-Stadions sei durchaus vorstellbar.

Die nächsten vier Wochen seien entscheidend, dann stehe auch fest, »ob es zum Crash kommt«. In der Zwischenzeit arbeiten der Verein, das Land Rheinland-Pfalz , die Banken und die Stadt Kaiserslautern an einem Finanzkonzept. Bei den Geldinstituten will Jäggi veränderte Modalitäten durchsetzen, die Tilgungsfristen sollen verlängert, die Zinssätze verringert werden: »Wir benötigen für die Tilgung 15 bis 18 Jahre statt der geplanten zehn.« Das Land solle zudem beim Stadionbau in Vorleistung treten.

Bis zur verschobenen Wahl des neuen Aufsichtsrates am 5. November wird außerdem der Abschluss eines Baukreditvertrages erwartet. »Es geht um Insolvenz, wenn die Kreditverträge mit den Banken für den Stadionumbau nicht unterschrieben werden«, sagte Jäggi. Könne mit den Geldinstituten in dieser Zeit keine Einigung erzielt werden, »müssten Privatleute ihre Schatulle öffnen, sonst ist es aus, dann sind wir zahlungsunfähig.« Denn: »Wir sind ein Sanierungsfall.«

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erklärte jedoch bereits, dass das Land es so weit nicht kommen lassen werde. Landesbürgschaftsähnliche Vereinbarungen sollen bereits bestehen.

Dabei kommen die richtig schweren Zeiten für den FC Kaiserslautern und die anderen Erstligisten wohl erst noch. Heribert Bruchhagen, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), erklärte unlängst der Stuttgarter Zeitung, die Liga steuere womöglich auf die größte Krise ihres 40jährigen Bestehens zu. Erst im nächsten Frühjahr würden sich die Auswirkungen der Kirch-Pleite auf die Vereine richtig zeigen. Dann nämlich stehen die Lizensierungsverfahren für die Saison 2003/2004 an.

So zahlt die insolvente Kirch-Media in den zwei Jahren bis 2004 rund 240 Millionen Euro weniger als vorgesehen an Fernsehgeldern aus, pro Club macht dies rund 14 Millionen weniger in der Kasse.

Die Träume der DFL-Verantwortlichen, sich halt das Geld anderswo zu besorgen, dürften mittlerweile vollständig geplatzt sein. Weder für die Rechte an Übertragungen im Internet noch für die Nutzung per UMTS fanden sich Investoren. Und die privaten Radiosender, die man statt der Öffentlich-Rechtlichen gern mit der Übertragung der Ligaspiele beauftragt hätte, winken ab: Zu teuer, zu viel Aufwand.

So bleibt den Bundesligisten zunächst nur, an den eigenen Ausgaben zu sparen. Beobachter entdeckten jedoch schon erste Anzeichen dafür, dass es einigen Vereinen wohl weit schlechter geht, als sie zugeben. Während der Verzicht der Bayern auf den eigenen Mannschaftsbus bei den Champions-League-Spielen noch als »Kosmetik« gewertet wird, deuten sie zum Beispiel die Abschaffung der Siegprämien für die Spieler des VfB Stuttgart als »ernst zu nehmendes Warnsignal«.