Innenministerkonferenz in Bremen

Noch schneller abschieben

Die Innenministerkonferenz in Bremen hat im Dienste der Sicherheit viele unsympathische Beschlüsse gefasst.

Alles in Ordnung?«, fragte ein breites Bündnis linker Gruppen auf dem Flugblatt zur gleichnamigen Anti-Law-and-Order-Kampagne. Die InitiatorInnen richteten sich an die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK), die am 5. und 6. Dezember in Bremen stattfand. Das ordnungs- und sicherheitspolitische Treffen beschäftigte sich unter dem Vorsitz des Bremer Innen-, Kultur- und Sportsenators Kuno Böse (CDU) mit zahlreichen Bedrohungen des staatlichen Sicherheitsempfindens. Neben den üblichen Verdächtigen wie Ausländern, politisch unliebsamen Gruppierungen im Allgemeinen und islamistischen Terroristen im Speziellen rückten auch ungewöhnliche Themen in den Blick der Landesinnenminister. So waren unter anderem die Rolle von Ärzten als Abschiebehindernis und die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch alkoholisierte Sportsfreunde Schwerpunkte der Beratungen.

Nicht in Ordnung finden die Innenminister, dass sich immer noch Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in Deutschland aufhalten. Während auf der letzten Konferenz im Juni dieses Jahres die freiwillige Rückkehr von Minderheiten ins Kosovo angemahnt wurde, beschäftigten sich die Minister nun mit dem gewaltsamen Rauswurf der Flüchtlinge. »Probleme bei der Rückführung von Ausländern«, wie es in der Pressemitteilung heißt, mache nach wie vor die UN-Verwaltung im Kosovo (Unmik), die sich gegen Massenabschiebungen von Flüchtlingen ausspreche. Sie könne die Sicherheit der Menschen nicht garantieren.

Die meisten der ungefähr 30 000 betroffenen Menschen sind Roma, die im ehemaligen Jugoslawien extremer Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Länderminister appellierten an Bundesinnenminister Otto Schily, mit mehr Nachdruck von Michael Steiner, dem Leiter der Unmik, ein Verfahren zur schnellen Abschiebung der Roma ins Kosovo zu fordern.

Ein von den Roma und unterstützenden Gruppen gefordertes Bleiberecht schloss die Ministerrunde generell aus. Berlins Innensenator Ehrhart Körting zog seinen Antrag auf eine Altfallregelung für Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien zurück, den er noch während der Besetzung der Berliner PDS-Zentrale angekündigt hatte. Die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen sei »kein Einwanderungstatbestand«, erklärte Schily auf der abschließenden Pressekonferenz, und eine Integration der Menschen sei nicht das Ziel dieser »Maßnahme auf Zeit«.

Kuno Böse ging in der rassistischen Logik noch weiter, indem er die Ablehnung des Bleiberechts für die Roma damit begründete, es mindere die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung, in Zukunft Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Dass dies zumindest bei einigen BürgerInnen gar nicht mehr möglich ist, zeigte sich am Rande einer Demonstration von 200 Roma und staatenlosen Flüchtlingen aus dem Libanon für ihr Bleiberecht. Eine Frau rief, man solle sie alle abschieben. Nur 50 Meter weiter war die informelle Ministerrunde dabei, sich um die Erfüllung dieses Wunsches zu bemühen.

Das neue Zuwanderungsgesetz weist mit der Einführung der so genannten Ausreisezentren in ganz Deutschland in diese Richtung. Eines der letzten Ärgernisse bei der ansonsten erfolgreich beschleunigten Abschiebepraxis sollte im Zuge der Gespräche ebenfalls beseitigt werden. Der Gesundheitszustand einiger Flüchtlinge verhinderte in der Vergangenheit deren Abschiebung, weil Ärzte in ihren Gutachten eine Suizidgefahr oder lebensbedrohliche körperliche Erkrankungen attestierten.

Das wird in Zukunft kaum noch möglich sein. Schily betonte, dass die Entscheidung über eine Abschiebung allein bei den Behörden liege. Künftig soll medizinischen Abschiebehindernissen dadurch zuvorgekommen werden, dass eine Krankheit oder eine drohende Lebensgefahr schlicht nicht mehr erfasst werden. Die entsprechenden Gutachten hätten sich auf die Feststellung der »Flugreisetauglichkeit« zu beschränken.

Die Bundesärztekammer, ansonsten liberaler Neigungen unverdächtig, reagierte empört, ihr Geschäftsführer Christoph Fuchs kritisierte das geplante Vorgehen scharf. Für Unfrieden sorgten hier vor allem die Initiativen einiger Bundesländer, sich zwecks einer Beschleunigung des Verfahrens einen »Pool« willfähriger Mediziner zuzulegen. Kuno Böse versuchte jedoch auf der Pressekonferenz, die Wogen vorerst zu glätten: »Darüber ist nicht gesprochen worden.«

Ein weiterer Tagesordnungspunkt war das ausdrückliche Lob der Landesinnenminister an den Bundeskollegen, die Erfassung biometrischer Daten in »ausländerrechtlichen« Dokumenten in Angriff genommen zu haben.

Die Rede von der gefährdeten inneren Sicherheit nach dem 11. September 2001 musste immer wieder als Argumentationshilfe herhalten. So bekam der Katastrophenschutz ungeahnte Aufmerksamkeit, da von einer akuten terroristischen Bedrohung ausgegangen werden müsse, spätestens seit Ussama bin Laden auf seinem neuesten Tonband die Bundesrepublik Deutschland erwähnt habe.

Auch der Einsatz der Bundeswehr ist ein beliebtes Thema der Ordnungshüter. Im Gespräch sind vorerst Aufgaben im Rahmen des Objektschutzes. Derzeit befinde man sich jedoch noch im »Dissens« über die innenpolitische Rolle des Militärs, so der hessische Innenminister Volker Bouffier. Gegner der Aufgabenerweiterung bekamen ausgerechnet vom Bundesinnenminister Unterstützung. Schily sah in einem erweiterten Einsatz der Bundeswehr vor allem eine »unzulässige Kostenverschiebung«, da es sich um Polizeiaufgaben handele.

Um eine Ausweitung des »Anlasstatenkataloges« ging es auch beim Thema DNA-Analyse. Dieses vormals mit schweren Bedenken belegte Sonderverfahren, das seine Legitimation in der Identifikation von Sexualstraftätern finden musste, habe sich bewährt, so die einhellige Meinung der Sicherheitsstrategen. Von einer Überprüfung des Verfahrens war keine Rede mehr. Vielmehr ersuchte die Konferenz den Bundesinnenminister, die Möglichkeiten einer Erweiterung zu überprüfen.

Außerdem habe man sich von den Verantwortlichen des Bundeskriminalamtes, des Bundesministeriums für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes über die aktuelle Bedrohung Deutschlands unterrichten lassen. Auf die Nachfrage, ob auch über die zweifelhafte Rolle von V-Leuten gesprochen wurde, erwiderte Böse geheimnisvoll, das sei »praxisnah« entschieden worden.

Die Eintracht der Minister sollte nicht durch Demonstrationen beschädigt werden. Die Kundgebung »gegen die herrschende Ordnung« durfte weder in der Nähe des Aufenthaltsortes der Innenminister noch in der von Weihnachtseinkäufern belebten Innenstadt stattfinden. Mit ihrer zentralen Forderung nach einem Bleiberecht für Flüchtlinge stellten die 1 000 Demonstranten, dem Polizeiaufgebot nach zu urteilen, eine echte Bedrohung dar.

Die Ordnungsbüttel waren an jenem Tag schon zu ihrem Demonstrationsrecht gekommen. Im Rahmen der Verdi-Demonstration zu den Tarifverhandlungen wurden busseweise Polizeigewerkschafter angekarrt. Grüne Fähnchen schwenkend, zogen 5 000 Polizisten vom Tagungsort in die Innenstadt, selbstverständlich unbegleitet. Kundgebungen dieser Art meinte Bouffier wohl nicht, als er von einer geplanten Einschränkung des Versammlungsrechts sprach, da die Gerichte immer wieder Kundgebungen genehmigten, mit denen man nichts zu tun haben wolle.