Keine Frage

Ist unser Kommunikationskanzler wirklich kommunikativ?

Wir saßen in unserer kleinen Pizzeria und mussten einer jungen Frau am Nebentisch zuhören, die zwei noch jüngeren Männern die Welt erklärte und bevor diese etwas hätten einwenden können, jeden möglichen Einwand vom Resopaltisch wischte: »… keine Frage … keine Frage … keine Frage …«

Es ist doch seltsam, dachte ich dabei, dass unsere Jungwähler Kohl freiwillig, Schröder aber unfreiwillig imitieren. Jeder hergelaufene Kabarettkunde konnte für seine feixenden Freunde den »Mantel der Gechichte« wehen lassen, aber derselbe Fatzke macht sich Schröders »keine Frage« zu Eigen, als ob er der schmidtsche Macher persönlich wäre. Kohl regierte ein Volk von Kabarettisten, Schröder eines von Papageien. Kohl war der Machtmensch, Schröder ist der Medienkanzler, dieser gilt als umgänglich, jener als Aussitzer.

Dabei bezeichnet keine Phrase besser als »keine Frage« den imperialen Anspruch eines, der keine Fragen duldet. Er duldet die Fragen der anderen nicht, stellt und beantwortet sie deshalb selbst; nie gab sich die Blasiertheit kommunikativer. Schröder am 11. September 2002 auf N 24: »Es geht natürlich um diplomatischen Druck, das ist doch gar keine Frage.« Am 24. Januar auf RTL: »Niemand hat doch ein Interesse daran, einen Diktator im Amt zu halten. Das gilt übrigens für alle Diktatoren. Also, wenn sich der Konflikt so (Exilierung der Familie Hussein, S.R.) lösen ließe, was aber wahrscheinlich schwierig ist, dann wäre das eine Lösung, gar keine Frage.« Am 29. Januar im »Heute-Journal«: »Es wird eine sehr enge Abstimmung mit Frankreich geben, und natürlich werden wir jeden Versuch unternehmen, so eng wie möglich zusammenzubleiben. Das kann doch gar keine Frage sein.« Auf die Frage, was ihm die Antikriegsdemonstrationen bedeuten, am 28. März bei Phoenix: »Genugtuung nicht, ich sage es noch einmal, und schon gar nicht Anflüge von Selbstgerechtigkeit, aber Bestätigung einer Politik schon, gar keine Frage.« 3Sat, 3. April: »Ich nehme allerdings für mich in Anspruch, dass die Position, die ich einnehme und die ja von so vielen Menschen geteilt wird, ihre Moralität in sich trägt – das ist gar keine Frage.« 10. April, RTL: »Vordringlich ist die Versorgung der Bevölkerung. Das ist sicher in erster Linie die Verantwortung derer, die als Alliierte diesen Krieg geführt haben. Das ist gar keine Frage.«

Keine Frage, gar keine Frage, überhaupt gar keine Frage. Diese Redeweise wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Geht es ihm um diplomatischen Druck? Hält er den Sturz von Saddam für eine Lösung? Will er mit Frankreich eng zusammenbleiben? Sieht er die Antikriegsdemonstrationen lediglich als Bestätigung? Trägt seine Position ihre Moralität in sich? Liegt die Nachkriegsordnung in erster Linie in der Verantwortung der coalition? Diese Fragen lassen sich, gerade weil er sie grundsätzlich bejaht, allesamt glatt mit Nein beantworten. Aber jedem, der noch Fragen hat, bedeutet er, auch ihm legten sich manchmal wie Bettlerinnen auf dem Boulevard Fragen in den deutschen Weg, doch sei er Manns genug, über sie hinwegzustiefeln.

stefan ripplinger