Road Map, Road Blocks

Theoretisch ist die amerikanische »Straßenkarte« ein brauchbarer Friedensplan. Aber noch gibt es viele Hindernisse. von michael borgstede, tel aviv

Den Anfang machte US-Außenminister William Rogers bereits 1969 mit dem nach ihm benannten Friedensplan, doch ihm und auch den folgenden amerikanischen Initiativen war kein Erfolg beschieden. Die nun veröffentlichte Road Map gibt zwar nicht nur allgemeine Ziele, sondern eine Abfolge konkreter Schritte an. Aber auch ein guter Friedensplan kann nur mit der Kooperation der Beteiligten verwirklicht werden.

In der Road Map heißt es: »Die Palästinenser erklären bedingungslos ein Ende der Gewalt und des Terrorismus und unternehmen deutlich sichtbare Schritte, um Einzelpersonen und Gruppen von gewaltsamen Angriffen auf alle Israelis abzuhalten, ihre Aktivitäten zu stören und sie festzunehmen.«

Nach der Übergabe der Road Map an Premierminister Ariel Sharon und den neuen palästinensischen Premier Machmud Abbas hatten beide Seiten nicht einmal genügend Zeit, um offiziell zu reagieren, bevor ein Selbstmordattentäter sich vor einer gut besuchten Bar am Strand von Tel Aviv in die Luft jagte. Hätte der obligatorische Sicherheitsmann den Attentäter nicht am Betreten der Bar gehindert, wären erheblich mehr als drei Todesopfer zu betrauern.

Auch so war die Botschaft der Hamas und der anderen Terrororganisationen nicht misszuverstehen: Verhandlungen sind mit ihnen nicht zu machen. Doch Abbas hegt weiterhin die Illusion, die Extremisten zur Einsicht bewegen zu können, und versucht, einen Waffenstillstand mit ihnen auszuhandeln.

In der Road Map heißt es: »Die israelische Regierung unternimmt keine Aktionen, die das Vertrauen der Palästinenser untergraben könnten. Dazu gehören Ausweisungen, Angriffe auf Zivilisten, die Beschlagnahme und / oder Zerstörung palästinensischer Häuser und palästinensischen Eigentums.«

Doch nach dem Attentat in Tel Aviv wollte Israel nicht stillhalten. Bei einem Einfall in den Gazastreifen wurden dreizehn Palästinenser getötet, darunter zwei Kinder. Die gesuchten Hamas-Mitglieder verschanzten sich in einem Haus und beantworteten die Aufforderung der Soldaten, Frauen und Kinder freizulassen, mit den Worten: »Jeder wird hier als Märtyrer sterben! Auch die Kinder!« Diese Tatsache fand aber in europäischen Zeitungen keine große Beachtung. Auch dass die Armee das Haus nicht bombardierte, sondern stürmte, um die Zivilisten zu schonen, wurde nicht erwähnt. Und hätten die Israelis nicht am selben Tag im Westjordanland drei potenzielle Selbstmordattentäter mit zehn Kilogramm Sprengstoff im Rucksack festgenommen, wären jetzt wahrscheinlich schon wieder Tote zu beklagen.

Trotzdem machen derartige Aktionen es Machmud Abbas unmöglich, seine Sicherheitsdienste gegen Terroristen vorgehen zu lassen. Sonst würde er zum israelischen Kollaborateur, und Kollaborateure werden am nächsten Baum aufgeknüpft. Israel aber wird nicht auf Abbas’ guten Willen hoffen, seine Aktionen auf palästinensischem Gebiet aufgeben und so mit dem Leben seiner Bürger spielen.

In der Road Map ist die »Ernennung eines temporären (palästinensischen) Premierministers oder Kabinetts mit Entscheidungskompetenzen« vorgesehen. »Alle palästinensischen Sicherheitsdienste werden zu drei Diensten zusammengeschlossen und unterstehen einem ermächtigten Innenminister.«

Tatsächlich galt Yassir Arafats erste Order nach der Vereidigung der neuen Regierung deren Entmachtung. Einen Nationalen Sicherheitsrat rief er ins Leben, der die Befehlsgewalt über die Sicherheitsdienste erhalten solle. Nicht der bei Arafat unbeliebte Sicherheitsminister Mohammed Dahlan wird sie kontrollieren, sondern ein von Arafat geleitetes Komitee, dem neben Abbas und Dahlan auch die Arafat-Vertrauten Hani al-Hassan, Abu Sarah und Tawfik al-Tirawi angehören.

Ohnehin hat Arafat sich außer den drei in der Road Map erwähnten Sicherheitsdiensten noch zwei persönliche erhalten. Die Force 17 und der Allgemeine Geheimdienst unterstehen ihm direkt und sind Dahlan keinen Gehorsam schuldig. Dass Arafat seiner neuen Regierung bei jeder Gelegenheit in den Rücken fallen wird, hat er somit gleich deutlich gemacht.

In der Road Map heißt es: »Die israelische Regierung evakuiert alle illegalen Siedlungsaußenposten, die seit März 2001 errichtet wurden«.

Von zwölf zur Evakuierung vorgesehenen Außenposten sind bisher zwei geräumt worden. Beide waren unbewohnt. Um weitere Evakuierungen unmöglich zu machen, haben die Siedler begonnen, den Palästinensern das Land abzukaufen, auf dem die Außenposten errichtet wurden, und diese damit zu »legalisieren«.

In einigen Fällen sollen die Verkäufer auf Kosten der Siedler außer Landes, zum Beispiel nach Südamerika, geflogen worden sein, da mit Anschlägen auf ihr Leben zu rechnen war. Nach Angaben der Siedler ist es aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation heute leichter als je zuvor, Palästinenser zum Verkauf ihres Landes zu bewegen.

Noch unterscheidet sich die Realität sehr von der Road Map. Dennoch ist in diesen Tagen überall zu hören, die Chancen für eine friedliche Lösung das Nahostkonfliktes seien heute besser denn je. Das ist sicher richtig. Gut sind sie deshalb noch lange nicht. Um wirklichen Fortschritt zu erzielen, ist vor allem unnachgiebiger Druck der Amerikaner auf beide Konfliktparteien notwendig.

Denn mit den Europäern ist nicht zu rechnen. Auf einer Konferenz in Rhodos haben die europäischen Minister einmal mehr beschlossen, dass Arafat doch eine wichtige Rolle im Friedensprozess spielen soll. Dabei hat er mittlerweile zur Genüge bewiesen, dass es ihm mehr um seinen Machterhalt als um einen Ausgleich mit Israel geht. Ob Bush aber zu einem langfristigen Engagement bereit ist, bleibt unklar.

Innenpolitisch könnte zu großer Druck auf Israel ihn in Schwierigkeiten bringen. 313 Abgeordnete des amerikanischen Kongresses haben den Präsidenten dazu aufgefordert, nicht zu viele Forderungen an Israel zu stellen, bevor die Palästinenser ihren Aufgaben nachgekommen sind, und 89 der 100 Senatoren baten ihn darum, »tatsächliche Fortschritte abzuwarten«. Im nächsten Jahr stehen Wahlen bevor, und der Präsident wird weder die jüdische noch die proisraelische Lobby der christlichen Fundamentalisten gegen sich aufbringen wollen.

Doch schon so manches Mal hat Bush für Überraschungen gesorgt. Hätten die antisemitischen Verschwörungstheoretiker Recht, wäre die Road Map in dieser Form niemals veröffentlicht worden.