Steigern, Union!

Bei eBay ist ein früherer Fußballzweitligist im Angebot, genauer: seine Marketingrechte. Aber wer will schon mit Union Solingen reich werden? von elke wittich

So weit wie Union Solingen hat es medial wohl kaum jemals ein deutscher Fußballviertligist gebracht – jedenfalls ohne einen nennenswerten sportlichen Erfolg erreicht zu haben.

Die Kicker aus dem Bergischen Land schafften es in der letzten Woche nämlich in die internationale Presse, und obwohl sie dort eher auf den bunten Seiten landeten, auf denen die lustigen Geschichten aus aller Welt vermeldet werden, so sind sie jetzt doch immerhin global bekannt. Wenn auch durch eine arg verkürzte Geschichte: »Deutscher Amateurverein wird bei eBay versteigert« lauteten die Union Solingen betreffenden Schlagzeilen sinngemäß, zumindest in den bekannten westeuropäischen Sprachen.

Die Wahrheit war jedoch, wie so oft bei solchen Geschichten, weit profaner. Und natürlich auch viel komplizierter. Nix war es mit der Internet-Ersteigerung eines kompletten Vereins und seiner kickenden Angestellten. Auktioniert wurde lediglich das Recht, den Clubnamen Union Solingen zu vermarkten. Der potenzielle Käufer bekäme jedoch, so war es im Kleingedruckten vermerkt, auch Pflichten aufgehalst: Er müsste zusätzlich für die derzeit noch offenen Forderungen an den 1999 in Liquidation gegangenen Verein aufkommen, die sich derzeit auf immerhin mehr als 210.000 Euro belaufen. Und weil sich Marketingrechte ohne vermarktbares Objekt nicht so richtig rechnen, wäre es natürlich auch Sache des glücklichen Ersteigerers, den Spielbetrieb der A-Mannschaft aufrechtzuerhalten. Das wird definitiv nicht billig: Zwischen Gesamterlösen und Kosten klafft zum Beispiel in der jetzigen Saison eine Lücke von rund 100 000 Euro.

Ebay, von unzufriedenen Usern aufgrund seiner Gebühreneinnehmefreudigkeit gern Epay genannt, zeigte sich mit der Union-Solingen-Auktion jedoch bereits nach wenigen Tagen äußerst unzufrieden. Aufgrund angeblicher rechtlicher Bedenken nahm man das Angebot heraus. Die potenziellen Bieter seien über die Folgekosten nicht umfassend genug informiert worden, erklärte ein Justiziar des Online-Anbieters, was den ehemaligen Rechteinhaber und -versteigerer, den Solinger Unternehmer Olaf Becker, nicht beeindruckte. Bei mehr als 200 000 Euro habe die Auktion zuletzt gestanden, die Aktion sei daher ein voller Erfolg, erklärte er und kündigte an, alles dafür zu tun, damit bald wieder eine neue eBay-Runde stattfinden könne.

Pleiten von unterklassigen Fußballvereinen zeichnen sich grundsätzlich durch zwei feste Komponenten aus. Zum einen gibt es immer einen Hauptfinanzier, der irgendwann keine Lust mehr hat, in einen derart untalentierten und unambitionierten Haufen zu investieren. Ebenfalls sehr wichtig ist ein Geschäftsführer, der nicht etwa auf ausgeglichene Bilanzen achtet, sondern Höheres im Sinn hat und darauf vertraut, dass in allernächster Zukunft ein Wunder passiert und nicht nur die Massen ins Stadion strömen, sondern auch pausenlos aufgestiegen wird.

Warum der Solinger Hauptfinanzier Olaf Becker plötzlich keine Lust mehr hat, die unionierten Kicker zu sponsern, ist nicht bekannt. Und letztlich auch egal: Bereits am 9. April habe er den Verein über seine Rückzugspläne informiert, mithin hätten die anderen Verantwortlichen jede Menge Zeit gehabt, sich über das Danach Gedanken zu machen, lässt Becker über die Lokalpresse verbreiten. Die Solinger Funktionäre behaupten jedoch beinahe komplett das Gegenteil, und schon ist man in der schönsten Schlammschlacht. Jedenfalls potenziell: Für eine Lokalpresse, deren sportliche Schlagzeilen an normalen Wochenenden »Fußball-Verbandsliga: FCR in Richrath« oder »Weite Schläge Golf: Jugendturnier in Dreibäumen« oder »Handball-Bezirksliga: Brisante Abstiegskämpfe in Lüttringhausen und Rade« lauten, müsste so eine Fußballvereinspleite eigentlich ein absolutes Geschenk sein. Das Solinger Tageblatt hält sich jedoch in dieser Affäre bemerkenswert diskret zurück.

Das liegt vielleicht daran, dass Union Solingen mit der ebenfalls für Pleiteclubs unabdingbaren dritten Komponente nicht glänzen kann oder will. Wann immer ein deutscher Fußballverein von der Insolvenz bedroht ist, wird die Geschichte bemüht. Als ob ein spezielles Bundesgesetz Deutsche Meister des Jahres 1920 oder Beinahe-Pokalsieger von 1975 automatisch vor dem Bankrott schütze.

Union Solingen, und das macht den Verein beinahe sympathisch, hat jedoch bisher noch nicht auf die Historie gepocht. Das mag daran liegen, dass der Aufstieg in die Zweite Bundesliga am Ende der Saison 1974/75 unzweifelhaft den Höhepunkt des bisherigen sportlichen Wirkens darstellt. 1989 wurde dann wieder abgestiegen, und dazwischen lagen lange Jahre voll kickerischer Langeweile und einmal eine große Kulisse: 16 800 Menschen sahen Union Solingen 1985 im Viertelfinale des DFB-Pokals. Genutzt hat’s nichts, Mönchengladbach gewann mit 2:1, und schon war die historische Chance, mal was Großes im Fußball zu leisten, vorbei.

Nun, ein paar hunderttausend Euro Schulden später, wird das sicher von Einigen als echtes Pech gesehen, denn so ein Bild eines früher mal gewonnenen Pokals würde sich auf Bettelbriefen vielleicht ganz prima machen.

Dabei verfügt Union Solingen noch über ganz anderes Kapital. Richtige Fans. Manche hatten schon zu Beginn der eBay-Auktion zu bedenken gegeben, dass die Versteigerung außerhalb des Bergischen Landes wohl nur als riesengroßer Gag gesehen werden könnte. Fakebieter sind bei eBay nämlich durchaus gang und gäbe, was nichts daran ändert, dass der Anbieter zunächst einen bestimmten Prozentsatz als Abgabe an das Unternehmen zahlen muss. Bei einem sechsstelligen Betrag käme da eine Menge zu Zahlendes zusammen, warnten die Solingen-Supporter, zumal selbsternannte Spaßvögel mit gefälschten Accounts gern an spektakulären Auktionen teilnähmen.

Andere, denen das Wohl ihres Vereins am Herzen liegt, freuten sich dagegen. Die Auktion werde Union über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus bekannt machen. Andere Vereine hätten schließlich bereits Ähnliches gestartet. Als Beleg wurde der Fußballzweitligist Union Berlin genannt. Der hatte im letzten Jahr für ein Heimspiel einen Platz auf der Trainerbank versteigert – was sich, in Westdeutschland sicher unbemerkt, im Nachhinein als billiger PR-Akt entpuppt und mit massiver Unzufriedenheit des Ersteigerers geendet hatte, weil der DFB so einen Unsinn untersagt hatte.

Ungeachtet der eBay-Differenzen kündigten die meisten Solingen-Supporter jedenfalls schon an, auch weiterhin zu ihrem Lieblingsclub zu stehen. Gut, manche nutzten das Medieninteresse und boten flugs Auktionen an, in denen sie Schals, Programmhefte oder Originalautogramme anboten, aber die meisten möchten einfach nur, dass es Union Solingen, wenn möglich, auch in der nächsten Spielzeit noch gibt, und bitte in der danach auch noch, und so weiter.

Während sich der Verein derzeit nicht äußert – auf der Webpage ist unter der Rubrik »News« lediglich die aktuelle Wetterprognose für den Heimatort zu finden – ist die Fanszene recht unverhalten-optimistisch. Der im Laufe der Jahre ergraute Supporterclub mit dem eines Awards würdigen und einschlägige Hool-Cliquen ad absurdum führenden Webpage-Namen »First Class Poser« etwa erklärt im Internet: »2003. Die Union ist nur noch 2 Klassen von der 2. Liga entfernt. Irgendwann steigen wir wieder auf. Irgendwann. Und wenn es 100 Jahre dauert. Und die Klingenszene wird da sein. Wie immer...«

Niemand, der noch alle beisammen hat, wird die Solinger Marketingrechte kaufen. Also wird bald jeder, der im Solinger »Stadion am Hermann-Löns-Weg« Eintritt bezahlt, richtig wichtig werden.