Robuste Ignoranz

Die Uno und der Kongo-Konflikt von alex veit
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Gefragt, ob die Ereignisse in der Stadt Bunia die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats an »Ruanda« erinnerten, antwortete der US-Diplomat Richard Williamson: »Fraglos lastet die Dynamik schwer auf uns. Aber das ist gut so. Es ist gut, dass wir uns dessen alle bewusst sind.«

Die Parallelen zum Genozid im Jahre 1994, als in wenigen Wochen 800 000 Menschen getötet wurden, sind tatsächlich überdeutlich. Im zentralen Afrika kämpfen zehntausende Milizionäre um die Kontrolle über eine Region. In westlichen Medien werden die Kontrahenten in zwei »Stämme« aufgeteilt, die einen sind Viehzüchter, die anderen Ackerbauern. Selbstverständlich kämpfen sie seit Jahrhunderten gegeneinander. Inmitten der Kämpfe sitzen ein paar hundert verängstigte und unzureichend ausgerüstete Blauhelme der Vereinten Nationen. Tausende Zivilisten haben sich in die Compounds der Uno geflüchtet, sind aber auch dort nicht vor Granatenbeschuss sicher.

Im Sicherheitsrat wurde 1994 eifrig beraten. Findet gerade ein Genozid statt? Wenn ja, sind die Mitgliedsstaaten eigentlich zum Eingreifen verpflichtet. Aber wer soll Truppen stellen? Alle Augen richteten sich auf Frankreich: Das Land hatte schließlich jahrzehntelange Erfahrung im kolonialen Hinterhof und eine gaullistische Regierung, die zur Intervention bereit war. Doch als Paris 1994 Truppen schickte, schützten sie nicht die Opfer, sondern öffneten den Völkermördern einen Fluchtkorridor.

Der Genozid in Ruanda war eine Lehrstunde für die Uno, auf Jahre des Desinteresses folgte der Alarmzustand. Heute will man aus den Fehlern gelernt haben. Frankreich soll erneut eine internationale Eingreiftruppe anführen. Doch Massaker lassen sich kaum noch stoppen, wenn sie einmal begonnen haben. Wie in Ruanda der bevorstehende Bürgerkrieg sowie die rassistische Propaganda der Regierung über Jahre ignoriert worden sind, so waren auch die Kämpfe in der Ituri-Region der Demokratischen Republik Kongo lange vorherzusehen und zu verhindern.

50 000 Tote hat es in Ituri seit 1999 gegeben. Die Milizen aus angeblichen Viehzüchtern und Ackerbauern, die in der Großstadt Bunia allerdings wohl kaum um Weidegründe kämpfen, wurden in den Wirren eines seit 1998 andauernden Kriegs gebildet und gegeneinander aufgehetzt. Vor allem die ugandische Armee, aber auch deren Gegner in Ruanda und in der kongolesischen Regierung haben die Milizen finanziell unterstützt, aufgerüstet und zu Bewachern von Diamantenminen gemacht. An diesem Krieg haben westliche Firmen, das belegen selbst Uno-Berichte, gut verdient.

Die Vereinten Nationen unterstützten die Friedensverhandlungen zwischen den großen Akteuren in diesem Krieg. Dass im Zuge der Neuordnung des Kongo auch die Milizen in Ituri am Ausbau ihrer Macht arbeiten würden, war offensichtlich. Die ugandischen Besatzer Ituris wurden Ende April im Namen des Friedens weggeschickt, ohne dass die 850 Blauhelme in Bunia das Machtvakuum füllen konnten.

Wie in Ruanda ist die Politik der Uno und ihrer westlichen Mitgliedsstaaten unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht Beihilfe zum Mord. Und zwar nicht, weil nicht rechtzeitig »robuste Truppen« ausgesandt wurden, sondern weil Kriegsakteure jahrelang unterstützt worden sind, damit billige Rohstoffe auf westlichen Märkten landeten. Als mit dem Abzug der Ugander eine Chance entstand, der lokalen Bevölkerung die Mittel zu einer eigenen Regelung ihrer Angelegenheiten zu geben, wurde sie den Milizen ausgeliefert, die den Gesetzen der Raubökonomie folgen.