Fernleitverstrahlt

Verschwörungen und Horst Mahler

»Ja, ja, setz dich hierhin, hier ist für den bin-Laden-Fanclub reserviert«, scherzte ein junger Mann und bot mir einen der letzten freien Sitzplätze an. Man glaubte sich unter seinesgleichen am Montag der vorigen Woche in der Humboldt-Universität. Unter dem Motto: »Der inszenierte Terrorismus« hatte der ehemalige Grüne Ronald Thoden u.a. die Journalisten Ekkehard Sieker, Mathias Bröckers, Gerhard Wisniewski, Eckart Spoo und den früheren Staatsminister Andreas von Bülow auf das Podium geladen.

Deren Theorien zu den Geschehnissen des 11. September 2001 lassen sich in etwa so zusammenfassen: In den Flugzeugen, die ins World Trade Center, auf das Pentagon und auf eine Wiese in Pennsylvania stürzten, saßen keine 19 Terroristen. Die Flugzeuge wurden per Fernleitstrahl gegen unbemannte Flugobjekte ausgetauscht. Ins Pentagon flog überhaupt kein Flugzeug, und das vierte in Pennsylvanja gab es gar nicht. Die USA hätten all das inszeniert, um Afghanistan überfallen und die Welt beherrschen zu können. (Jungle World, 27/03) Die Organisation al-Qaida existiert gar nicht, sie wurde aber von der CIA und vom Mossad aufgebaut.

Nur dass die Passagiere der umgeleiteten Flugzeuge im Eis des Nordpols tiefgefroren wurden, um sie später zu Fischstäbchen zu verarbeiten, wurde nicht behauptet.

Was an diesem Abend vorgetragen wurde, war derart fernleitverstrahlt, dass man daran seine Freude hätte haben können, wenn man nicht gespürt hätte, wie sehr im Publikum der Wunsch vorherrschte, dass alles so sei, wie es behauptet wurde. Die Zuhörer hingen an den Lippen der Enthüller und träumten von einer Welt, in der die USA und der Mossad endlich offiziell für alles verantwortlich gemacht würden, was an Bösem geschieht. Von einer Welt, die sich so einig ist, dass der Rechtsextremist Horst Mahler, der in der Pause auftauchte, im Publikum nicht stört, sondern die Antifa, die skandiert: »Nazis raus!«

Einem aufgeregten Mann, der Mahlers Anwesenheit nicht hinnehmen wollte, wurde zugerufen: »Von welchem Geheimdienst kommst du denn?« Wo immer diese schöne neue Welt bedroht ist, steckt ein Geheimdienst dahinter. Andreas von Bülow spekulierte über Mahler: »Von wem werden denn diese Leute geschickt?« Von wegen NPD, BND, V-Leute und so. Und als der aufgeregte Mann sich noch einmal zu Wort meldete, rief der ganze Saal im Chor: »Ruhe! Ruhe! Ruhe!«

Mahler erklärte kürzlich in einem Brief an das Simon Wiesenthal Center allen »jüdischen Frontorganisationen gegen die Völker der Welt« den Krieg. »Der Judaismus wird auf private Feiern beschränkt sein, weil er ein mörderischer und erniedrigender Kult ist. Dies sind die deutschen Ziele für den Heiligen Krieg, der vor uns liegt.« In einem Text mit dem Titel: »Sie haben es gewusst!« schreibt er: »Das judäo-amerikanische Imperium braucht den Dritten Weltkrieg (…) Die Schwäche der Völker besteht darin, dass die gar nicht so schlecht von jemandem denken können, wie die Ostküste handelt.«

Es reicht nicht zu sagen, die Verschwörungstheoretiker sollten bedenken, welche Leute sie mit ihren Theorien anziehen. Horst Mahler saß nur auf dem falschen Platz. Seine Thesen hätten auch gut zu denen des Podiums gepasst.

stefan wirner