Links blinken

Vor dem Gewerkschaftstag der IG Metall. von georg fülberth

Als der SPD-Generalsekretär Olaf Scholz in einem Stern-Interview feststellte, den Demokratischen Sozialismus im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit könne man vergessen, zog er die Bilanz einer ausgefallenen »Zerreißprobe« innerhalb des sozialdemokratischen Milieus: Die Proteste des DGB gegen die Agenda 2010 waren ebenso ein Flop wie Ottmar Schreiners Mitgliederbegehren. Über die PDS redet ein Mensch von Geschmack ohnehin nicht mehr, solange sie in Berlin in der bisherigen Weise regiert.

Zugleich aber geht die Fama von einem kleinen gallischen Dorf, das den neoliberalen Römern Widerstand leistet. Sein Asterix heißt Jürgen Peters. Er, so wird geschrieben und gesendet, stehe für eine halsstarrige Linke, die sich nicht unterkriegen lässt. Das wehrhafte Dorf sei die Industriegewerkschaft Metall.

Man fragt sich, wie Peters es schaffte, sich zu behaupten: gegen den IGM-Vorsitzenden Klaus Zwickel, der ihn nicht als Nachfolger haben wollte, gegen eine geballte Medienmacht und gegen den Kanzler. Derlei hat noch kein Linksradikaler überstanden.

Es sei denn, er ist keiner. Jürgen Peters wurde zum Radikalinski, weil Zwickel ihn dazu stempelte. Das Gemeinwesen hält besser zusammen, wenn es einen Feind hat. Diese Rolle sollte Peters spielen, und er nahm sie an, weil er instinktsicher spürte, dass er bei einer solchen Polarisierung Anhänger für sich rekrutieren könnte. Denn es gibt in den Gewerkschaften ein Potenzial von Unwilligen, die Dampf ablassen wollen. Das war zwar noch nicht einmal stark genug für einen erfolgreichen Streik, aber zu einem innergewerkschaftlichen Denkzettel für die allzu kapitalfrommen Teile der Führung reichte es schon. Also nützte es Peters, dass er zum linken Buhmann gemacht worden war.

Seine Vergangenheit gibt für diese Legende nicht allzu viel her. Er gilt als der Vater des VW-Modells: Arbeitszeitverkürzung, Lohnverzicht, neue Jobs. Ob das gut ist oder schlecht, mögen die Mitglieder der IG Metall und die Belegschaften entscheiden. Linksradikal ist es jedenfalls nicht.

Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Scholz betriebene Abfertigung der sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Abweichler wird durch die scheinbare Extratour der IG Metall nicht zurückgenommen. Auch die Unternehmer können zufrieden sein, denn Peters wird jetzt immer wieder beweisen, dass er ein maßvoller Mensch ist. Seine Amtszeit ist auf vier Jahre begrenzt und ein Nachfolger schon benannt. Das heißt: Peters ist von Anfang an ein Auslaufmodell, und der starke Mann der IG Metall ist bereits jetzt der bisherige Bezirksleiter Berthold Huber.

Wichtiger für die Zukunft der Gewerkschaft sind zwei andere Tatsachen. Erstens ging der Streik in Ostdeutschland verloren. Die Ursache war wohl doch nicht ein Versagen an der Spitze, sondern der Zustand der Basis. Die Führung weiß jetzt, dass sie derzeit mit ihr nicht viel anfangen kann, und die Unternehmer sind ebenfalls im Bilde. Zweitens treten massenhaft Mitglieder aus. Das schwächt nicht nur die IG Metall, sondern auch den von ihr mitalimentierten DGB.

Die Metallgewerkschaft wird weiter links blinken. Sie wird aber weder links noch rechts abbiegen. Ihre reale Fahrtrichtung ist nämlich mittlerweile unabhängig vom Gerangel, das am Steuer stattfindet.