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Über zeitgemäße Bestattung. von thomas blum

Der Tod ist eine äußerst unangenehme Sache. Nicht nur, dass er meist zur falschen Zeit eintritt, mit Schmerzen verbunden ist oder zumindest von temporärem Unwohlsein begleitet wird, er nimmt einem gar das Leben, was zweifellos von den allermeisten Sterbenden als unerfreulich empfunden wird, denn nach dem Sterben hat man noch weniger vom Leben als zu Lebzeiten. Genau genommen sogar gar nichts mehr. So kommt es, dass das Sterben im Großen und Ganzen noch immer recht unbeliebt ist.

Nun ist es jedoch im Kapitalismus seit je Usus, dass selbst derart unerquickliche Dinge wie der Tod dem Endverbraucher schmackhaft gemacht, kräftig beworben und verkauft werden müssen, denn der Betrieb darf nie stillstehen.

Gestorben jedoch wird andauernd, und der Kunde wartet meist nicht gern, Hinterbliebene wollen den Toten unverzüglich unter die Erde gebracht sehen. Das Geschäft brummt, die Konkurrenz ist groß. Und wenn man selbst das Geschäft nicht macht, machen es eben andere.

»Das Sterben muss für den Betroffenen attraktiver gemacht werden.« So etwas Ähnliches muss man sich daher bei Deutschlands beliebtestem Totengräberunternehmen, Ahorn-Grieneisen, wohl gedacht haben, und dabei herausgekommen ist ein Prospekt, in dem das Vergraben des leblosen Körpers ein »würdevoller, persönlicher Abschied« bzw. »individuell Abschied nehmen« genannt wird, ganz so, als käme der Tote eines schönen Tages mit einem Liedchen auf den Lippen zurück. Ansonsten sind nachdenklich dreinblickende, aber auch zuversichtlich lächelnde Alte abgebildet, die den Eindruck erwecken sollen, sie könnten’s gar nicht mehr abwarten, bis sie mit dem Sterben dran sind. Das ist erst mal ein gutes Marketing-Konzept, denn auch Sterben soll schließlich Spaß machen, so die Botschaft.

Wobei es mit dem fröhlichen Sterben allein nicht getan ist. Die Hinterbliebenen haben schließlich den ganzen Ärger, denn »plötzlich stellen sich viele Fragen«, und zwar nicht etwa danach, ob der Verstorbene wohl sehr leiden musste, ob man ihm zu Lebzeiten unrecht getan hat usw.

Die zentralen Fragen, die sich beim Tod des geliebten Menschen aufdrängen, lauten ganz anders, nämlich so: »Gab es Wünsche für die Bestattung? Was kostet das eigentlich alles?« Und vor allem: »Geht das auch günstiger?« Denn »gespart wird überall – auch beim Sterbegeld. Arbeitslosigkeit, Anstieg der Beiträge zum Sozialsystem, zunehmende private Eigenleistungen – das allgemeine Preisbewusstsein in Deutschland ist durch zusätzliche finanzielle Belastungen deutlich gestiegen«.

Damit die Leute vor dem Sterben zum Traditionsbestatter gehen und nicht einfach irgendwohin, hat man sich etwas einfallen lassen. Schließlich will man nicht warten, bis Aldi die Marktlücke entdeckt und bedienungsfreundliche Corpse Bags zu Niedrigpreisen verschleudert.

Bei Grieneisen wird deshalb ein »individueller, würdevoller Abschied entsprechend der persönlichen finanziellen Möglichkeiten« garantiert, denn: »Wir bieten Qualität für jeden Geldbeutel«.

Die Produktpalette der Firma reicht vom Angebot »Elementar« über »Basis«, »Standard« und »Tradition« bis zur Luxusdienstleistung »Prestige« für diejenigen, die es auch nach dem Exitus gern etwas bequemer und exklusiver haben wollen. Denn »jeder Mensch stellt andere, persönliche Anforderungen an eine Bestattung«. Der eine will eben lieber in einen Plastiksack eingewickelt ins Erdloch geworfen werden, während der andere es vorzieht, seine Asche aus einer goldenen Urne über Schlesien verstreuen zu lassen. Die verschiedenen zur Auswahl stehenden »Leistungsarrangements«, Herausputzen der Leiche, Grünzeug auf dem Sarg, der ganze Trauerschnickschnack usw., »nehmen alle individuellen Wünsche auf. Sie unterscheiden sich in Umfang und Preis, nicht aber in der ›Grundleistungsqualität‹«.

Das Bestattungsangebot »Elementar« scheint die Currywurst unter den Begräbnissen zu sein. Es besteht aus nichts mehr als der »Konzentration auf das Wesentliche einschließlich der unabdingbaren Dienstleistungen«, was wohl eine eigenwillige Formulierung dafür ist, dass der Leichnam ohne viel Aufhebens entfernt wird. Etwas angemessener, wenn auch teurer, erscheint da schon das Angebot »Basis«. Hier wird man immerhin nicht einfach nur anonym eingegraben, sondern ermöglicht seinen Angehörigen und Freunden, wenn man welche hatte, »die persönliche Abschiednahme im kleinsten Kreis«, wobei nicht mehr nur allein die »unabdingbaren Dienstleistungen« wie das Wegschaffen des toten Körpers, sondern vielmehr »alle erforderlichen Dienstleistungen« erbracht werden. Irgendeine genormte Blechdose oder Holzkiste, in der man ins Erdreich versenkt wird, wird also vermutlich im Preis mit drin sein. Allerdings geht das Herumzeigen der Leiche verständlicherweise »ohne Trauerfeier« vonstatten, denn auch die will schließlich erst mal bezahlt sein. Sobald jedoch das Geld dafür überwiesen ist, sieht die Sache schon ganz anders aus.

Dann nämlich erhält man die »Standard«-Bestattung, die im Wesentlichen auch nicht anders abläuft als ein lustiges Beisammensein an der sonntagnachmittäglichen Kaffeetafel, nämlich »im Familien- und Freundeskreis«, nur mit dem Unterschied, dass halt einer gerade weggestorben ist. Natürlich gibt es auch hier das komplette Programm »inklusive aller notwendigen Dienstleistungen«, was einen ein wenig stutzig macht, denn anscheinend ist nicht alles, was »notwendig« ist, auch »erforderlich«.

Beträchtlich gelassener und sorgloser stirbt sich’s jedenfalls, wenn man das »Leistungsarrangement« namens »Tradition« vor Augen hat, denn hier hat man an nichts gespart und vermutlich noch weit nach der Verwesung seine Freude dran, denn das Bestattungsmodell »Tradition« hat mit dem armseligen Grundleistungsqualitätsmumpitz nichts mehr gemein, sondern ist die »traditionell großzügige Bestattung mit zahlreichen Ausstattungsdetails – der Leistungsumfang gibt besonders viele Gestaltungsmöglichkeiten«, je nachdem, wie sehr der Rubel rollt. Ja, das hat schon unbezweifelbar seinen Reiz, im Sarg gebettet zu sein, als hocke man standesgemäß in seinem Porsche.

Möchte der Heimgegangene es richtig krachen lassen, dass es nur so rauscht, entscheidet er sich natürlich für das Top-Angebot »Prestige«, einen »Abschied, der keine Wünsche offen lässt«.

Doch keine Angst. Der, für den bisher nichts Passendes dabei war, ist hiermit vielleicht ganz gut bedient: »Auch über Entwicklungen, über neue Bestattungsformen, z.B. den Friedwald, das Asche-Amulett, die Aschen-Streuwiese bis hin zur Weltraumbestattung informieren wir Sie gern.« Denn auch für Esoterikspinner und Größenwahnsinnige hat man so einiges auf der Pfanne. Es muss eben nur bezahlt werden. »Nehmen Sie Abschied. Alles andere tun wir.«