Der Krimi in der Revolte

Roman Noir zum Mai 68

»Für eine saubere Exekution, ein Attentat zum Beispiel, ist der 45er Colt am besten. An zweiter Stelle kommt dann der Tokarev 7.62 oder der 38er Spezial … Aber in der Nähe, zur Verteidigung oder zum Schutz, ist die Luger echt wirkungsvoll«, sinniert der Ich-Erzähler Freddy in dem Krimi »Rote Frauen werden immer schöner« von Frederic H. Fajardie. Wenige Seiten später »zog ich meine P 38, den Schlitten zurück und ließ eine 9mm-Patrone rausspringen. Ein psychologischer Vorteil, bloß schade um die verlorene Kugel: Aber das Geräusch beim Durchladen einer Pistole macht immer nachdenklich.«

So viel Waffenverliebtheit macht wirklich nachdenklich. Der 56jährige französische linke Bestseller-Autor Frederic H. Fajardie tritt mit dem Vorhaben an, die Geschichte des Mai 1968 in Paris und vor allem den Konflikt zwischen den proletarischen Jugendlichen und den Studenten aus gutem Haus zu erzählen. Der Arbeitersohn Freddy – das Alter Ego des Autors – erschießt im Laufe der Straßenkämpfe einen faschistischen Polizeikommissar, der als Provokateur auftritt. Hals über Kopf muss er aus Frankreich fliehen. Dabei lässt er seine Geliebte zurück, die er während der Kämpfe kennen gelernt hat und die für ihn die »einzige Frau auf der Welt« ist. In den folgenden 20 Jahren engagiert er sich an vorderster Front bei den bewaffneten antiimperialistischen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika. 1988 kehrt er nach Frankreich zurück und muss erkennen, dass seine Flucht eigentlich unnötig war. Viele seiner einstigen studentischen Mitkämpfer gehören nun zur etablierten Gesellschaft unter dem sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand.

Zwar liest sich der Krimi locker und spannend, auch wenn die Handlung an einigen Stellen unmotiviert schlingert. Aber das macht guten Trash aus.

Doch gemessen an seinem Anspruch, zugleich den Mai 1968 zu schildern, bleiben seine Beschreibungen zu oberflächlich. Eben kein Vergleich zu Jean-Claude Izzo und seiner Trilogie über die Menschen in Marseille, wie die HerausgeberInnen im Nachwort behaupten. Fajardie spielt alles nur sehr kurz und plakativ an, das mackerhafte Geschwätz des Ich-Erzählers geht einem ebenso wie der Waffenfetischismus schnell auf den Geist.

Trotzdem darf man auf die weiteren Werke in der neuen Reihe »Noir« im Verlag Assoziation A mit politischen Krimis aus Frankreich gespannt sein. Einige der Aktivisten von damals begreifen das Schreiben von Krimis als »die Fortführung ihres Engagements mit anderen Mitteln«, so die HerausgeberInnen. Der Krimi ermögliche es, an einer Veränderung und Kritik der Gesellschaft festzuhalten und literarisch nach den Gründen der Niederlagen zu suchen. Für sie ist der roman noir ein Protest gegen diese Gesellschaft und gegen die Geschichte, die sie hervorgebracht hat. Vielleicht ist diese Verbindung von Kunst und Revolte in den noch folgenden »Noirs« dieser Reihe besser gelungen. Wir sind gespannt.

christoph villinger

Frederic H. Fajardie: Rote Frauen werden immer schöner. Verlag Assoziation A, Berlin 2003, 192 S., 12 Euro