In den Hütten kein Friede

Linke Basisorganisationen wollen die Wahlen in Südafrika boykottieren. Doch die Hegemonie des ANC ist ungebrochen. von romin khan, kapstadt

Auf den Straßen Südafrikas ist der Wahlkampf unübersehbar. Einen »people’s contract« zur Bekämpfung der Armut und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bietet der lächelnde Staatspräsident Thabo Mbeki derzeit an jeder Straßenlaterne in Kapstadt an. Das Plakat daneben wird schon deutlicher: »1 Million Real Jobs« verspricht die Democratic Alliance zu schaffen.

Am 14. April finden zum dritten Mal seit dem Ende der Apartheid freie Wahlen statt. Einen überragenden Sieg des African National Congress (ANC) scheint niemand ernsthaft zu bezweifeln, und vielfach wird erwartet, dass der ANC sein 1999 erzieltes Ergebnis von über 66 Prozent noch verbessern könnte.

Dies kann jedoch weniger etwaigen sozialpolitischen Erfolgen der Regierung zugeschrieben werden, Südafrika bleibt hinsichtlich der Reichtumsverteilung eine zutiefst gespaltene Gesellschaft. Doch die Abwesenheit einer chancenreichen rechten oder linken Opposition führt dazu, dass der durch den Befreiungskampf gewonnene Vertrauensvorschuss weiterhin komfortabel ausreicht, damit der ANC die Geschicke des Landes auch im zweiten »Jahrzehnt der Freiheit« leitet.

Populäre, aber schwer zu finanzierende Wahlversprechen finden sich kaum im ANC-Manifest. Betont werden dagegen die Fortschritte der letzten Jahre wie der staatlich geförderte Bau von Häusern für sechs Millionen Menschen und die Versorgung mit Strom für 70 Prozent aller Haushalte.

Manche Erfolgsmeldungen wie die angebliche Schaffung von zwei Millionen neuer Jobs seit 1996 werden angezweifelt. Der linke Gewerkschafter Terry Bell geht davon aus, dass der Großteil dieser Jobs prekären Arbeitsverhältnissen entspricht und mit einem Monatslohn unter 200 Rand (etwa 24 Euro) kaum zum Überleben reicht. Die Arbeitslosenrate liegt bei 40 Prozent, in den Wohngebieten der afrikanischen Bevölkerung steigt sie bis 60 Prozent.

Die Regierung hält im aktuellen Wahlkampf jedoch weiterhin fest an ihrem 1996 begonnenen wirtschaftlichen Kurs von Sparpolitik, Privatisierung und Öffnung für ausländische Investitionen. Im südafrikanischen Fall war es jedoch keine von IWF oder Weltbank erzwungene Maßnahme, sondern eine freiwillige Leistung, die nationale Wirtschaft in den globalen Wettbewerb zu führen.

Die jährliche Wachstumsrate von circa drei Prozent hat bisher noch zu keinem größeren Jobwachstum geführt. Auch die Erfolge des Black Economic Empowerment werden kontrovers betrachtet. Während weiße Südafrikaner über umgekehrten Rassismus lamentieren, kritisieren Linke die Schaffung einer minoritären schwarzen Bourgeoisie.

Als parlamentarischer Hauptkonkurrent des ANC hat sich im Gerangel zwischen den beiden großen weißen Parteien, der New National Party und der Democratic Alliance (DA), die letztere als chancenreichste herausgebildet. Während noch 1999 mit dem aggressiven Wahlslogan »Fight Back!« vor allem sich als Opfer sehende Weiße angesprochen wurden, hat sich die Zielgruppe um Afrikaner und Coloureds erweitert. Dabei verfolgt die DA einen populistischen Kurs mit dem Versprechen, kostenlos Aids-Medikamente auszugeben und ein Grundeinkommen von 110 Rand (13 Euro) einzuführen. Wirtschaftspolitisch dagegen vertritt die Partei neoliberale Konzepte.

Um die Wahlchancen zu steigern, ist die DA eine Allianz mit der Inkatha Freedom Party (IFP) Mangosuthu Buthelezis eingegangen. Die ethnisch und monarchistisch ausgerichtete IFP hat ihre Hauptbasis in der Provinz KwaZulu-Natal und in Gegenden mit einem hohem Anteil an Zulu sprechenden, migrierten Arbeitern. Während der Apartheid versuchte die Partei, sich als konservative Alternative zum ANC zu profilieren, in den achtziger und neunziger Jahren starben 20 000 Menschen im Bürgerkrieg zwischen ANC- und IFP-Anhängern.

Im diesjährigen Wahlkampf sind in KwaZulu-Natal im letzten Monat acht Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der Parteien umgekommen. Eine ANC-Kundgebung in einem von der IFP kontrollierten Township konnte vor drei Wochen nur unter Polizeischutz abgehalten werden. Doch die Auseinandersetzungen sind weniger heftig als früher, offenbar sind viele Basisaktivisten beider Parteien nicht mehr bereit, sich in die militanten Machtkämpfe einspannen zu lassen. So erklärte Gerty Magwza, IFP-Ratsmitglied in Ulundi, Ende Februar der Wochenzeitung Mail & Guardian: »Ob wir nun Anhänger des ANC oder der IFP sind, wir leben alle in Hütten, wir leiden alle an Aids und wir sind alle von Wasser- und Strommangel betroffen.«

Langfristig bedrohlich für die Hegemonie des ANC könnte die linke Opposition werden. Das Landless People Movement (LPM) hat im Eastern Cape für den Tag der Wahl Farmbesetzungen von entlassenen und geräumten Landarbeitern angekündigt. Die Landreform kommt ihrer Meinung nach zu langsam voran. Seit 1994 sind nur drei Millionen von 100 Millionen Hektar Agrarland in schwarze Hände übergegangen. Bis 2014 will der ANC 30 Prozent des Agrarlands transferieren, ein Ziel, das eigentlich bereits 1999 erreicht sein sollte.

Ruth Hall vom Programme for Land and Agrarian Studies (Plaas) an der University of the Western Cape gibt im Gespräch mit der Jungle World der staatlichen Politik die Schuld am schleppenden Fortgang der Umverteilung: »Die Landreform folgt einer marktbasierten Logik, in der der Staat nicht interveniert und die Eigentumsrechte der weißen Farmer nicht antastet, obwohl er rein rechtlich zu Enteignungen in der Lage wäre. Dies ist im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Politik zu sehen, in der ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden soll. Seit 1999 werden von offizieller Seite vermehrt schwarze kommerzielle Farmer unterstützt, statt landlosen und armen Leuten unter die Arme zu greifen. Dies trägt zwar zu einer deracialisation (etwa: Abbau der ›Rassenschranken‹) auf dem Land bei, ändert aber nichts an den Strukturen, die für Abhängigkeit und Armut verantwortlich sind.«

Die Linke in Südafrika hat sich mehrheitlich entschieden, den Wahlen fernzubleiben. Die LPM hat unter dem Motto »No land – No vote« zum Wahlboykott aufgerufen. Andere Gruppen wie das gewerkschaftslinke Anti-Privatisation Forum (APF) fordern dazu auf, keine der im Parlament vertretenen Parteien, besonders nicht den ANC zu wählen. Trotzdem sollte man sein hart erkämpftes Wahlrecht nutzen und aktiven Wahlboykott betreiben, etwa durch die Beschriftung der Wahlzettel mit politischen Forderungen.

Das APF debattierte darüber, eine eigene Partei zu gründen oder ein Abkommen mit einer Partei über die Vertretung der eigenen Inhalte zu schließen. Generell ist es für die neuen sozialen Bewegungen in Südafrika schwer, eine Basis aufzubauen, die die Hegemonie des ANC aufbrechen kann. Dies liegt zum einen daran, dass die Allianz zwischen dem ANC, der Kommunistischen Partei und dem Gewerkschaftsdachverband Cosatu trotz Spannungen weiter existiert und in wichtige gesellschaftliche Sektoren hineinwirkt. Zum anderen sind viele Kämpfe auf Communities begrenzt. Es sind Abwehrkämpfe gegen Strom- und Wassersperrungen sowie Häuserräumungen von Bewohnern, die ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können.

Die Anti-Eviction Campaign in Khayelitsha, dem landesweit zweitgrößten Township in der Nähe Kapstadts, will sich nicht an diesen Wahlen beteiligen. Sie erklärt, dass sie weiterhin Leute wieder an das Strom- und Wassernetz anschließen und vertriebene Bewohner zurück in ihre Häuser bringen wird. Und das alles unter den Augen von Thabo Mbeki, dessen riesiges Konterfei auch über Khayelitsha thront.