Die Tricks der Mullahs

Der Iran hat die Inspektionen seiner Nuklearanlagen durch Experten der Internationalen Atomenergiebehörde untersagt. Diese Entscheidung stärkt die Position der USA, die Sanktionen fordern. von martin schwarz, wien

Es waren wohl keine besonders angenehmen Tage, die Mohammed El Baradei, der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu Beginn der Woche in Washington verbringen musste. Am Sonntag flog er mit einigen seiner engsten Mitarbeiter in die US-amerikanische Hauptstadt, um dort mit Präsident George W. Bush zu beraten. Die beiden Herren werden wohl nur ein Thema besprochen haben: den plötzlichen Ausstieg des Iran aus einem Agreement mit der Wiener UN-Behörde, die nuklearen Anlagen des Landes von Experten der IAEA kontrollieren zu lassen.

Ende der vergangenen Woche hatte Hassan Rowhani, der Chef des Nationalen Sicherheitsrates des Iran, auf einer Pressekonferenz in Teheran angekündigt, die Vereinbarung über die Inspektionen der iranischen Atomanlagen einseitig zu suspendieren: »Heute wurden IAEA-Inspektoren in Teheran erwartet. Wir werden ihnen die Einreise nicht erlauben, bis Iran ein neues Datum für einen Besuch festsetzt. Das ist ein Protest Irans gegen die Resolution.« Rowhani hatte erst im vergangenen Dezember bei einem Besuch im UN-Hauptquartier in Wien nach stundenlangen Verhandlungen mit IAEA-Chef Mohammed El Baradei zugestimmt, dass der Iran das so genannte Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Damit sollten intensivere Inspektionen ermöglicht werden.

Die Resolution, gegen die Rowhani mit einer Aussetzung der Inspektionen protestierte, wurde vom in Wien tagenden Gouverneursrat der IAEA beschlossen. Darin wird dem Iran vorgeworfen, weiterhin an der Anreicherung von Uran, einer Schlüsseltechnologie für die Herstellung von Nuklearwaffen, gearbeitet zu haben. Mit Bedauern stellte der Gouverneursrat fest, dass der Iran nicht so mit den Inspektoren kooperiert habe, wie es die Vereinbarung mit der IAEA vorsieht. So hatte der Iran behauptet, sein damaliger Bericht über die nuklearen Aktivitäten sei »vollständig«, die Inspektoren entdeckten aber in den vergangenen Monaten, dass dies nicht stimmte.

Dabei sind die Iraner mit einer solchen Resolution eigentlich noch ganz gut weggekommen. »Womöglich sind gerade jetzt Heerscharen von iranischen Technikern an geheimen Orten damit beschäftigt, Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm zu verstecken«, mutmaßte der US-amerikanische Botschafter bei der IAEA, Kenneth Brill. Zeit genug hätten sie ja jetzt dafür.

Rowhani meinte in Teheran auf die Frage, wie lange das Einreiseverbot für die IAEA-Inspektoren gelte, dies sei noch nicht sicher. Vielleicht werde es in sechs Wochen wieder aufgehoben, vielleicht »früher oder auch später«. Keine wirklich befriedigende Aussage und ein weiterer Anlass für die USA, auf eine Übergabe des Falls an den Sicherheitsrat zu drängen und Sanktionen anzudrohen.

Die iranische Verweigerung bringt den IAEA-Chef Mohammed El Baradei in Bedrängnis. Seit dem Beginn des Streits um das iranische Atomprogramm im vergangenen Sommer hat er mit allen Kräften und Tricks dafür gekämpft, dass seine Behörde sich weiterhin mit dem Fall beschäftigen kann und der Sicherheitsrat nicht eingeschaltet wird. Schon im September hatten die USA auf einer Sitzung des Gouverneursrates gefordert, den Fall an das New Yorker Gremium weiterzuleiten. Die Europäer sträubten sich, und schon im August hatten sich El Baradei und der damalige iranische Botschafter bei der IAEA, Ali Akbar al-Salehi, unter strengster Geheimhaltung in El Baradeis Feriendomizil in Ägypten getroffen, um Strategien zu entwickeln, die Forderungen der USA abzublocken.

Im Gouverneursrat hatte dann El Baradei massives Lobbying betrieben, um die 35 Mitgliedssaaten davon zu überzeugen, dass es vernünftiger sei, die Angelegenheit »im Haus«, also innerhalb der IAEA zu regeln. Deutschland, Frankreich und Großbritannien entwickelten dann jenen Deal, der zur Unterzeichnung des Zusatzprotokolls durch den Iran führte und nun offensichtlich hinfällig ist. El Baradei musste sich nun also in Washington vermutlich gegenüber dem Vorwurf rechtfertigen, durch seine milde Vorgehensweise dem Iran die Flucht aus den Verträgen ermöglicht zu haben. Er gehört seit den Irak-Inspektionen zu den schärfsten Kritikern der Bush-Administration, nun muss er sich vom amerikanischen Präsidenten Unfähigkeit vorwerfen lassen.

Warum die Iraner ihre Kooperation mit der IAEA vorerst beendet haben, ist im UN-Hauptquartier in Wien Gegenstand heftiger Spekulationen. Ein westlicher Diplomat sagte der Jungle World, dass die Resolution der IAEA vielleicht der unmittelbare Auslöser für die Kehrtwendung der Iraner war, aber schon seit den iranischen Parlamentswahlen ein anderes Klima feststellbar sei. Die athmosphärischen Störungen hätten zugenommen, seit die so genannten Hardliner in Teheran wieder fest im Sattel säßen.

Hinzu kommt, dass die Ablösung des als »Reformer« eingeschätzten IAEA-Botschafters al-Salehi die Verhandlungen nicht unbedingt erleichtert hat. Anfang Februar hatte ein IAEA-Diplomat, der wesentlich an den Verhandlungen über die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls durch den Iran beteiligt gewesen war, gegenüber Jungle World noch gemeint, alle wesentlichen Probleme mit dem Iran seien praktisch beseitigt.

Um seine eigene Position und die der IAEA wieder zu stärken, muss El Baradei den Iran möglichst rasch zu einer Rücknahme seiner Weigerung bewegen. Wenn ihm das nicht gelingt, wird er dem Druck aus Washington kaum noch widerstehen können. Im Juni will sich der Gouverneursrat wieder in Wien versammeln, und dann dürfte ihm der Fall Iran wohl endgültig entzogen und dem Sicherheitsrat übergeben werden. Auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die sich diesmal noch geweigert haben, dem Iran in einer Resolution eine Verletzung der Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages vorzuwerfen, werden dann kaum noch umhin kommen, entsprechenden Forderungen Washingtons nachzugeben.

Noch dazu hat Teheran am Mittwoch der vergangenen Woche angekündigt, wieder mit der Anreicherung von Uran beginnen zu wollen. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Hassan Rowhani, verkündete in Teheran, die Welt müsse akzeptieren, dass der »Iran ein Mitglied des Klubs der Nuklearstaaten ist«. Weil aber die Welt genau das nicht akzeptiert, sind die Hoffnungen der Iraner, die Inspektionen beenden zu können, ohne Sanktionen zu riskieren, wohl unrealistisch.

Innerhalb der IAEA ist man mittlerweile sicher, dass am UN-Sicherheitsrat kein Weg vorbei führt, wenn der Iran in den nächsten zwei Wochen nicht davon abzubringen ist, den Inspektoren die Kontrollen der Nuklearanlagen zu verweigern. Spekuliert wird gar darüber, dass der Gouverneursrat eventuell vor dem regulären Termin im Juni zusammentritt und dann schnell beschließt, dass der Iran den Atomwaffensperrvertrag verletzt habe.

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