Vom Saufen und vom Laufen

Von den Versprechen der Fitnessdrinks wird nur das eines sportlichen Images gehalten. Schneller laufen kann man durch sie nicht. von elke wittich

Nach Jahren konsequenten Nichtstuns wieder in Form zu kommen, ist nicht weiter schwierig – ein bisschen Willensstärke vorausgesetzt. Den angestrebten gesunden Lebensstil in allen Punkten zu erreichen, gestaltet sich meist jedoch wesentlich komplizierter, als regelmäßig im Park seine Runden zu drehen, genügend Geld für eine adäquate Ausrüstung zu sparen oder sich trotz eines gediegenen Scheißarbeitstags noch zum Workout aufzuraffen.

Denn eins scheint klar: Ohne richtige Ernährung kann das mit der Fitness nichts werden. Wird nicht immer wieder von Spezialdrinks berichtet, die müde Tour-de-France-Teilnehmer wieder in den richtigen Tritt bringen? Und von Spezialmenüs, die Kicker dazu bringen, zum richtigen Zeitpunkt ihre Höchstleistungen abzurufen? Was aber ist das überhaupt, richtige Ernährung für Sporttreibende?

Die 33jährige Simone kennt das Problem zur Genüge: »Ich begann Anfang 2002 zu joggen und ging wenig später auch noch mindestens einmal in der Woche ins Fitnessstudio. Nach einer Weile hatte ich dann das Bedürfnis, mehr zu tun, ich wollte mich endlich mal gesund und sportgerecht ernähren. Das erwies sich aber leider als extrem verwirrendes Unterfangen!«

Über mangelnden Zugang zu Informationen konnte sich die selbstständige Webdesignerin dabei nicht beklagen, »blöderweise las oder hörte ich überall etwas anderes«. Im Fitnessstudio wurden ihr Pulver und Drinks empfohlen, ohne die der Trainingseffekt angeblich verpuffen würde, in Internetforen wurden Nahrungsergänzungsmittel wie Kreatin diskutiert, die manche Experten jedoch am liebsten auf die Dopingliste setzen würden, und in Frauenzeitschriften las sie von Fitnessdiäten, die angeblich innerhalb einer Woche Wundersames für Figur und allgemeine Form bewirken würden.

Und zu jeder Empfehlung, so stellte Simone immer ratloser werdend fest, wurden wissenschaftliche Untersuchungen zitiert, die von der unglaublichen Wirksamkeit der Produkte und Ernährungsweisen kündeten. »Teilweise widersprachen sich die Informationen so eklatant, dass eine grundlegend falsch sein musste«, blickt Simone zurück. »Je mehr ich mich informierte, umso schwieriger fand ich es, das alles richtig einzuordnen.«

Professor Dr. Peter Stehle vom Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Bonn kennt dieses Dilemma von Freizeitsportlern, die an gesunder Ernährung interessiert sind. Er beteiligte sich vor vier Jahren als wissenschaftlicher Experte an einer Untersuchung im Auftrag des unabhängigen Testinstituts Ökotest. Dabei wurden 23 herkömmliche Sportlerdrinks, die in Apotheken, Fitnessstudios, Sportgeschäften, Supermärkten und Drogerien angeboten werden, auf ihre Inhaltsstoffe, die richtige Zusammensetzung von Vitaminen und anderen Stoffen, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der verwendeten Ingredienzien überprüft.

Das Ergebnis sollte den Konsumenten zu denken geben. Nur in zwei Drinks waren die Mineralstoffe in einem richtigen Mischungsverhältnis enthalten, sie erhielten die Note »gut«. Allerdings, so bemängelten die Tester, waren auch diesen Powergetränken Aromastoffe beigefügt, die bei entsprechend disponierten Menschen Allergien auslösen können. Außerdem sei es kaum nötig, Calcium, Magnesium oder Kalium zuzusetzen, da Freizeitsportler »die geringfügigen Verluste dieser Stoffe« über die Nahrung ausglichen.

Gesundheitlich bedenklich war zwar keines der getesteten Produkte, aber nennenswerten Nutzen kann der Käufer von ihnen auch nicht erwarten. »Wenn’s einem schmeckt und wenn man gern Geld ausgeben möchte, dann ist gegen die meisten dieser so genannten Powergetränke nichts einzuwenden«, bestätigt Stehle. Aus wissenschaftlicher Sicht seien die teuren Fitnessdrinks für die meisten Durstigen jedoch einfach nur eine unnötige Gelausgabe, egal, was die Werbung verspreche: »Wer eine Stunde joggt, schwitzt ungefähr 1,5 Liter Wasser aus. Dieser Wasserverlust muss ausgeglichen werden, aber für die Bedürfnisse der ganz normalen Freizeit- oder Breitensportler ist nach wie vor die altbekannte Saftschorle, also Frucht- und Gemüsesäfte, die mit Mineralwasser gemixt werden, am empfehlenswertesten.«

Aber sieht man nicht bei fast jeder im Fernsehen übertragenen Sportveranstaltung Athleten, die an bunten Flaschen nuckeln? Bei Leistungssportlern, so erklärt Stehle, sehe die Sache »schon anders aus als bei Freizeitsportlern. Auf manchen besonders schweren Etappen der Tour de France beispielsweise verbrauchen die Fahrer innerhalb weniger Stunden zwischen 6 000 und 8 000 Kilokalorien, die mit der Nahrung natürlich unmöglich wieder zugefügt werden können.«

Bei den Spezialdrinks, die diesen Spitzensportlern während der Wettkämpfe gereicht werden, handele es sich aber meist nicht um herkömmliche isotonische Getränke, wie es sie im Supermarkt zu kaufen gibt, sondern »um von Experten eigens geschneiderte Produkte nach speziellen, meist streng geheimen Rezepturen, die zum Beispiel die Wasseraufnahme im Körper beschleunigen«.

Stehles Meinung über die bunten Getränkedosen wird von seinen internationalen Kollegen unbedingt geteilt. »Der Hauptvorteil von Sportdrinks besteht darin«, sagt der kanadische Ernährungswissenschaftler Edward Farnworth, »dass sie den Körper während des Sporttreibens mit Flüssigkeit versorgen. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft gibt es wenig Beweise dafür, dass die Zusätze in den Spezialgetränken einen metabolischen oder gar leistungssteigernden Effekt auf die Konsumenten haben.«

So ähnlich sieht es auch bei den Pillen und Pulvern aus, die als unabdingbare Nahrungsergänzungsmittel für Sportler massenhaft im Handel sind. Die selbst bei intensivem Sporttreiben verlorenen Körperstoffe seien so gering, dass sie »einerseits von den Körperspeichern abgedeckt, andererseits durch die Nahrung in ausreichender Menge wieder zugeführt werden«. Dasselbe gilt für Vitamine und Spurenelemente. Und kurz vor einem Wettkampf plötzlich massenweise gesundes Essen in sich hineinzustopfen, bringt weder bessere Zeiten noch höhere Weiten.

Ernährungsexperten wie Farnworth oder Stehle empfehlen eine langfristige Umstellung der Ernährung auf eine Mischkost aus Getreideprodukten, reichlich Gemüse, Kartoffeln, Obst, Milch, fettarmen Milchprodukten sowie den überlegten Verzehr von Fleisch, Fischprodukten und Eiern.

Eine solche Ernährung täte nicht nur Freizeitsportlern. In einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Ernährung stellte sich kürzlich heraus, dass Spitzensportler die gleichen Fehler in ihrer Ernährung machen wie die Durchschnittsbürger: Es werden zu wenig Kohlenhydrate und zu viel Fett aufgenommen. Ideal wäre jedoch eine Kost, die zu 50 bis 55 Prozent aus Kohlenhydraten besteht. Der täglich verzehrte Anteil von Fetten dürfe maximal 30 Prozent betragen, Proteine sollten lediglich zwischen zehn und 15 Prozent ausmachen.