Der Sergeant

ich-ag der woche

In der US-amerikanischen Öffentlichkeit wird sein Fall kontrovers debattiert. »Hängt den Feigling«, fordern manche. »Die Regierung hat keine Beweise«, meinen andere.

Am 5. Januar 1965 ging Charles Robert Jenkins, Sergeant der 8. Kavallerie, in der demilitarisierten Zone, die Nord- und Südkorea trennt, auf Patrouille. Er trennte sich von den drei Soldaten, die ihn begleiteten, als er ein Geräusch hörte. Fast 30 Jahre lang verlor sich jede Spur von ihm, dann wurde bekannt, dass er mit seiner Ehefrau, einer von nordkoreanischen Agenten entführten Japanerin, und zwei Kindern in Nordkorea lebte. In der vergangenen Woche reiste Jenkins nach Tokio, um sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen.

Die Armee ist überzeugt davon, dass Jenkins desertierte. Und da versteht man auch fast 40 Jahre nach der Tat keinen Spaß. Von einer Amnestie oder Begnadigung will das Pentagon nichts wissen. Die Beweise aber sind dürftig. In vier zurückgelassenen Briefen soll Jenkins sein Vorhaben angekündigt haben. Doch die Briefe hat das Pentagon verbummelt, das sich ansonsten nur auf einige nordkoreanische Propagandadurchsagen berufen kann. Unklar bleibt auch das Motiv. Es gibt gute Gründe, nach Kuba zu desertieren. Aber Nordkorea?

Jenkins Familie, die sich seit langem für die Rehabilitation des Sergeanten einsetzt, glaubt, dass die Regierung ihre Fürsorgepflicht für einen Kriegsgefangenen und Patrioten vernachlässigt hat. Das mag ein Irrtum sein. Doch auch der bornierteste Pentagon-Bürokrat müsste eigentlich einsehen, dass es Strafe genug ist, fast 40 Jahre in Nordkorea leben zu müssen.

jörn schulz