Cannonball & Co.

Bayreuth mausert sich im August zum internationalen Treffpunkt für Ärsche. Die einen pilgern ins Festspielhaus, um Richard Wagner zu lauschen, die anderen tragen im Schwimmbad die erste Arschbomben-Weltmeisterschaft aus. von martin schwarz, wien

Es gibt sie in jedem Sommer in jedem Schwimmbad von Stockholm bis Neapel: Idioten. Idioten, die zu feige sind, mal richtig herzhaft Amok zu laufen im Alltag, und daher die Harmlosigkeit des mit Chlor versetzten sauberen Wassers zum Anlass nehmen, um ihren Mitmenschen per Arschbombe vom 3-Meter-Brett die Meinung zu sagen. Während unten im Becken die Badehauben-Fraktion langsam ihre Runden dreht, hüpfen pubertierende Jungs gerne mal möglichst verdrängend ins Wasser, um den begleitenden Mädchen zu zeigen, wer die größte Matschbirne im Starterfeld um den internationalen Hormon-Cup ist. Die Badehauben-Fraktion regt sich dann regelmäßig furchtbar auf, dem Dienst tuenden Bademeister schwillt der Hals in solchen Fällen derart an, dass das um die Kopf-Rumpf-Verbindung angelegte Goldkettchen zu reißen droht, und wenn es ganz schlimm kommt, erhalten die kleinen Hormonbolzen Badeverbot für den Rest des Sommers.

Insofern hat die gemeinhin als »Arschbombe« bezeichnete Disziplin des Wassersprungs einen denkbar schlechten Ruf, doch einer ist angetreten, diesen Ruf zu retten: Oliver Schill, selbst ehemals Turmspringer und nun Initiator der ersten Arschbomben-Weltmeisterschaft. Denn für Oliver Schill ist die Arschbombe keineswegs ein Ausdruck jugendlichen Übermuts, sondern ein ebenso ernst zu nehmender Sport wie Radfahren, Kitesurfing, Curling oder Weitspucken. Insgesamt zehn verschiedene Variationen der ordinären Arschbombe kennt Oliver Schill und sie alle haben klingende Namen: Die »Yogi-Arschbombe« gibt es, die »schmale« und die »breite Katze«, die »Kartoffel«, den »Reißer«, den »Cannonball«, das »Brett«, »Assume the position« und andere. Dabei spielt es kaum eine Rolle – und da hört die Arschbomben-Experience der jugendlichen Wassermafia in den Schwimmbädern auf und fängt die hohe Theorie der Arschbombe an –, wie viel Wasserverdrängung durch den Sprung generiert wird. »Ein wichtiges Kriterium ist auch die Entschlossenheit des Springers beim Einschlag«, sagt Oliver Schill. Wenn also der Arschbomber kurz vor dem Eintreffen im H2O-Bereich noch zögert und versucht, seine Position dergestalt zu verändern, dass die Schmerzhaftigkeit des Aufschlags am Wasser gemildert wird, gibt das Punkteabzug.

Und weil das Arschbomben also mittlerweile offensichtlich zu einer enorm kultivierten Sportart geworden ist, musste auch eine Weltmeisterschaft organisiert werden. Die findet zum ersten Mal und noch dazu in Bayreuth statt. Genau. In Bayreuth. Dort, wo Richard Wagner jedes Jahr aufs Neue musikalisch exhumiert wird. Dort, wo Bayern in seiner reinsten Form kulminiert, wenn sommers die Kulturbanausen in ihren VW-Phaetons und BMWs anbrausen, über den roten Teppich stöckeln und sich nach den Aufführungen oft genug über die Verfremdung des Wagnerschen Werks durch den aktuellen Regisseur mokieren, als hätten sie sich vorher mit Joseph Goebbels besprochen.

Daher glaubt Oliver Schill, der bald auch die Schill-Partei zu gründen gedenkt, nicht an eine Überschneidung der Zielgruppen für Arschbomben-WM und Wagner-Massaker. Dennoch glaubt er an einen Erfolg seines Events: Zwischen 3 000 und 10 000 Menschen werden im Bayreuther Freibad erwartet und jeder von ihnen muss zwischen drei und sieben Euro bezahlen, um die Bomber bei dem dreitägigen Event bewundern zu können. Bewundern kann man die tollkühnen Badehosen-Piloten tatsächlich, denn Arschbomberei ist keine ganz ungefährliche Sportart: »Bei einem Sprung aus 16 bis 18 Metern wird es gesundheitsgefährdend, denn da kann es auch zu inneren Verletzungen kommen«, sagt Experte Schill. Deshalb wird in Bayreuth aus höchstens zehn Meter Höhe gesprungen. Wie viele Athleten tatsächlich an den Start gehen, ist bisher noch nicht ganz klar. Verbindlich angemeldet haben sich Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – zwölf Teilnehmer insgesamt. Aber die Anmeldefrist endet auch erst am 13. August, dem Beginn des Spektakels.

Richtig. Am 13. August. Beginnt da nicht woanders auch noch eine regionale Sportveranstaltung? Wie hieß die noch gleich? Exakt. Olympia. »Für die Olympischen Spiele ist es natürlich auch ein Riesenproblem, dass die ausgerechnet am gleichen Tag beginnen wie unsere Arschbomben-WM. Wir werden ja die ganze mediale Aufmerksamkeit aus Athen abziehen«, ist Oliver Schill überzeugt. Ganz zu Recht übrigens, weil sich das Team rund um Schill auch besser auf die Veranstaltung vorbereitet hat als die Athener Chaoten. Während in der Akropolis-Deponie bis zum Eröffnungstag der Olympischen Spiele wohl nicht einmal alle Sportstätten fertig werden und die Marathon-Strecke noch immer einer russischen Landstraße gleicht, haben Schill und seine Co-Bomber ihre Hausaufgaben gemacht: »Wir haben uns auf alles penibel vorbereitet und im Gegensatz zu den Griechen alles für den Ansturm der Gäste präpariert.« Selbst mit dem Bayreuther Fremdenverkehrsamt hat man mittlerweile verhandelt und dafür gesorgt, dass Gästen, Medienvertretern und Athleten auch genügend Zimmer in der 80 000-Einwohner-Gemeinde zur Verfügung stehen.

Beim Wettkampf selbst werden die Sprünge der Athleten – jeder von ihnen muss drei am 10-Meter-Brett ausführen – von einer Gruppe von Kampfrichtern bewertet, allesamt sind sie im Schwimm- oder Springsport erfahren und können so feststellen, ob eine »breite Katze« auch korrekt zu Wasser gelassen wurde. Nur ein Problem haben die Initiatoren noch: Einer der Kampfrichter sollte aus der Promi-Szene kommen und nicht aus dem Wassersport. Vielleicht können die Wagner-Orgiasten aushelfen und einen ihrer prominenten Gäste ins Freibad zum Arschbombenschauen schicken. Angela Merkel zum Beispiel, auf die sich Initiator Schill ganz besonders freuen würde. Oder Edmund Stoiber, der in den eigenen Parteigremien wohl genügend Erfahrung damit gesammelt hat, Arschbomben zuzusehen.

Elitär übrigens ist die Veranstaltung trotz des geografischen Umfelds mitnichten, denn wegen fehlender nationaler Arschbomben-Verbände müssen sich die Teilnehmer auch in ihren Ländern nicht vorher qualifizieren – ein echter Breitensport eben. Daher kann jeder teilnehmen, der es wagt, drei Sprünge aus zehn Metern Höhe zu absolvieren. Vielleicht könnten sich ja die Idioten, die um den internationalen Hormon-Cup konkurrieren, vom 13. bis 15. August in Bayreuth austoben.

Anmeldungen unter: www.arschbombe.de