Unfaires Fernsehen

Die einseitig deutsche Olympia-Berichterstattung im Fernsehen geht selbst den Adressaten zu weit. von elke wittich

Den Einzug der Olympiateilnehmer ins Athener Stadion anzuschauen, bedeutete, Beige zu sehen – nicht etwa, weil sich die Designer aller Nationen verabredet hatten, ihre Sportler durchweg in die hässlichste überhaupt nur denkbare Farbe zu kleiden, sondern weil die deutschen Starter in kackfarbene Klamotten gesteckt worden waren. Und das ZDF darauf bestand, die koloristische Katastrophe auch noch »mit eigenen Kameras einzufangen« und ebenso regelmäßig wie enervierend im Stadion herumstehende beige Deutsche statt einziehende Starter anderer Nationen zu zeigen.

Für professionelle Fans bedeuteten diese eigenen Kameras aber sowieso nichts Gutes. Sind sie doch ein Synonym für das stundenlange Abgefilme deutscher Sportler, selbst dann, wenn anderswo wichtige Finals oder spannende Entscheidungen stattfinden.

Bereits als ARD und ZDF vor dem Beginn der Spiele stolz erklärten, viel mehr Olympia als alle anderen ausländischen Sender zu zeigen, war den meisten Sportguckern klar, dass dies in Wirklichkeit nur bedeuten würde, dass deutsche Starter nun eben bereits in der Prä-Aufwärmphase gezeigt werden würden. Die heimischen Fernsehzuschauer seien nun einmal vordringlich am Abschneiden der eigenen Athleten interessiert, erklären TV-Sportchefs dazu gern, Wettbewerbe, an denen kein Inhaber eines Passes mit Bundesadler drauf teilnehme, würden ebenso wenig geguckt wie die so genannten Randsportarten. Und daher richte man sich mit dem eigenen Programmangebot einfach nur nach den Bedürfnissen und Forderungen der Klientel.

Ganz großer Irrtum, wie sich schon am ersten Olympiatag im Internetforum des übertragenden ZDF herausstellte. Die dortigen User waren durchweg enttäuscht, denn im Großen und Ganzen wurde im Zweiten Rad gefahren. Stundenlang. Während in anderen Disziplinen um Medaillen gekämpft wurde. Und die hätte man statt des »Dauerradfahrens« auch gern geschaut, schließlich bedeutet Olympia eben auch, Sportarten anzuschauen, die sonst nur selten im Fernsehen gezeigt werden, und die Stars anderer Länder kennenzulernen.

»Schade, dass das Rad erfunden wurde«, bedauert User »Retter des Sports« bereits gegen 14 Uhr als die Velos und damit auch die Zuschauer noch gut zweieinhalb Stunden Athenrundfahrt vor sich hatten. Und ausgiebige Nachbetrachtungen. Im ZDF waren zu diesem Zeitpunkt bereits gut fünf Stunden mit extrem ausführlichen Vorberichten, Streckenprofilen, Interviews und Zustandsanalysen rund um Ullrich, Klöden und Zabel gefüllt worden. »Tatotals« Aufforderung: »So, Radfahrer sind fertig, sendet endlich was anderes!« blieb jedoch erfolglos, »jetzt darf das Radteam auch noch im TV sabbeln!!« stellte »Retter des Sports« kurz darauf konsterniert fest: »Reichen sechs Stunden Radfahrengucken nicht? Ich will Sport sehen!«

Daraus sollte jedoch nichts werden, denn kaum waren Ullrich und Co. mit ihren Rechtfertigungen, warum es denn nix wurde mit der eigentlich fest eingeplanten Goldmededaille, fertig, gab es »Ja, endlich!! – Die Zusammenfassung vom Radrennen!«

Nichts war es mit den ersehnten Liveberichten vom Judo, Tischtennis, Schießen, Schwimmen, der enttäuschte User »bongoloop« erhielt für seinen Thread »Warum muss sich das ZDF nicht qualifizieren???« folgerichtig viel Beifall. »Die Berichterstattung resp. Kommentare zur Eröffnung ließen ja schon nichts Gutes ahnen (Herr Poschmann bezeichnet traditionelle Kleidung mal eben als Bademäntel etc.)«, schrieb er. »Darüberhinaus hält man es nicht für notwendig, auch mal eine Siegerehrung ohne deutsche Beteiligung zu zeigen. Scheinbar sind wir eben die einzig wichtige Nation. So verfährt man nun schon den lieben langen Tag mit anderen Sportnationen. Griechenland gleicht vor wenigen Minuten im Beachvolleyball nach Sätzen aus, und ehe es in den entscheidenden Satz geht, gibt man zurück nach Mainz, damit Herr Poschmann drei deutschen Handballern Fragen stellen kann.«

Ob die Sieger alle »nur deutsch« seien, fragte kurz darauf »Alienchen« in einem Offenen Brief an das ZDF. »Das Versprechen von Herrn Poschmann lautete doch, dass man nichts verpasst. Wie bei jeder Olympiade in der Vergangenheit und der Übertragung bei ZDF/ARD gibt es jedoch immer nur die deutschen Sportler. Nicht einmal den Siegern wird die Ehre erwiesen, d.h. z.B. die tolle Leistung der japanischen Judoka. Das ist sehr unfreundlich und erinnert in keiner Weise an die olympische Idee und die erwünschte Fairness.« »Marco26« sekundierte: »Uns interessieren auch die Ergebnisse der Finals ohne deutsche Beteiligung!!! Auch die Ergebnisse vom Tischtennis, welche noch gar nicht mitgeteilt wurden.. :-( Also da schaue ich lieber Eurosport … die gehen da mit einer nicht so sehr eingeschränkten Sichtweise ran!«

Unter dem Motto »Wir sind das Fernsehvolk« begannen die ZDF-Forums-Teilnehmer nun, ihre Programmforderungen zu bündeln. Einer erbot sich, alle Zeitungsredaktionen anzumailen und mit Auszügen aus den verschiedenen Beiträgen zu versorgen, »damit der Sender endlich merkt, dass wir Gebührenzahler uns nicht alles gefallen lassen«. Andere riefen kurz entschlossen die Olympiahotline des Zweiten an oder formulierten Protestbriefe, in denen sie beim ZDF ihr Recht auf Siegerehrungen ohne deutsche Beteiligungen und Randsportarten-Anschauen einklagten.

Allerdings ohne sich große Illusionen zu machen. Userin »Coffea« konnte bereits gegen 18 Uhr eine im Grunde genau so erwartete Antwortmail der Programmredaktion präsentieren, die viel Anlass zu spitzen Bemerkungen gab: »Ich habe meine Kritik zum Internetauftritt von heute Mittag einfach nochmal an die Kontaktadresse der ZDF-Seite geschickt«, berichtete sie, »und eine Antwort (!!) per mail erhalten: ›Vielen Dank für Ihre Anregungen zu unserem Online-Angebot. Leider ist es uns im Moment technisch nicht möglich, diese Änderungsvorschläge umzusetzen. Wir bitten um Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen, ZDF‹. Das ist hier ja besser als jede Comedy-Serie:-))«

Und so musste sich das Team des Zweiten auch nicht wundern, dass es bei Sportfans noch unbeliebter ist als die SPD. User »JBork« resümierte den enttäuschenden ersten Olympiatag unter der Überschrift »Besser Schröder als Poschmann – und das ist schon brutal!« schließlich: »Hallo, wir sind im 21. Jahrhundert! – was war das heute? Radfahren, Radfahren, Radfahren, Radfahren,... mehr als fünf Stunden mit unerträglicher Berichterstattung! Dafür zahlen wir Gebühren! Selbst was uns unsere Regierung zumutet, ist nichts, verglichen mit dem heute.«