Die Union sieht rot

Während die Union Patriotismus und Leitkultur diskutiert, wirft sie dem Bündnis für Demokratie und Toleranz vor, linksextremistische Initiativen gefördert zu haben. von mario a. sarcletti

Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), in dessen Bundesland die NPD bei der letzten Landtagswahl 9,2 Prozent der Stimmen holte, sagte im Dezember der Berliner Zeitung, wie er die rechtsextreme Partei zu bekämpfen gedenke, und zwar mit einer Doppelstrategie: »Wir müssen die Partei selbst hart angreifen, aber wir müssen auch fragen, was die Menschen bewogen hat, die NPD zu wählen.« Und da Milbradt die Gründe der Menschen ahnt, sagte er auch noch, man müsse klarstellen, »dass wir keine Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme wollen, sondern eine, die unserem Land nutzt«.

Auch Jörg Schönbohm (CDU), der Innenminister von Brandenburg, wo die DVU bei der zurückliegenden Wahl 6,1 Prozent holte, will die Rechtsextremisten bekämpfen, indem er ihre Themen aufgreift. Er sprach im Spiegel von »nationaler Rhetorik«, die die Union nicht scheuen dürfe.

Mitte Dezember wurde ein dritter Aspekt des Kampfes der Union gegen den Rechtsextremismus offenbar, nämlich die Bekämpfung der Antifa. Die Unionsfraktion erhob in einer Großen Anfrage im Bundestag schwere Vorwürfe: »Es besteht der Verdacht, dass das ›Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt‹ mit Mitteln des für den Verfassungsschutz zuständigen Bundesministeriums des Inneren seit 2001 in einem bisher nicht bekannten Umfang linksextremistisch beeinflusste, wenn nicht sogar verfassungsfeindliche Initiativen finanziell unterstützt hat.«

Um diesen Verdacht zu bekräftigen, hat die Fraktion vor allem die Internetauftritte von Projekten unter die Lupe genommen, die in den Wettbewerben »Aktiv für Demokratie und Toleranz« in den vergangenen drei Jahren Geldpreise zwischen 1 000 und 5 000 Euro gewonnen haben. Vergeben wird der Preis vom Bündnis für Demokratie und Toleranz, das von der Bundesregierung im Rahmen des so genannten Aufstands der Anständigen im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde, um dem Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen. Dass die preisgekrönten Initiativen auf ihren Internetseiten auch auf linke Projekte hinweisen, ist einer der Gründe dafür, warum die Union behauptet, es seien linksextremistische Organisationen gefördert worden.

Eines der Projekte ist die Bielefelder Antifa-West, deren Broschüre »Stop Lifestyle of Hate« mit 5 000 Euro ausgezeichnet wurde. In dieser werden die rechtsextreme Szene in Ostwestfalen und vor allem deren Propagandamittel Rechtsrock beleuchtet. Warum die Union die Initiative als linksextrem einstuft, bleibt ihr Geheimnis. Einziges Indiz scheint die E-Mail-Adresse zu sein. Denn diese wurde nach den Ermittlungen der »Antiextremismusexperten« der Union bei dem Internetportal nadir eingerichtet. Nadir gilt den Konservativen als linksextrem beeinflusst, als Beleg soll der Verfassungsschutzbericht 2003 dienen. Dort wird nadir als »etabliertes Informationsportal« erwähnt.

Vielleicht ist die Antifa-West aber auch wegen ihres Namens in die Rasterfahndung der Anfrager geraten. »Geldpreise bis zu 5 000 bzw. 10 000 Mark haben u.a. Initiativen bzw. Gruppen erhalten, obwohl sie sich bereits namentlich als zur Antifa-Szene zugehörig zu erkennen geben«, monieren die Abgeordneten, die die Anfrage auch zur Abrechnung mit Kollegen bzw. ehemaligen Kollegen nutzen. Die grüne Parteivorsitzende Claudia Roth, Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) und Angela Marquardt, die »frühere Abgeordnete für die jetzt PDS heißende SED«, wie es im Unionsjargon heißt, erwähnt das Papier als Unterzeichnerinnen einer Resolution aus dem Jahr 2001 für die Freilassung von Mitgliedern der Revolutionären Zellen und die Abschaffung des Paragraphen 129a.

Auch Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) wird in der Anfrage genannt, da er bis ins Frühjahr 1993 im Impressum der Zeitschrift Der Rechte Rand aufgeführt worden sei. Die Zeitschrift, Preisträger des Jahres 2001, arbeite mit der »verfassungsfeindlichen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« zusammen, heißt es in der Anfrage.

Dass in der Zeitschrift »linksextremistische Bestrebungen« zu erkennen seien, meint auch das Bundesinnenministerium. Auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Georg Schirmbeck im Jahr 2003 antwortete der Staatssekretär im Innenministerium, Lutz Diwell, über diese angeblichen Bestrebungen: »Sie ergeben sich aus der politischen Ausrichtung, die weitgehend der linksextremistischen Sichtweise zum tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremismus entspricht.« Diese Sichtweise gehe »über ein moralisch-ethisches Antifaschismusverständnis des demokratischen gesellschaftlichen Spektrums hinaus«, zitiert die Anfrage den Bremer Verfassungsschutzbericht 2003.

Eine der Unterzeichnerinnen der Großen Anfrage der Union ist die Abgeordnete Dorothee Mantel (CSU). Pikanterweise sitzt sie selbst im Beirat des Bündnisses, der die Jury für den Wettbewerb stellt. »Mantel war auf einer Sitzung des Beirats, der sich vierteljährlich trifft, und hat da nicht viel gesagt«, erzählt Annelie Buntenbach (Grüne), die auch Mitglied des Beirats ist, der Jungle World. Die Förderung der Zeitung Der Rechte Rand sei eine einhellige Entscheidung des Gremiums gewesen, sagt Buntenbach. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen wird selbst in der Anfrage erwähnt, da auch sie den Appell für die Abschaffung des Paragrafen 129a unterzeichnet und die Zeitschrift Der Rechte Rand als »eine der wichtigsten Informationsquellen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus« bewertet hat.

Buntenbach ärgert es besonders, dass sich unter den zehn in der Anfrage genannten Projekten auch der Internationale Jugendverein Guben findet. Auch ihn rückt die Anfrage in die Nähe des Linksextremismus, weil die Homepage der Initiative von deutschen und polnischen Jugendlichen Verweise auf indymedia, auf nadir und auf die Seite von Angela Marquardt enthält. »Der Verein hat vor allem dafür gesorgt, dass der Gedenkstein für den in Guben ermordeten Flüchtling Farid Guendoul nach zahlreichen Schändungen wieder in Ordnung gebracht wurde«, erklärt Buntenbach.

Die Große Anfrage der Union ist kein Einzelfall. Bereits im September richtete sie eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, in der es um die von der SPD geförderte Zeitschrift Blick nach Rechts ging, die die Union »für einen Informationsdienst mit Verknüpfungen zu linksextremistischen Gruppierungen« hält. Und bereits im Februar 2003 gab es Fragen von CDU-Abgeordneten zum Verhältnis des Innenministeriums zum Linksextremismus.

Neu an der aktuellen Anfrage ist ihre Ähnlichkeit mit Forderungen von Rechtsextremisten. Bereits im April 2004 behauptete die rechtsextreme Junge Freiheit: »Das ›Bündnis für Demokratie und Toleranz‹ der Bundesregierung finanziert linksextremistische Gruppen und Initiativen.« Die Anfrage im Bundestag erweckt an manchen Stellen den Eindruck, als sei sie von diesem Artikel der Jungen Freiheit abgeschrieben.

Zudem stellte sich Norbert Geis, der CSU-Bundestagsabgeordnete und Unterzeichner der aktuellen Anfrage, der Jungen Freiheit im Oktober vergangenen Jahres für ein Interview zur Verfügung. Zum »Aufstand der Anständigen« bemerkte er: »Dieser Aufstand ist nichts wert, wenn er einseitig stattfindet.« Deshalb dürfe Innenstaatssekretärin Ute Vogt (SPD) »nicht wie bislang auf dem linken Auge blind« sein. Die Union bleibt wachsam, um dieser Gefahr mutig entgegenzutreten.