Die Tsunami-Bombe

Verschwörungstheorien zur Flutwelle
Von

Immer wenn etwas besonders Großes, schwer Erklärbares passiert, melden sich umgehend Menschen mit besonders kleinem Geist, um uns die Sache zu erklären. Das Internet ermöglicht es jedem einzelnen Spinner, seine Ansichten einer wie auch immer zu bewertenden Öffentlichkeit zugänglich zu machen. »Gottes Strafe«, kläffen die einen dann, oder dass sich die Natur nun am Menschen räche. Es könnte aber auch Allah sein, der zornig das obszöne Strandleben an den Küsten des moslemischen Indonesien ahndete. Im Zweifelsfall steckt wie immer der Mossad dahinter. Und natürlich die USA.

In den Internetforen wird jedenfalls heftig spekuliert. Die New York Times zitiert einen Blogger, der den Irak-Krieg verantwortlich macht. Schließlich hätten die Amerikaner »viele Millionen Tonnen Munition auf diesem armen Planeten« explodieren lassen. Ein außer Kontrolle geratener Atombombenversuch Indiens wird ebenfalls in Betracht gezogen. Aber auch von einer »Tsunami-Bombe« wird berichtet, die derzeit von Briten und Amerikanern entwickelt werde und die, unter Wasser gezündet, eine Flutwelle auslösen könne. Auch den Russen wird die Entwicklung einer solchen Waffe nachgesagt.

Und immer, wenn es komplett irre wird, ist auch der Verschwörungstheoretiker vom Dienst am Start: Mathias Bröckers. Im Weblog seines Verlags Zweitausendeins berichtet er von einer doch wohl kaum zufälligen Begebenheit: Ende November seien 169 Wale und Delphine auf der Insel Tasmania südlich der australischen Küste gestrandet. Einen Monat später habe es dort in der Region ein erstes Seebeben gegeben, bevor dann zwei Tage später das für den Tsunami verantwortliche schwere Beben im indischen Ozean stattgefunden habe. Und auch nach diesem zweiten Beben seien wieder 20 Wale in Tasmania gestrandet. »Ich bin da überhaupt kein Fachmann, aber die Information scheint mir dennoch nicht uninteressant«, erklärt Bröckers seine bekannte journalistische Arbeitsweise. Ahnungslos wie er ist, streut er noch ein paar weitere Gerüchte dazu, um sein Süppchen anzurichten. Mit Schallwellen werde nach Öl- und Gasvorkommen unterhalb des Meeresbodens gesucht, und diese Schallwellen seien dafür verantwortlich, dass das »sehr sensible Sonarsystem« der Wale gestört werde. So weit, so gut, aber dann folgt wie aus dem Nichts die investigative, kritische Bröckersfrage: »Auch für ein Erdbeben?« Fragen wird ja wohl erlaubt sein.

Nur die Frage »Cui bono?«, die Bröckers normalerweise zum Ausgangspunkt seiner Verschwörungstheorien macht, fehlt in diesem Zusammenhang. Dabei würde sie vielleicht helfen, die wirklichen Ursachen der Katastrophe aufzudecken. Was ist zum Beispiel mit den Hilfsorganisationen, denen die Flut zu einer Spendenflut verhalf, oder den deutschen Fernsehanstalten, die mit ihren Sondersendungen und Spendengalas ihr dünnes Programm füllten? Oder mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die plötzlich betende Menschenscharen um sich versammeln? Wir wissen es nicht. Vermutlich hat Mathias Bröckers bei einem Tauchgang vor Phuket einfach einen enormen Furz gelassen und versucht nun krampfhaft, den Verdacht auf andere zu lenken. Wir sind da überhaupt keine Fachleute, aber vorstellen können wir uns das.